B-01 Beste Bildung – reloaded. Herausforderungen meistern. Haltung zeigen.

Die Zeit ist reif für Veränderungen. Unsere Gesellschaft verändert sich rasant. Digitalisierung, Automation (Künstliche Intelligenz) und Globalisierung stellen die Gesellschaft und damit auch das Bildungssystem vor enorme Herausforderungen. Besonders das Schulsystem muss sich anpassen und eine radikale Neustrukturierung vornehmen. Die SPD steht für Gerechtigkeit, Teilhabe und Fortschritt und muss sich damit auseinandersetzen, was Bildungsteilhabe in Zusammenhang mit Zuwanderung, demografischem Wandel, steigender Kinderarmut, Geschlechtergerechtigkeit, wachsender Heterogenität und den Herausforderungen der Arbeitswelt 4.0 eigentlich bedeutet. Die Aufgaben der Schule gehen weit über eine reine Wissensvermittlung hinaus und werden immer anspruchsvoller. Dass Schulkollegium der Zukunft wird aus Lehrpersonal und weiteren (pädagogischen) Fachkräften bestehen, die Hand in Hand arbeiten müssen, um unsere Kinder und Jugendlichen auf ihre Zukunft vorzubereiten. In diesem Zusammenhang denken wir das Bildungssystem neu.

 

Dieser Antrag ist ein erster Zwischenschritt. Er fasst in Stichpunkten zusammen, in welchen bildungspolitischen Themen weitgehend Einigkeit über die grundsätzliche politische Ausrichtung und nächste konkrete Schritte und Forderungen gibt. Er beschreibt aber auch die – wenigen – politischen Grundsatzentscheidungen, die in der bildungspolitischen Debatte vor uns liegen. Die unterschiedlichen Einschätzungen und Konfliktpunkte, die hier in unserer eigenen Partei vorhanden sind, wollen wir offen ansprechen und Diskussionsräume schaffen, in denen wir diese Konflikte auch thematisieren und die Argumente, mit Respekt vor den jeweils unterschiedlichen Zugängen und Haltungen zum Thema, austauschen. Am Ende steht dann natürlich die Entscheidung der Partei auf einem Parteitag.  Der Landesvorstand wird deshalb beauftragt bis spätestens Sommer 2019 ein Grundsatzpapier zur „Bildung der Zukunft – Zukunft der Bildung“ für Nordrhein-Westfalen vorzulegen.

 

Dabei müssen Antworten auf die zentrale Frage gefunden werden, welche Fähigkeiten und Kompetenzen Kinder und Jugendlichen in der Schule lernen müssen, um bestmöglich auf ihre berufliche Zukunft vorbereitet zu sein? Aber gleichzeitig auch, welche sozialen, emotionalen und politischen Fähigkeiten müssen erlernt werden, um als mündige Bürger*innen die Gesellschaft mitzugestalten. In diesem Zusammenhang müssen soziale-emotionale Kompetenzen auch durch andere Formen des „Unterrichts“ vermittelt werden können, der weit über den „klassischen“ Unterricht hinausgeht. Beispielhaft sollen hier nur Theater- und Chorangebote, Sportangebote, Angebote für soziales Engagement in der Stadt/Stadtteil oder Dorf, sowie Angebote zur politischen Bildung genannt werden. Hier lernen Kinder und Jugendliche sich und ihre individuellen Fähigkeiten nochmal ganz neu kennen und entdecken persönliche Stärken und Schwächen. Auch hier muss Schule fördern. Dies ist von besonderer Bedeutung, wenn Kinder und Jugendliche einen Großteil ihres Tages in der Schule verbringen. Bereits im Jahr 1992 hat der ehemalige Ministerpräsident Johannes Rau, die Bildungskommission NRW unter dem Titel Zukunft der Bildung- Schule der Zukunft berufen. Die damaligen sozialen, wirtschaftlichen und technologischen Umbrüche, die auf einen historischen Einschnitt hindeuteten, haben deutlich gemacht, dass das Bildungssystem sich verändern muss, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden. Bereits damals wurden die Ausgaben für Aus- und Weiterbildung als Zukunftsinvestitionen beschrieben und Bildung als ein Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung verstanden. Die damaligen Visionen und das neue Verständnis von Schule sind bis heute zeitgemäß. Die Herausforderungen haben sich beispielsweise durch Digitalisierung und den Wandel des Arbeitsmarktes nochmal deutlich verschärft. Daher ist es umso drängender das die NRWSPD sich intensiv mit dem Thema Bildung beschäftigt und neue Konzepte präsentiert, in dem alle Kinder und Jugendlichen bedacht werden. Dies ist die soziale Verantwortung der SPD in NRW. In diesem Zusammenhang hat die NRWSPD zuletzt im August 2007 ihre bildungspolitischen Forderungen in eine gemeinsame Positionierung unter dem Titel „Beste Bildung für alle“ zusammengeführt. Während der Regierungszeit war die NRWSPD bei bildungspolitischen Themen kaum mehr erkennbar und hat an Profil verloren, daher wurde nach der Landtagwahl im Mai 2017 durch den Landesvorstand die Arbeitsgruppe „Beste Bildung NRW – ein Leben lang“ eingesetzt. Gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft für Bildung (AfB), sollten die Fehler der Vergangenheit analysiert und aufgearbeitet werden, um dann den Prozess der Neuausrichtung für die nächsten 2 Jahre zu gestalten.

 

Beste Bildung NRW – ein Leben lang

Für uns ist Bildungspolitik ein Instrument für mehr Chancengleichheit in unserer Gesellschaft, wir wollen uns mit der wachsenden Ungleichheit in Deutschland nicht abfinden. Damit Bildungspolitik zu einer umfassenden Chancenpolitik wird, muss sie auf allen Ebenen, vor allem vor Ort in den Stadtteilen und Quartieren, noch viel besser mit Jugend-, Sozial-und Arbeitsmarktpolitik verzahnt werden. Freier Zugang zu guter Bildung ist eine Kernforderung der Sozialdemokratie. Wir finden uns nicht damit ab, dass Menschen nach ihrer Herkunft beurteilt werden und wollen, dass jedeR die bestmögliche Bildung erhalten kann. Berufliche und akademische Bildung sind uns gleich wichtig – Bildung muss unabhängig vom eingeschlagenen Weg gebührenfrei sein: von der Kita bis zur Hochschule und zum Meister.

Unser Ziel ist klar: Jedes Kind soll entsprechend seiner Talente und Begabungen gefördert werden. Beste Bildung beginnt im frühen Alter und sorgt im Lebenslauf dafür, dass alle Menschen, immer dann, wenn es notwendig ist, eine weitere Chance erhalten. Wir haben ein umfassendes Bildungsverständnis und wollen alle Bildungsinstitutionen von der Kita bis zur Weiterbildung weiter stärken.

