Ar-08 Tarifverträge stärken - Tarifflucht verhindern

Grade in den Zeiten von weiter zunehmender Globalisierung und Digitalisierung brauchen Arbeitnehmer*innen den Schutz von Tarifverträgen. Gleichzeitig versuchen immer mehr Unternehmen, die Tarifbindung zu beenden oder zu unterlaufen.

 

Die SPD NRW sieht diese Entwicklung mit großer Sorge und setzt sich dafür ein, Tarifverträgen wieder eine höhere Geltung zukommen zu lassen und damit die Tarifautonomie zu stärken.

 

Daher werden wir uns dafür einsetzen, die vorhandenen gesetzlichen Rahmenbedingungen zu verändern und zu ergänzen.

 

Die NRW SPD fordert:

 

  1. Arbeitgeber haben gegenüber den Beschäftigten eine Offenlegungspflicht bezüglich einer Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband mit oder ohne Tarifbindung.

 

Begründung: Tarifflucht schwächt das Tarifsystem. Deutliche Einschränkungen der Zulässigkeit von OT-Mitgliedschaften z. B. im Hinblick auf Wechsel von Arbeitgebern in eine OT-Mitgliedschaft sind deshalb erforderlich. Dazu gehört die gesetzliche Offenlegungspflicht der Arbeitgeber bezüglich einer Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband mit oder ohne Tarifbindung.

 

  1. Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen wird erleichtert. Die Veto-Möglichkeit von Arbeitgebern wird eingeschränkt, Wir wollen eine Konkretisierung des Begriffs ‚überwiegende Bedeutung‘ im § 5 TVG.

 

Auch nach der Reform der Allgemeinverbindlichkeitserklärung können Arbeitgeber im Tarifausschuss ein Veto einlegen und damit eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung verhindern. Der Abstimmungsmodus soll so verändert werden, dass im Tarifausschuss ein Antrag, der gemeinsam von den branchenzuständigen Tarifvertragsparteien eingebracht wird nicht von branchenfremden Beteiligten abgelehnt werden kann.

 

Um das ursprüngliche Gesetzesziel zu erreichen bedarf es der Konkretisierung der Definition „überwiegende Bedeutung“ (§ 5 Absatz 1 Satz 2 TVG) eines Tarifvertrages in einer Branche und Region. Die Bedeutung des öffentlichen Interesses an einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag muss verstärkt werden.

 

Begründung: Das öffentliche Interesse muss auch dann gegeben sein, wenn die Allgemeinverbindlichkeitserklärung für gesamtgesellschaftliche Ziele geeignet ist, wie die Stabilisierung der Funktion der Tarifautonomie und des Tarifvertragssystems, der Erreichung angemessener Entgelt- und Arbeitsbedingungen oder als Mittel zur Sicherung sozialer Standards und zur Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen.

 

  1. Stärkung und Erhalt der Tariftreueregelungen/Tariftreuegesetze.

 

Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sind der Bund und die Länder an die tariflichen Entgeltsätze der einschlägigen Tarifverträge zu binden. Die Stärkung und der Erhalt der Tariftreueregelungen/Tariftreuegesetze der Bundesländer und die Bindung der Wirtschaftsförderung an Einhaltung und Anwendung von Tarifverträgen muss gestärkt und dauerhaft auch kontrolliert werden.

 

  1. Verbessertes Zutrittsrecht von Gewerkschaften. Ratifizierung der revidierten Europäischen Sozialcharta durch Deutschland.

 

Die SPD wird die gesetzlichen Reglungen zur Verbesserung der Zugangsrechte von Gewerkschaften in die Betriebe und Verwaltungen sowie kirchlichen Einrichtungen verbessern. Die SPD wird darauf hinwirken, dass Deutschland die revidierte Europäische Sozialcharta umgehend ratifiziert.

 

Begründung: Aufgrund fehlender, bzw. unzureichender gesetzlicher Regelungen wird Gewerkschaften der Zutritt in die Betriebe zur Ansprache und der Mitgliedergewinnung sehr oft nur halbjährlich gewährt. Das ist deutlich zu wenig. Diese gewerkschaftlichen Rechte sind in der revidierten Europäischen Sozialcharta verbrieft. Darüber hinaus sind moderne Formen der elektronischen Ansprache durch Gewerkschaften – etwa im Intranet und interne Mail-Verteiler bzw. durch ein elektronisches „Schwarzes Brett“ erforderlich.

