Die SPD-Landtagsfraktion, die SPD-Bundestagsfraktion, der Parteivorstand und die SPD-Mitglieder in der Bundesregierung werden aufgefordert, sich für die folgende Forderung einzusetzen:
In § 265a Absatz 1 StGB (Erschleichen von Leistungen) wird das Tatbestandsmerkmal „die Beförderung durch ein Verkehrsmittel“ gestrichen und die Strafbarkeit des „Schwarzfahrens“ damit abgeschafft. Stattdessen wird ein neuer Tatbestand im Ordnungswidrigkeitengesetz geschaffen, der zum Beispiel so lauten könnte:
(1) Ordnungswidrig handelt, wer die Beförderung durch ein Verkehrsmittel in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu dreihundert Euro geahndet werden.
Die Kriminalstrafe ist der schärfste Eingriff, der in unserem freiheitlich-demokratischen Staat und unter dem Grundgesetz überhaupt denkbar ist. Deswegen muss sie die ultima ratio sein und ist nur als Reaktion auf eine massive Verletzung der Rechte anderer gerechtfertigt.
Die Strafbarkeit des „Schwarzfahrens“ erfasst unter den heutigen Verhältnissen des Massenverkehrs Verhaltensweisen, für die die Einstufung als Kriminalunrecht nicht gerechtfertigt ist. Die Einfügung von § 265a StGB sollte nach dem Willen des Gesetzgebers eine Lücke schließen, die dadurch entstehen konnte, dass in einschlägigen Fällen die Anwendbarkeit des § 263 StGB scheitern kann, wenn entweder die Täuschungshandlung oder die Irrtumserregung infolge des Massenverkehrs fehlen oder nicht mehr individuell feststellbar sind. Damit werden aber im Falle des „Schwarzfahrens“ Sachverhalte erfasst, die sich wesentlich von der Begehungsweise des Betruges unterscheiden und ihr im Unrechtsgehalt nicht vergleichbar sind. Bei letzterem ist im Regelfalle eine erhöhte qualifizierte Tätigkeit und damit eine erhöhte kriminelle Energie Voraussetzung – nämlich die Täuschung eines anderen -, während § 265 a StGB angesichts der weiten Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Erschleichen“ durch die Rechtsprechung auch schon die bloße Inanspruchnahme einer Beförderungsleistung ohne Fahrschein unter Strafe stellt. Diese Verhaltensweisen sind eher dem Verwaltungsunrecht vergleichbar, wie zum Beispiel, wenn vorsätzlich eine Parkgebühr nicht entrichtet und hierfür ein Verwarnungsgeld erhoben wird. Durch eine Bußgeldvorschrift werden derartige Verhaltensweisen sachgerechter und besser erfasst.
In der Praxis sind angeklagte „Schwarzfahrer“ oft Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen. Viele begehen die Taten in akuter wirtschaftlicher Not, wenn sie die teilweise hohen Fahrpreise nicht aufwenden können, aber dennoch – zum Beispiel aus sozialen Gründen – auf Mobilität angewiesen sind. Sie werden durch die aktuelle Vorschrift kriminalisiert und damit noch weiter an den Rand gedrängt. Eine weitere Tätergruppe sind Jugendliche oder junge Erwachsene, die zwar nicht mehr unter das Jugendstrafrecht fallen, bei denen aber voraussehbar ist, dass eine Kriminalstrafe vermutlich eher ein Hindernis als eine Hilfe auf dem Weg zu einer Integration in unsere Gesellschaft darstellt.
In der Praxis bindet die Anklage der Taten erhebliche Ressourcen in der Justiz. Daher befürworten nicht zuletzt viele Praktiker die Abschaffung des „Schwarzfahrens“, um mehr Zeit und Kraft auf die Verfolgung von wirklichem Kriminalunrecht verwenden zu können.
Die Anklage- und Urteilspraxis ist nicht selten uneinheitlich. Viele Staatsanwälte und Richter weigern sich, „Schwarzfahrer“ auch im Wiederholungsfalle zu Gefängnisstrafen zu verurteilen bzw. auf diese zu plädieren („Wegen Schwarzfahrens rückt bei mir keiner ein!“). Andere behandeln – was nach geltendem Recht die korrekte Vorgehensweise ist (!) – die Vorschrift wie jede andere Strafnorm auch, sodass wenige Schwarzfahrten etwa im Falle des Widerrufs von Bewährungsstrafen zu erheblichen Gefängnisstrafen führen können.
Zahlenmäßig bedeutsamer sind zudem die Ersatzfreiheitsstrafen: Viele „Schwarzfahrer“ kommen in Haft, weil sie die zu Ersatzfreiheitsstrafen verurteilt werden, da sie die Geldstrafen nicht bezahlen können. Dies führt wie ausgeführt zu immensen Kosten. Ist das „Schwarzfahren“ lediglich eine Ordnungswidrigkeit, so werden bei Zahlungsunfähigkeit keine Freiheitsstrafen verhängt.
Die SPD hat im Jahr 1995 eine entsprechende Gesetzesinitiative zur Abschaffung der Strafbarkeit des „Schwarzfahrens“ über den Bundesrat in den Deutschen Bundestag eingebracht. Ihre Verabschiedung scheiterte seinerzeit an der schwarz-gelben Mehrheit. Im Jahr 2015 hat sich die ASJ Bund auf Antrag der ASJ NRW eindeutig in diese Richtung positioniert. Die SPD sollte nicht zulassen, dass sich jetzt andere als Vorreiter auf diesem Gebiet profilieren. Sie sollte eine eindeutige Haltung einnehmen und sich an die Spitze der Bewegung setzen, die sic für die überfällige Abschaffung der Strafbarkeit des „Schwarzfahrens“ einsetzen.