 

Bildungsfinanzierung

Trotz aller Anstrengungen ist das Bildungssystem in NRW weiter unterfinanziert. Die SPD muss einen Plan entwickeln, eine auskömmliche finanzielle Ausstattung sicherzustellen und die Prioritäten im Bildungsbereich nicht nur auf Parteitagen, sondern im Regierungshandeln umzusetzen.

Gerade weil die Finanzen nicht hinreichend sind, muss zielgenau nach Aufgaben und Bedarf finanziert werden. Durch die Mitfinanzierung aus dem Bundeshaushalt werden sich hier sicher in den kommenden Jahren neue Spielräume auftun. Unser Ziel ist es, das Land Nordrhein-Westfalen wieder ins Mittelfeld des Länderranking bei den Bildungsausgaben zurückzubringen. Dabei bestehen wir auf die konsequente Anwendung des Sozialindex zur zielgenauen Förderung ungleicher Ausganglagen in den verschiedenen Bildungsregionen.

 

Frühkindliche Bildung

Die Kindertageseinrichtungen sind der erste Prüfstein für Chancengleichheit und die individuelle Entwicklung von Kindern. Die ersten sechs Jahre innerhalb einer Bildungsbiografie sind entscheidend. Durch möglichst frühzeitige Förderung können mögliche Defizite und damit verbundene Nachteile deutlich verringert werden. Für eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung muss diese Ausgabenpyramide umgekehrt werden. Wir wollen auch analysieren, warum sich die ausgleichenden Effekte der Elementarbildung im weiteren Bildungsverlauf scheinbar abschwächen und welche Instrumente sich auf die Primar- und Sekundarstufe übertragen lassen.

Der entscheidende Indikator für Qualität im Elementarbereich ist neben der Qualifikation des Personals, eine verbesserte Erzieher*innen-Kind-Relation, die sich an wissenschaftlichen Kriterien orientiert. Die Rahmenbedingungen für Erzieher*innen müssen sich weiter verbessern. Ihre Bezahlung muss widerspiegeln, dass es sich ähnlich wie beim Lehrerberuf, um eine entscheidende pädagogische Tätigkeit handelt. In der Ausbildungsphase muss eine Vergütung der angehenden Erzieher*innen die Regel sein, wie dies heute bereits im Rahmen der Praxisintegrierten Ausbildung (PIA) stattfindet.

Noch immer spielen Einkommen und Bildungsstand der Eltern eine entscheidende Rolle in Bezug auf Bildungsbeteiligung und Bildungserfolg. Diesen Kreislauf gilt es frühzeitig zu durchbrechen. Dafür ist der Ansatz „Ungleiches ungleich zu behandeln“ fortzuführen. Ein gutes Beispiel, wie dies gelingen kann, ist die zusätzliche Förderung von plusKita-Einrichtungen sowie die sozialindexbasierte Verteilung von Mitteln für Familienzentren und Sprachförderung. Die NRWSPD steht zu dem vorbeugenden Ansatz „Kein Kind zurücklassen“ und setzt sich für die konsequente landesweite Förderung kommunaler Präventionsketten ein. Dafür ist über alle Bildungsebenen hinweg die Jugendhilfe ein entscheidender Akteur.

 

Außerschulische Bildung

Aus Sicht der SPD wäre es verfehlt, Bildung rein im institutionellen Kontext zu betrachten. Das Recht auf Bildung und Erziehung zielt ebenso auf das kindliche Wohlbefinden und die Entwicklung einer eigenständigen Persönlichkeit ab. Dies wird häufig in außerschulischen Lernprozessen vermittelt, die daher mindestens ebenso bedeutend sind wie formale Bildung. Deshalb braucht es neben Kitas, Tagespflege, Familienzentren oder Grundschulen, Orte des non-formalen Lernens im Umfeld. Noch immer sind Teilhabechancen ungleich verteilt. Dies zu überwinden setzt eine enge und kooperative Beziehung von Bildungsinstitutionen, Jugendhilfe sowie offener und verbandlicher Jugendarbeit voraus. Mittelfristig müssen auch Schule und Jugendhilfe viel enger verzahnt werden, als es bisher der Fall  ist.

 

Guter Ganztag

Dem wachsenden Bedarf an qualitativ hochwertiger Kinderbetreuung, auch um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gerecht zu werden, müssen wir durch den weiteren Ausbau von Kita und Offenen Ganztagsschulen gerecht werden. Wir definieren den  Ganztag nicht nur als Betreuungsprogramm, sondern als elementaren Bestandteil für beste Bildung. Der gebundene Ganztag ist ein wichtiges Instrument für Chancengleichheit und individuelle Förderung. Wir wollen dabei die positiven Erfahrungen des „Offenen Ganztags“ für alle Schulformen nutzen und ihn somit fit für die Zukunft machen: neue Formen des verbindlichen Ganztags, bestehend aus Kern- und Wahlzeiten sollen mehr Zeit für eine qualitative Betreuung, mit kreativen und kindgemäßen Angeboten und für rhythmisierte Ganztagsangebote realisieren. Der im Koalitionsvertrag erreichte Rechtsanspruch ab 2025 muss deshalb ein Bildungs- und kein Betreuungsanspruch sein!  Um diesem qualtitativen Anspruch an den Ganztag gerecht zu werden benötigen wir multiprofessionelle Teams an allen Schulen, die Angebote für die Schüler*innen gestalten. Neben verschiedenen fachlichen Qualifikationen von nicht lehrendem Personal,  wird ebenso das Engagement der Lehrkräfte gefordert sein. Darüber hinaus sollen die häufig schon bestehenden Kooperationen mit Vereinen und Verbänden, im Umfeld der Schulen, ausgebaut und verstetigt werden.

Ein letzter wichtiger Aspekt sind die Arbeits- und Rahmenbedingungen des nicht lehrenden Personals in den Schulen. Zum einen müssen die Mitarbeiter*innen als vollwertige Teammitglieder im Schulkollegium verstanden werden. Darüber hinaus muss diese wichtige Arbeit fest im Bildungssystem verankert werden. Dazu gehört auch, dass die dauerhafte Refinanzierung zukünftig geklärt werden muss und die Projektfinanzierung aufhört. Klar ist dabei für uns, dass die weiteren Professionen in den Schulteams zusätzlich zu den  in benötigten Lehrerinnenstellen eingesetzt werden müssen.

 

Lehrer*innenbesoldung

Gut ausgebildete und qualifizierte Lehr*innen sind der Schlüssel für ein gutes und gerechtes Bildungssystem. Das muss sich auch bei der Bezahlung von Lehrkräften widerspiegeln. Für uns gilt der Grundsatz: gleiche Ausbildung, gleiche Eingangsbedingungen bei der Besoldung und gleiche Arbeitsbedingungen in der Schule. Deshalb fordern wir zusammen mit den Gewerkschaften, die einheitliche Eingangsbesoldung nach A13.