 

  1. Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche Personen erleichtern.

 

Aufgrund geänderter Beschäftigungsformen ist eine Reform der Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche Personen (§ 12a TVG) dahingehend erforderlich, dass die Anwendbarkeit auf einen breiteren Personenkreis möglich ist, z. B. durch Verzicht des Erfordernisses: „überwiegend für einen Auftraggeber tätig“.

 

  1. Mindestschutz durch Tarifverträge garantieren.

 

Gesetze und Tarifverträge setzen Mindestbedingungen. Tarifverträge dürfen kein Instrument zur Unterschreitung gesetzlicher Mindeststandards sein. Dies gilt insbesondere bei gesetzlichen Schutzvorschriften, bei denen die Gefahr besteht, dass ihrer jeweiligen Schutzfunktion nicht mehr Rechnung getragen wird.

 

Gesetzlichen Öffnungsklauseln, die tarifvertragliche Abweichungen von gesetzlichen Mindeststandards zulassen, müssen überprüft und weitestgehend so geändert werden, dass Abweichungen vom Gesetz durch Tarifvertrag nur zulässig sind, wenn der Tarifvertrag ein Äquivalent aller Regelungsziele und -inhalte beinhalten (z. B. andere Berechnungsregelungen wie in § 13 BUrlG). Eine Abweichung vom Gesetz nach unten durch Einzelarbeitsvertrag darf es nicht geben. Derzeitige gesetzliche Regelungen, die dies zulassen werden geändert.

 

Begründung: Öffnungsklauseln basieren häufig auf der Annahme, dass die Tarifverträge einer Branche in ihrer Gesamtheit ausgewogen sind und negative Abweichungen an einer Stelle durch Vorteile an anderer Stelle ausgeglichen werden. Dieses System wird durch die punktuelle Abweichungsmöglichkeit für nicht tarifgebundene Arbeitgeber durchbrochen. Dies beeinträchtigt nicht nur die dort beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch insbesondere die tarifgebundenen Mitbewerber. Nichttarifgebundene Arbeitgeber können sich durch Nutzung der Öffnungsmöglichkeiten „ohne Kompensation“ erhebliche Wettbewerbsvorteile verschaffen. Das ist eher eine Aufforderung zum Verlassen der Tarifbindung.

 

  1. Kollektive Fortgeltung eines Tarifvertrages bei Abspaltung.

 

Die SPD wird dafür sorgen, dass es eine rechtliche Vorschrift gibt, die dafür sorgt, dass Unternehmensentscheidungen die zu Aufspaltung, Abspaltung oder sonstigen Änderung im Rahmen des Umwandlungsrechtes oder eines Betriebsüberganges im Sinne des § 613a BGB führen, die geltenden Tarifverträge dauerhaft fortgelten, es sei denn, sie werden durch neue, bessere Tarifverträge ersetzt,

 

Begründung: Immer häufiger werden Unternehmensstrukturen verändert, um Mitbestimmungsrechte und Tarifstandards zu unterlaufen oder ganz zu zerschlagen. Insbesondere Ketten-Betriebsübergänge können zur Aushebelung und Umgehung der Tarifgeltung führen. Dies werten wir als sog. institutionellen Missbrauch.

 

  1. Kollektive Weitergeltung bei Nachbindung und Nachwirkung verbessern.

 

Wir sorgen dafür, dass die Nachbindung eines Tarifvertrags nicht bereits dann für einen gesamten Tarifvertrag entfällt, wenn nur Teile des Tarifvertrags geändert werden. Die nicht geänderten Regelungen sollen erhalten bleiben, insofern sie nicht von den Tarifparteien aufgehoben werden. Die Gültigkeit des Tarifvertrags darf nicht durch eine sog. andere Abmachung ersetzt werden.

 

Für die Nachwirkung wird gesetzlich klarstellend geregelt, dass für den Zeitraum der Nachwirkung auch neueingestellte Beschäftigte, die Mitglied einer tarifvertragsschließenden Gewerkschaft sind oder werden, unmittelbar wie die anderen Beschäftigten unter den geltenden Tarifvertrag fallen.