 

Arbeitsplatz Schule

Wir müssen auch die Arbeitszeit der Lehrer*innen unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Arbeitsbelastung in den Blick nehmen.

Angesichts der Digitalisierung von Schule und der gültigen Datenschutzrichtlinien müssen Lehrer*innen schnell dienstliche Geräte für dienstliche Aufgaben zur Verfügung gestellt bekommen. Man kann nicht laut nach „bring your own device“ schreien und anschließend die Verantwortung der und dem einzelnen übertragen. Dabei ist die der Frage, ob Schulträger oder Land für die Ausstattung verantwortlich sind, für die betroffenen Kolleg*innen ohne Bedeutung.

 

Es ist ein Auftrag für alle Schulen, die Schüler*innen auf das Leben und Lernen in einer digitalen Welt vorzubereiten, da die technischen Anforderungen immer komplexer werden. Die Schüler*innen müssen auch im Rahmen der Medienpädagogik zusätzliche Kompetenzen erwerben, um sich mit den Gefahren der digitalen Welt auseinanderzusetzen und z.B. vor Cybermobbing zu schützen.

 

Unterrichtsausfall/Lehrkräftemangel

Lehrer*innenmangel wird in den nächsten zehn Jahren weiterhin Thema auf allen Ebenen bleiben. Maßnahmen, wie die Einstellung von Seiteneinsteiger*innen (mit verbindlichen pädagogischen und fachspezifischen Qualifizierungsmaßnahmen) und die Entlastung der Lehrkräfte und der Schulleitungen durch zusätzliche  z.B.  Verwaltungsassistenten und andere Fachkräfte, müssen aus unserer Sicht kurzfristig ergriffen werden. Wir brauchen eine massive Steigerung von Studienplätzen. Einen NC für Lehrer*innen lehnen wir ab.

 

Oberstufenreform- Abitur im eigenen Takt

Schülerinnen und Schüler benötigen Freiräume für ihre persönliche und individuelle Entwicklung, dies muss auch in einem schulischen Kontext gefördert werden. Diese Freiräume benötigen auch einen zeitlichen Rahmen. Durch die Möglichkeit, das Abitur nun wieder in 13 Jahren absolvieren zu können, haben die Schülerinnen und Schüler ein Jahr mehr Zeit für die persönliche Entwicklung, da die Jahrgangsstufe 11 wieder hinzukommt. In diesem Kontext müssen Möglichkeiten für die berufliche Orientierung, soziales Engagement (z. B. freiwilliges soziales Jahr), internationale Vernetzung von Schülerinnen und Schülern (z. B. Schüler-Erasmus), Praktika etc. gefördert werden. Darüber hinaus können Schülerinnen und Schüler dieses Jahr nutzen, um Lerndefizite, die bis zur Klasse 10 entstanden sind, aufzuarbeiten.  Auf der anderen Seite müssen aber auch Schülerinnen und Schüler unterstützt werden, die ihr Abitur in acht Jahren absolvieren möchten.

 

Beschulung von eingewanderten Kindern und Jugendlichen

Kinder und Jugendliche, die vor Krieg und Gewalt fliehen mussten oder eingewandert sind, brauchen größtmögliche schulische und sozialpädagogische Unterstützung. Gelingende Integration beginnt mit dem knüpfen von neuen sozialen Kontakten im Zusammenleben und –lernen mit den Mitschüler*innen. Dies erleichtert auch einen schnelleren Spracherwerb (Stichwort „Sprachbad“). Neben täglichem Unterricht in „Deutsch als Zweitsprache“ müssen gemeinsamer Unterricht und Aktivitäten im Klassenverband stehen. Um gut und schnell Anschluss zu finden, sind kleine Klassen und eine ausreichende Anzahl von qualifizierten Lehrer*innen und  weiteren pädagogischen Fachkräften notwendig.

 

Schulbau

Auch im Bereich der Gebäude und des Schulbaus ist der Handlungsdruck groß: 34 Mrd. Euro beträgt der Investitionsstau an deutschen Schulen nach Angaben des Städtetags aktuell. Marode Schulgebäude, fehlende Klassenräume und Räume für Ganztagsangebote bei steigenden Schüler*innenzahlen, Inklusion, Digitalisierung und neue pädagogische Unterrichtskonzepte begründen den immensen Investitionsbedarf für dringende Sanierungsmaßnahmen, sowie Aus- und Neubauten in vielen Schulen. Bei den Investitionen und Neubauten muss die Verbesserung der Qualität, im Sinne einer zukunftsgerechten Schulinfrastruktur im Fokus stehen. . Gute Schule 2020 ist weiterhin ein richtiger und wichtiger Schritt.

 

Demokratie vs. Wirtschaft

Die gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen bergen die erhebliche Gefahr, dass die aktive politische Beteiligung junger Menschen in den Hintergrund tritt. Das Erlernen von wirtschaftlichen Kompetenzen ist wichtig, aber das darf nicht auf Kosten des Politikunterrichts gehen. 20 Minuten in der Woche sind zu wenig. Stattdessen wollen wir Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft befähigen, ihre Rechte und Pflichten wahrzunehmen und ihre Interessen zu vertreten. Dies ist auch Aufgabe der politischen Bildung in der Schule. Politische Bildung vermittelt Toleranz, solidarisches Miteinander, Erlernen freiheitlich-demokratischer Spielregeln und Selbsterfahrung im politischen Umfeld.  Dies muss weit über die von CDU und FDP geforderten Wirtschaftskompetenzen hinausgehen. Wir wollen wieder mehr Demokratie wagen und das gesellschaftspolitische Aufgabenfeld in der Schule stärken.

 

Berufskollegs

Berufskollegs haben eine grundlegende Bedeutung für das Bildungssystem. Der auch international herausragende Ruf der dualen Ausbildung in Deutschland beruht neben dem Lernort Betrieb insbesondere auf den Leistungen der Berufskollegs. Diese vermitteln berufliche Qualifikationen und integrieren Schüler*innen in Beschäftigungssysteme. Sie sind eigenständige Lernorte, mit der beruflichen Praxis verzahnt und gleichzeitig Orte des gemeinsamen Lernens. Ihre Leistungen müssen in der Öffentlichkeit mehr Anerkennung finden.

Ein steigender Anteil von jungen Menschen mit Hochschulzugangsberechtigung zeugt von gelungenem Bildungsaufstieg vieler Menschen. Dieser Anstieg ist auch ein Erfolg sozialdemokratischer Bildungspolitik. Neben dem Studium ist der Wert dualer Ausbildung zu betonen. Ein Berufsabschluss und solide berufliche Qualifikation ist weiterhin Grundlage für ein gelingendes Leben.

Die Berufskollegs sind deshalb kein Anhängsel der Bildungspolitik oder der dualen Ausbildung, sondern ein eigenständiger, gleichberechtigter und selbstbewusster Akteur. Sozialdemokratische Bildungspolitik muss sie fördern, die Politik sie wertschätzen.

 

Hochschule und Wissenschaft

Das Thema „Hochschule und Wissenschaft“ gehört für uns natürlich zum Thema „Beste Bildung NRW – eine Leben lang“ dazu. Es wird eigenständig vom Wissenschaftsforum der NRWSPD bearbeitet. Bis zum kommenden Jahr wollen wir die Ergebnisse unserer Arbeit mit denen des Wissenschaftsforums verzahnen, um sie in den dann gemeinsamen Antrag aufzunehmen.

 

Aus – und Weiterbildung

Kein Jugendlicher darf von der Schule in die Arbeitslosigkeit geschickt werden. Wir wollen für alle jungen Menschen, die eine Ausbildung beginnen wollen, einen Platz sicherstellen. Unser duales System der beruflichen Bildung bietet Auszubildenden beste Bildungschancen, gute Ausbildungsbedingungen und damit die Chance für die Teilhabe an der Gesellschaft und eine erfolgreiche berufliche Zukunft. Frühzeitige Information über die bestehenden Möglichkeiten müssen an Schulformen angeboten werden.

Weiterbildung muss in einer sich beschleunigt wandelnden Gesellschaft zur Grundlage jeder politischen Debatte werden. Wir werden auch hier die Schnittstellen innerhalb der Arbeitsgruppe nutzen, um konkrete Forderungen in diesem Bereich zu erarbeiten.

 

Strittige Themen diskutieren und Entscheidungen vorbereiten

Zu den politischen Grundsatzentscheidungen, die in der bildungspolitischen Debatte vor uns liegen, gehören die Themen Schulstruktur, Umsetzung der schulischen Inklusion, die Frage nach den Zuständigkeiten und der inneren Organisation von Schule. Hier treffen sehr unterschiedlichen Einschätzungen und Erfahrungen unserer Expert*innen in der Arbeitsgruppe Beste Bildung aufeinander und viele der Konfliktpunkte haben sich bereits in den regionalen Bildungskonferenzen bei der Diskussion mit der Parteibasis gezeigt. Hier wollen wir im ersten Schritt Diskussionsräume schaffen, um diese Konflikte offen zu thematisieren und die Argumente austauschen zu können. Die Entscheidung der Partei und ihrer Gremien kann so für den nächsten Parteitag vorbereitet werden.

 

Schulstruktur

Die auf dem Hintergrund des Schulkonsenses zunehmende und bundesweit einmalige Zersplitterung der NRW-Schullandschaft wirft die Frage nach der Effektivität des Gesamtsystems auf und die Frage nach landesweit vergleichbaren Bildungschancen. Es stellt sich die Frage, ob es „ein“ NRW Schulsystem überhaupt noch gibt. Die erzwungende Fortführung des Schulkonsens schadet den jungen Menschen in unserem Land. Wir müssen uns deshalb mit der Schulstruktur beschäftigen und letztlich entscheiden: setzen wir weiterhin – wie es unserer bisherigen Beschlusslage als Sozialdemokratie entspricht- auf die Überwindung des dreigliedrigen Schulsystems durch die Gemeinschaftsschule oder begeben wir uns auf den Weg von anderen Bundesländern, wie Bremen und Hamburg, die mit dem 2-Säulen-Modell, also dem Nebeneinander einer integrierten Oberschule und dem Gymnasium, mehr Kindern und Jugendlichen längeres gemeinsames Lernen ermöglichen?

 

Inklusion

Wir stehen grundsätzlich weiterhin zur Inklusion, entsprechend der UN-Behindertenrechtskonvention, an Schulen. Die schulische Inklusion muss Aufgabe aller Schulformen sein.

Über die konkrete Ausgestaltung an den (verschiedenen) Schulen herrscht allerdings eine große Uneinigkeit:

Befürworter*innen der völligen schulischen Inklusion führen an, dass das gemeinsame Leben und Lernen das Verständnis und die Verantwortungsbereitschaft füreinander, das friedliche Zusammenleben innerhalb der Gesellschaft und die Kultur einer demokratischen Teilhabe fördert. Eine demokratische und an den Menschenrechten orientierte Lernkultur bereitet junge Menschen auf das Leben in einer zunehmend von Globalisierung und Diversifizierung geprägten Gesellschaft vor.

Skeptiker*innen geben zu bedenken, dass das Ziel des Inklusionsgedankens die bestmögliche Förderung aller Schüler*innen sei. Da Kinder und Jugendliche mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen beschult werden und der Elternwille eine entscheidende Größe in unserem Schulsystem sei, müsse zwingend auch der Förderort Förderschule erhalten bleiben.

Lehrer*innen benötigen in jedem Fall mehr Unterstützung und Hilfe bei der Umsetzung der schulischen Inklusion und entsprechende fachliche Beratung und Fortbildung. Auch die Eltern brauchen eine gute Beratung über bestehende Fördermöglichkeiten  für  ihr Kind, um individuell entscheiden zu können, wo ihr Kind optimal gefördert werden kann. Die Schulen müssen dafür sorgen, dass bei Eltern, Lehrer*innen und Schüler*innen durch viel Transparenz und Gesprächsbereitschaft Strukturen entstehen können, in denen auch wirklich alle Kinder von gemeinsamem Unterricht profitieren können.

 

Wer ist verantwortlich?

Es wird immer wieder von der Verantwortungsgemeinschaft für unsere Schulen geschrieben und geredet. In der Realität führt die unklare Zuständigkeit für die Schulen dazu, dass Verantwortung zwischen Kommunen und dem Land, teilweise auch der Kultusministerkonferenz hin und her geschoben werden.

Wir wollen klären, wer in einer Schule mit multiprofessionellen Teams für das lehrende und nicht lehrende Personal verantwortlich ist? Wie und wo organisieren wir  die Schulaufsicht? Wir wollen einen „new deal“ zwischen Land und Kommunen über gemeinsame Standards beim Schulbau, in der Frage der Ganztagsangebote und bei der Inklusion. Wollen wir  – und wenn ja, wie? – stärken wir die regionalen Bildungsnetzwerke und Kooperationen, um die Zusammenarbeit des Systems Schule mit den vielen Akteur*innen vor Ort sicher zu stellen?

Unser Ziel ist es,  das man innerhalb von Deutschland umziehen kann, ohne in jedem Bundesland ein völlig neues Schulsystem vorzufinden.

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme in der Fassung der AK
Version der Antragskommission:

Neufassung Kapitel Inklusion, Zeile 453 bis 488:

Die Umsetzung der UN Behindertenkonvention bleibt weiterhin Aufgabe aller Schulen, unabhängig von der Frage der Schulstruktur in den weiterführenden Schulen.
Es kommen Schüler*innen mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedürfnissen in das Schulsystem. Festzuhalten ist, dass es eine Schulpflicht für alle Schüler*innen gibt und diese entsprechend der individuellen Bedürfnisse bestmöglich wohnortnah gefördert werden müssen. Ein inklusives Schulsystem muss allen Schüler*innen gerecht werden. Ziel soll eine möglichst gleichberechtigte und selbständige Teilnahme an unserer Gesellschaft sein.
So wie wir heute das Problem der Abschulung, der selektiven Auswahl an den einzelnen Schulformen kennen und ablehnen, so darf es auch keine Ausgrenzung von Schüler*innen mit Schwerstbehinderungen geben.
Die bisherigen Erfahrungen an den verschiedenen Schulen haben zu einer Uneinigkeit in der allgemeinen Bewertung geführt. Befürworter*innen führen positive Beispiele gemeinsamen Lernens in integrativ und inklusiv arbeitenden Schulen als Ermutigung auf dem Weg zur Überwindung selektiver Strukturen an.
Skeptiker*innen geben zu bedenken, dass das Ziel des Inklusionsgedankens nicht in allen Schulformen zu erreichen ist und befürworten den Erhalt der Förderschulen als zweite Säule des Systems.

Beschluss: Annahme in der Fassung der Antragskommission
Text des Beschlusses:

Die Zeit ist reif für Veränderungen. Unsere Gesellschaft verändert sich rasant. Digitalisierung, Automation (Künstliche Intelligenz) und Globalisierung stellen die Gesellschaft und damit auch das Bildungssystem vor enorme Herausforderungen. Besonders das Schulsystem muss sich anpassen und eine radikale Neustrukturierung vornehmen. Die SPD steht für Gerechtigkeit, Teilhabe und Fortschritt und muss sich damit auseinandersetzen, was Bildungsteilhabe in Zusammenhang mit Zuwanderung, demografischem Wandel, steigender Kinderarmut, Geschlechtergerechtigkeit, wachsender Heterogenität und den Herausforderungen der Arbeitswelt 4.0 eigentlich bedeutet. Die Aufgaben der Schule gehen weit über eine reine Wissensvermittlung hinaus und werden immer anspruchsvoller. Das Schulkollegium der Zukunft wird aus Lehrpersonal und weiteren (pädagogischen) Fachkräften bestehen, die Hand in Hand arbeiten müssen, um unsere Kinder und Jugendlichen auf ihre Zukunft vorzubereiten. In diesem Zusammenhang denken wir das Bildungssystem neu.

 

Dieser Antrag ist ein erster Zwischenschritt. Er fasst in Stichpunkten zusammen, in welchen bildungspolitischen Themen weitgehend Einigkeit über die grundsätzliche politische Ausrichtung und nächste konkrete Schritte und Forderungen gibt. Er beschreibt aber auch die – wenigen – politischen Grundsatzentscheidungen, die in der bildungspolitischen Debatte vor uns liegen. Die unterschiedlichen Einschätzungen und Konfliktpunkte, die hier in unserer eigenen Partei vorhanden sind, wollen wir offen ansprechen und Diskussionsräume schaffen, in denen wir diese Konflikte auch thematisieren und die Argumente, mit Respekt vor den jeweils unterschiedlichen Zugängen und Haltungen zum Thema, austauschen. Am Ende steht dann natürlich die Entscheidung der Partei auf einem Parteitag.  Der Landesvorstand wird deshalb beauftragt bis spätestens Sommer 2019 ein Grundsatzpapier zur „Bildung der Zukunft – Zukunft der Bildung“ für Nordrhein-Westfalen vorzulegen.

 

Dabei müssen Antworten auf die zentrale Frage gefunden werden, welche Fähigkeiten und Kompetenzen Kinder und Jugendliche in der Schule lernen müssen, um bestmöglich auf ihre berufliche Zukunft vorbereitet zu sein? Aber gleichzeitig auch, welche sozialen, emotionalen und politischen Fähigkeiten müssen erlernt werden, um als mündige Bürger*innen die Gesellschaft mitzugestalten. In diesem Zusammenhang müssen soziale-emotionale Kompetenzen auch durch andere Formen des „Unterrichts“ vermittelt werden können, der weit über den „klassischen“ Unterricht hinausgeht. Beispielhaft sollen hier nur Theater- und Chorangebote, Sportangebote, Angebote für soziales Engagement in der Stadt/Stadtteil oder Dorf, sowie Angebote zur politischen Bildung genannt werden. Hier lernen Kinder und Jugendliche sich und ihre individuellen Fähigkeiten nochmal ganz neu kennen und entdecken persönliche Stärken und Schwächen. Auch hier muss Schule fördern. Dies ist von besonderer Bedeutung, wenn Kinder und Jugendliche einen Großteil ihres Tages in der Schule verbringen. Bereits im Jahr 1992 hat der ehemalige Ministerpräsident Johannes Rau die Bildungskommission NRW unter dem Titel Zukunft der Bildung – Schule der Zukunft berufen. Die damaligen sozialen, wirtschaftlichen und technologischen Umbrüche, die auf einen historischen Einschnitt hindeuteten, haben deutlich gemacht, dass das Bildungssystem sich verändern muss, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden. Bereits damals wurden die Ausgaben für Aus- und Weiterbildung als Zukunftsinvestitionen beschrieben und Bildung als ein Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung verstanden. Die damaligen Visionen und das neue Verständnis von Schule sind bis heute zeitgemäß. Die Herausforderungen haben sich beispielsweise durch Digitalisierung und den Wandel des Arbeitsmarktes nochmals deutlich verschärft. Daher ist es umso drängender, dass die NRWSPD sich intensiv mit dem Thema Bildung beschäftigt und neue Konzepte präsentiert, in denen alle Kinder und Jugendlichen bedacht werden. Dies ist die soziale Verantwortung der SPD in NRW. In diesem Zusammenhang hat die NRWSPD zuletzt im August 2007 ihre bildungspolitischen Forderungen in eine gemeinsame Positionierung unter dem Titel „Beste Bildung für alle“ zusammengeführt. Während der Regierungszeit war die NRWSPD bei bildungspolitischen Themen kaum mehr erkennbar und hat an Profil verloren, daher wurde nach der Landtagwahl im Mai 2017 durch den Landesvorstand die Arbeitsgruppe „Beste Bildung NRW – ein Leben lang“ eingesetzt. Gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft für Bildung (AfB), sollten die Fehler der Vergangenheit analysiert und aufgearbeitet werden, um dann den Prozess der Neuausrichtung für die nächsten zwei Jahre zu gestalten.

 

Beste Bildung NRW – ein Leben lang

Für uns ist Bildungspolitik ein Instrument für mehr Chancengleichheit in unserer Gesellschaft, wir wollen uns mit der wachsenden Ungleichheit in Deutschland nicht abfinden. Damit Bildungspolitik zu einer umfassenden Chancenpolitik wird, muss sie auf allen Ebenen, vor allem vor Ort in den Stadtteilen und Quartieren, noch viel besser mit Jugend-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik verzahnt werden. Freier Zugang zu guter Bildung ist eine Kernforderung der Sozialdemokratie. Wir finden uns nicht damit ab, dass Menschen nach ihrer Herkunft beurteilt werden und wollen, dass jedeR die bestmögliche Bildung erhalten kann. Berufliche und akademische Bildung sind uns gleich wichtig – Bildung muss unabhängig vom eingeschlagenen Weg gebührenfrei sein: von der Kita bis zur Hochschule und zum Meister.

Unser Ziel ist klar: Jedes Kind soll entsprechend seiner Talente und Begabungen gefördert werden. Beste Bildung beginnt im frühen Alter und sorgt im Lebenslauf dafür, dass alle Menschen immer dann, wenn es notwendig ist, eine weitere Chance erhalten. Wir haben ein umfassendes Bildungsverständnis und wollen alle Bildungsinstitutionen von der Kita bis zur Weiterbildung weiter stärken.

 

Bildungsfinanzierung

Trotz aller Anstrengungen ist das Bildungssystem in NRW weiter unterfinanziert. Die SPD muss einen Plan entwickeln, eine auskömmliche finanzielle Ausstattung sicherzustellen und die Prioritäten im Bildungsbereich nicht nur auf Parteitagen, sondern im Regierungshandeln umzusetzen.

Gerade weil die Finanzen nicht hinreichend sind, muss zielgenau nach Aufgaben und Bedarf finanziert werden. Durch die Mitfinanzierung aus dem Bundeshaushalt werden sich hier sicher in den kommenden Jahren neue Spielräume auftun. Unser Ziel ist es, das Land Nordrhein-Westfalen wieder ins Mittelfeld des Länderrankings bei den Bildungsausgaben zurückzubringen. Dabei bestehen wir auf die konsequente Anwendung des Sozialindex zur zielgenauen Förderung ungleicher Ausgangslagen in den verschiedenen Bildungsregionen.

 

Frühkindliche Bildung

Die Kindertageseinrichtungen sind der erste Prüfstein für Chancengleichheit und die individuelle Entwicklung von Kindern. Die ersten sechs Jahre innerhalb einer Bildungsbiografie sind entscheidend. Durch möglichst frühzeitige Förderung können mögliche Defizite und damit verbundene Nachteile deutlich verringert werden. Für eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung muss die Ausgabenpyramide umgekehrt werden. Wir wollen auch analysieren, warum sich die ausgleichenden Effekte der Elementarbildung im weiteren Bildungsverlauf scheinbar abschwächen und welche Instrumente sich auf die Primar- und Sekundarstufe übertragen lassen.

Der entscheidende Indikator für Qualität im Elementarbereich ist neben der Qualifikation des Personals eine verbesserte Erzieher*innen-Kind-Relation, die sich an wissenschaftlichen Kriterien orientiert. Die Rahmenbedingungen für Erzieher*innen müssen sich weiter verbessern. Ihre Bezahlung muss widerspiegeln, dass es sich ähnlich wie beim Lehrerberuf um eine entscheidende pädagogische Tätigkeit handelt. In der Ausbildungsphase muss eine Vergütung der angehenden Erzieher*innen die Regel sein, wie dies heute bereits im Rahmen der Praxisintegrierten Ausbildung (PIA) stattfindet.

Noch immer spielen Einkommen und Bildungsstand der Eltern eine entscheidende Rolle in Bezug auf Bildungsbeteiligung und Bildungserfolg. Diesen Kreislauf gilt es frühzeitig zu durchbrechen. Dafür ist der Ansatz „Ungleiches ungleich behandeln“ fortzuführen. Ein gutes Beispiel, wie dies gelingen kann, ist die zusätzliche Förderung von plusKita-Einrichtungen sowie die sozialindexbasierte Verteilung von Mitteln für Familienzentren und Sprachförderung. Die NRWSPD steht zu dem vorbeugenden Ansatz „Kein Kind zurücklassen“ und setzt sich für die konsequente landesweite Förderung kommunaler Präventionsketten ein. Dafür ist über alle Bildungsebenen hinweg die Jugendhilfe ein entscheidender Akteur.

 

Außerschulische Bildung

Aus Sicht der SPD wäre es verfehlt, Bildung rein im institutionellen Kontext zu betrachten. Das Recht auf Bildung und Erziehung zielt ebenso auf das kindliche Wohlbefinden und die Entwicklung einer eigenständigen Persönlichkeit ab. Dies wird häufig in außerschulischen Lernprozessen vermittelt, die daher mindestens ebenso bedeutend sind wie formale Bildung. Deshalb braucht es neben Kitas, Tagespflege, Familienzentren oder Grundschulen Orte des non-formalen Lernens im Umfeld. Noch immer sind Teilhabechancen ungleich verteilt. Dies zu überwinden setzt eine enge und kooperative Beziehung von Bildungsinstitutionen, Jugendhilfe sowie offener und verbandlicher Jugendarbeit voraus. Mittelfristig müssen auch Schule und Jugendhilfe viel enger verzahnt werden, als es bisher der Fall  ist.

 

Guter Ganztag

Dem wachsenden Bedarf an qualitativ hochwertiger Kinderbetreuung, auch um der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gerecht zu werden, müssen wir durch den weiteren Ausbau von Kita und Offenen Ganztagsschulen gerecht werden. Wir definieren den Ganztag nicht nur als Betreuungsprogramm, sondern als elementaren Bestandteil für beste Bildung. Der gebundene Ganztag ist ein wichtiges Instrument für Chancengleichheit und individuelle Förderung. Wir wollen dabei die positiven Erfahrungen des „Offenen Ganztags“ für alle Schulformen nutzen und ihn somit fit für die Zukunft machen: Neue Formen des verbindlichen Ganztags, bestehend aus Kern- und Wahlzeiten sollen mehr Zeit für eine qualitative Betreuung, mit kreativen und kindgemäßen Angeboten und für rhythmisierte Ganztagsangebote realisieren. Der im Koalitionsvertrag erreichte Rechtsanspruch ab 2025 muss deshalb ein Bildungs- und kein Betreuungsanspruch sein! Um diesem qualitativen Anspruch an den Ganztag gerecht zu werden benötigen wir multiprofessionelle Teams an allen Schulen, die Angebote für die Schüler*innen gestalten. Neben verschiedenen fachlichen Qualifikationen von nicht lehrendem Personal wird ebenso das Engagement der Lehrkräfte gefordert sein. Darüber hinaus sollen die häufig schon bestehenden Kooperationen mit Vereinen und Verbänden im Umfeld der Schulen ausgebaut und verstetigt werden.

Ein letzter wichtiger Aspekt sind die Arbeits- und Rahmenbedingungen des nicht lehrenden Personals in den Schulen. Zum einen müssen die Mitarbeiter*innen als vollwertige Teammitglieder im Schulkollegium verstanden werden. Darüber hinaus muss diese wichtige Arbeit fest im Bildungssystem verankert werden. Dazu gehört auch, dass die dauerhafte Refinanzierung zukünftig geklärt werden muss und die Projektfinanzierung aufhört. Klar ist dabei für uns, dass die weiteren Professionen in den Schulteams zusätzlich zu den benötigten Lehrer*innenstellen eingesetzt werden müssen.

 

Lehrer*innenbesoldung

Gut ausgebildete und qualifizierte Lehr*innen sind der Schlüssel für ein gutes und gerechtes Bildungssystem. Das muss sich auch bei der Bezahlung von Lehrkräften widerspiegeln. Für uns gilt der Grundsatz: gleiche Ausbildung, gleiche Eingangsbedingungen bei der Besoldung und gleiche Arbeitsbedingungen in der Schule. Deshalb fordern wir zusammen mit den Gewerkschaften die einheitliche Eingangsbesoldung nach A13.

 

Arbeitsplatz Schule

Wir müssen auch die Arbeitszeit der Lehrer*innen unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Arbeitsbelastung in den Blick nehmen.

Angesichts der Digitalisierung von Schule und den gültigen Datenschutzrichtlinien müssen Lehrer*innen schnell dienstliche Geräte für dienstliche Aufgaben zur Verfügung gestellt bekommen. Man kann nicht laut nach „bring your own device“ schreien und anschließend die Verantwortung der und dem einzelnen übertragen. Dabei ist die Frage, ob Schulträger oder Land für die Ausstattung verantwortlich ist, für die betroffenen Kolleg*innen ohne Bedeutung.

 

Es ist ein Auftrag für alle Schulen, die Schüler*innen auf das Leben und Lernen in einer digitalen Welt vorzubereiten, da die technischen Anforderungen immer komplexer werden. Die Schüler*innen müssen auch im Rahmen der Medienpädagogik zusätzliche Kompetenzen erwerben, um sich mit den Gefahren der digitalen Welt auseinanderzusetzen und z.B. vor Cybermobbing zu schützen.

 

Unterrichtsausfall/Lehrkräftemangel

Lehrer*innenmangel wird in den nächsten zehn Jahren weiterhin Thema auf allen Ebenen bleiben. Maßnahmen wie die Einstellung von Seiteneinsteiger*innen (mit verbindlichen pädagogischen und fachspezifischen Qualifizierungsmaßnahmen) und die Entlastung der Lehrkräfte und der Schulleitungen durch zusätzliche z.B. Verwaltungsassistenten und andere Fachkräfte müssen aus unserer Sicht kurzfristig ergriffen werden. Wir brauchen eine massive Steigerung von Studienplätzen. Einen NC für Lehrer*innen lehnen wir ab.

 

Oberstufenreform – Abitur im eigenen Takt

Schülerinnen und Schüler benötigen Freiräume für ihre persönliche und individuelle Entwicklung, dies muss auch in einem schulischen Kontext gefördert werden. Diese Freiräume benötigen auch einen zeitlichen Rahmen. Durch die Möglichkeit, das Abitur nun wieder in 13 Jahren absolvieren zu können, haben die Schülerinnen und Schüler ein Jahr mehr Zeit für die persönliche Entwicklung, da die Jahrgangsstufe 11 wieder hinzukommt. In diesem Kontext müssen Möglichkeiten für die berufliche Orientierung, soziales Engagement (z. B. freiwilliges soziales Jahr), internationale Vernetzung von Schülerinnen und Schülern (z. B. Schüler-Erasmus), Praktika etc. gefördert werden. Darüber hinaus können Schülerinnen und Schüler dieses Jahr nutzen, um Lerndefizite, die bis zur Klasse 10 entstanden sind, aufzuarbeiten. Auf der anderen Seite müssen aber auch Schülerinnen und Schüler unterstützt werden, die ihr Abitur in acht Jahren absolvieren möchten.

 

Beschulung von eingewanderten Kindern und Jugendlichen

Kinder und Jugendliche, die vor Krieg und Gewalt fliehen mussten oder eingewandert sind, brauchen größtmögliche schulische und sozialpädagogische Unterstützung. Gelingende Integration beginnt mit dem Knüpfen von neuen sozialen Kontakten im Zusammenleben und –lernen mit den Mitschüler*innen. Dies erleichtert auch einen schnelleren Spracherwerb (Stichwort „Sprachbad“). Neben täglichem Unterricht in „Deutsch als Zweitsprache“ müssen gemeinsamer Unterricht und Aktivitäten im Klassenverband stehen. Um gut und schnell Anschluss zu finden, sind kleine Klassen und eine ausreichende Anzahl von qualifizierten Lehrer*innen und weiteren pädagogischen Fachkräften notwendig.

 

Schulbau

Auch im Bereich der Gebäude und des Schulbaus ist der Handlungsdruck groß: 34 Mrd. Euro beträgt der Investitionsstau an deutschen Schulen nach Angaben des Städtetags aktuell. Marode Schulgebäude, fehlende Klassenräume und Räume für Ganztagsangebote bei steigenden Schüler*innenzahlen, Inklusion, Digitalisierung und neue pädagogische Unterrichtskonzepte begründen den immensen Investitionsbedarf für dringende Sanierungsmaßnahmen, sowie Aus- und Neubauten in vielen Schulen. Bei den Investitionen und Neubauten muss die Verbesserung der Qualität im Sinne einer zukunftsgerechten Schulinfrastruktur im Fokus stehen. Gute Schule 2020 ist weiterhin ein richtiger und wichtiger Schritt.

 

Demokratie vs. Wirtschaft

Die gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen bergen die erhebliche Gefahr, dass die aktive politische Beteiligung junger Menschen in den Hintergrund tritt. Das Erlernen von wirtschaftlichen Kompetenzen ist wichtig, darf aber nicht auf Kosten des Politikunterrichts gehen. 20 Minuten in der Woche sind zu wenig. Stattdessen wollen wir Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft befähigen, ihre Rechte und Pflichten wahrzunehmen und ihre Interessen zu vertreten. Dies ist auch Aufgabe der politischen Bildung in der Schule. Politische Bildung vermittelt Toleranz, solidarisches Miteinander, Erlernen freiheitlich-demokratischer Spielregeln und Selbsterfahrung im politischen Umfeld. Dies muss weit über die von CDU und FDP geforderten Wirtschaftskompetenzen hinausgehen. Wir wollen wieder mehr Demokratie wagen und das gesellschaftspolitische Aufgabenfeld in der Schule stärken.

 

Berufskollegs

Berufskollegs haben eine grundlegende Bedeutung für das Bildungssystem. Der auch international herausragende Ruf der dualen Ausbildung in Deutschland beruht neben dem Lernort Betrieb insbesondere auf den Leistungen der Berufskollegs. Diese vermitteln berufliche Qualifikationen und integrieren Schüler*innen in Beschäftigungssysteme. Sie sind eigenständige Lernorte, mit der beruflichen Praxis verzahnt und gleichzeitig Orte des gemeinsamen Lernens. Ihre Leistungen müssen in der Öffentlichkeit mehr Anerkennung finden.

Ein steigender Anteil von jungen Menschen mit Hochschulzugangsberechtigung zeugt von gelungenem Bildungsaufstieg vieler Menschen. Dieser Anstieg ist auch ein Erfolg sozialdemokratischer Bildungspolitik. Neben dem Studium ist der Wert dualer Ausbildung zu betonen. Ein Berufsabschluss und solide berufliche Qualifikation sind weiterhin Grundlage für ein gelingendes Leben.

Die Berufskollegs sind deshalb kein Anhängsel der Bildungspolitik oder der dualen Ausbildung, sondern ein eigenständiger, gleichberechtigter und selbstbewusster Akteur. Sozialdemokratische Bildungspolitik muss sie fördern, die Politik sie wertschätzen.

 

Hochschule und Wissenschaft

Das Thema „Hochschule und Wissenschaft“ gehört für uns natürlich zum Thema „Beste Bildung NRW – eine Leben lang“ dazu. Es wird eigenständig vom Wissenschaftsforum der NRWSPD bearbeitet. Bis zum kommenden Jahr wollen wir die Ergebnisse unserer Arbeit mit denen des Wissenschaftsforums verzahnen, um sie in den dann gemeinsamen Antrag aufzunehmen.

 

Aus– und Weiterbildung

Kein Jugendlicher darf von der Schule in die Arbeitslosigkeit geschickt werden. Wir wollen für alle jungen Menschen, die eine Ausbildung beginnen wollen, einen Platz sicherstellen. Unser duales System der beruflichen Bildung bietet Auszubildenden beste Bildungschancen, gute Ausbildungsbedingungen und damit die Chance für die Teilhabe an der Gesellschaft und eine erfolgreiche berufliche Zukunft. Frühzeitige Information über die bestehenden Möglichkeiten müssen an Schulformen angeboten werden.

Weiterbildung muss in einer sich beschleunigt wandelnden Gesellschaft zur Grundlage jeder politischen Debatte werden. Wir werden auch hier die Schnittstellen innerhalb der Arbeitsgruppe nutzen, um konkrete Forderungen in diesem Bereich zu erarbeiten.

 

Strittige Themen diskutieren und Entscheidungen vorbereiten

Zu den politischen Grundsatzentscheidungen, die in der bildungspolitischen Debatte vor uns liegen, gehören die Themen Schulstruktur, Umsetzung der schulischen Inklusion, die Frage nach den Zuständigkeiten und der inneren Organisation von Schule. Hier treffen sehr unterschiedlichen Einschätzungen und Erfahrungen unserer Expert*innen in der Arbeitsgruppe Beste Bildung aufeinander und viele der Konfliktpunkte haben sich bereits in den regionalen Bildungskonferenzen bei der Diskussion mit der Parteibasis gezeigt. Hier wollen wir im ersten Schritt Diskussionsräume schaffen, um diese Konflikte offen zu thematisieren und die Argumente austauschen zu können. Die Entscheidung der Partei und ihrer Gremien kann so für den nächsten Parteitag vorbereitet werden.

 

Schulstruktur

Die auf dem Hintergrund des Schulkonsenses zunehmende und bundesweit einmalige Zersplitterung der NRW-Schullandschaft wirft die Frage nach der Effektivität des Gesamtsystems auf und die Frage nach landesweit vergleichbaren Bildungschancen. Es stellt sich die Frage, ob es „ein“ NRW Schulsystem überhaupt noch gibt. Die erzwungene Fortführung des Schulkonsens schadet den jungen Menschen in unserem Land. Wir müssen uns deshalb mit der Schulstruktur beschäftigen und letztlich entscheiden: Setzen wir weiterhin – wie es unserer bisherigen Beschlusslage als Sozialdemokratie entspricht – auf die Überwindung des dreigliedrigen Schulsystems durch die Gemeinschaftsschule oder begeben wir uns auf den Weg von anderen Bundesländern, wie Bremen und Hamburg, die mit dem 2-Säulen-Modell, also dem Nebeneinander einer integrierten Oberstufe und dem Gymnasium mehr Kindern und Jugendlichen längeres gemeinsames Lernen ermöglichen?

 

Inklusion

Die Umsetzung der UN Behindertenkonvention bleibt weiterhin Aufgabe aller Schulen, unabhängig von der Frage der Schulstruktur in den weiterführenden Schulen.

Es kommen Schüler*innen mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedürfnissen in das Schulsystem. Festzuhalten ist, dass es eine Schulpflicht für alle Schüler*innen gibt und diese entsprechend der individuellen Bedürfnisse bestmöglich wohnortnah gefördert werden müssen. Ein inklusives Schulsystem muss allen Schüler*innen gerecht werden. Ziel soll eine möglichst gleichberechtigte und selbstständige Teilnahme an unserer Gesellschaft sein.

So wie wir heute das Problem der Abschulung, der selektiven Auswahl an den einzelnen Schulformen kennen und ablehnen, so darf es auch keine Ausgrenzung von Schüler*innen mit Schwerstbehinderungen geben.

Die bisherigen Erfahrungen an den verschiedenen Schulen haben zu einer Uneinigkeit in der allgemeinen Bewertung geführt.  Befürworter*innen führen positive Beispiele gemeinsamen Lernens in integrativ und inklusiv arbeitenden Schulen als Ermutigung auf dem Weg zur Überwindung selektiver Strukturen an. Skeptiker*innen geben zu bedenken, dass das Ziel des Inklusionsgedankens nicht in allen Schulformen zu erreichen ist und befürworten den Erhalt der Förderschulen als zweite Säule des Systems.

 

Wer ist verantwortlich?

Es wird immer wieder von der Verantwortungsgemeinschaft für unsere Schulen geschrieben und geredet. In der Realität führt die unklare Zuständigkeit für die Schulen dazu, dass Verantwortung zwischen Kommunen und dem Land, teilweise auch der Kultusministerkonferenz hin und her geschoben wird.

Wir wollen klären, wer in einer Schule mit multiprofessionellen Teams für das lehrende und nicht lehrende Personal verantwortlich ist. Wie und wo organisieren wir die Schulaufsicht? Wir wollen einen „new deal“ zwischen Land und Kommunen über gemeinsame Standards beim Schulbau, in der Frage der Ganztagsangebote und bei der Inklusion. Wollen wir – und wenn ja, wie – die regionalen Bildungsnetzwerke und Kooperationen stärken, um die Zusammenarbeit des Systems Schule mit den vielen Akteur*innen vor Ort sicher zu stellen?

Unser Ziel ist es, dass man innerhalb Deutschlands umziehen kann, ohne in jedem Bundesland ein völlig neues Schulsystem vorzufinden.

Beschluss-PDF:
Stellungnahme(n):
Überwiesen am 09.07.2018 an: SPD-Landtagsfraktion NRW, SGK NRW