 

  1. Verbandsklagerecht ermöglichen.

 

Da auch tarifgebundene Arbeitgeber immer wieder geltende Tarifverträge systematisch nicht anwenden oder unterlaufen, werden wir für diese Fälle des systematischen und kollektiv wirkenden Verstoßes ein Verbandsklagerecht für die zuständige, im Betrieb vertretene Gewerkschaft und den Arbeitgeberverband einführen, damit wirksamer gegen Tarifbruch und Verstöße gegen gesetzliche Mindestvorschriften vorgegangen werden kann.

 

  1. Gewerkschaftsmitgliedschaft durch Begünstigung stärken.

 

Tarifverträge können unter bestimmten Voraussetzungen tarifvertragliche Regelungen mit Begünstigungen nur für Gewerkschaftsmitglieder vorsehen. Der Gesetzgeber sollte die in der Rechtsprechung ausdrücklich zulässigen Differenzierungsklauseln für Gewerkschaftsmitglieder gesetzlich klarstellen. Zudem sind tarifliche Spannenklauseln zuzulassen.

 

  1. Sozialrechtliche Änderungen und verbesserte Kontrollen.

 

Die SPD will, dass die branchenübliche tarifliche Entlohnung die Untergrenze für eine zumutbare Arbeit im Sinne eines Arbeitsangebots an einen Arbeitslosen bzw. -suchenden sein wird. Die oft genug mangelhaften und unzureichenden Überwachung der Einhaltung gesetzlicher Schutzvorschriften durch Aufsichts- und Kontrollbehörden ist zu verbessern, Diese sind personell so auszustatten, dass sie wirksam arbeiten können.

 

Begründung:

Tarifverträge sind für Beschäftigte das wichtigste Instrument zur Regelung der Entgelt- und Arbeitsbedingungen. Sie sollen einen Ausgleich für das fehlende Machtgleichgewicht zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern bei Abschluss des Arbeitsvertrages und im Arbeitsverhältnis bewirken. Tarifwerke setzen ebenso wie Gesetze Mindestbedingungen. Sie stehen für gerechtere Verteilung und Teilhabe und tragen so zu einer sozialverträglichen und fortschrittlichen Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen in einer sozialen Marktwirtschaft bei. Flächentarifverträge regeln die Wirtschafts- und Arbeitsbedingungen in den Betrieben einer Branche und sind – weit über die unmittelbar tarifgebundenen Beschäftigten und Arbeitgeber hinaus – Maßstab für faire und transparente Arbeits- und Entgeltbedingungen sowie fairen Wettbewerb in einer Branche. Die Tarifautonomie und insbesondere Flächentarifverträge unterstützen zudem den gesamtgesellschaftlich gewünschten Umgang bei Entwicklungen und Veränderungen im Arbeitsleben. Sie normieren auf demokratische Weise zukunftsweisende Handlungsmöglichkeiten und Lösungen. Sie sind daher für den Sozialstaat unverzichtbar.

 

Die Tarifbindung ist in den letzten Jahrzehnten deutlich gesunken. Gründe hierfür sind die fehlende Verbandsmitgliedschaft in den Arbeitgebern, Flucht aus der Tarifvertragsbindung, die Zulässigkeit von sog. OT-Mitgliedschaften (OT = ohne Tarifbindung) sowie Umstrukturierungen als Mittel der Tarifflucht oder zur Erschwerung gewerkschaftlicher Organisation durch immer kleinere Betriebseinheiten.

 

Aber auch eine Politik der sozialen Spaltung der Beschäftigten mit Hilfe von prekären Beschäftigungsformen wie z. B. sachgrundloser Befristung, Leiharbeit, Minijobs und Arbeit auf Abruf sowie prekäre Arbeitsbedingungen, wie etwa unfreiwillige Teilzeitarbeit, hat dazu beigetragen. Diese Beschäftigungsformen und -bedingungen schwächen die Durchsetzungskraft von Gewerkschaften in den Betrieben und Verwaltungen.

 

Neue Arbeitsformen, die durch die fortschreitende Digitalisierung entstehen, verschärfen diese schlechte Entwicklung weiter. Daher ist der Gesetzgeber aufgerufen, diese Beschäftigungsformen so zu regulieren, dass ausreichender Schutz besteht und eine gewerkschaftliche Betätigung ohne Nachteile tatsächlich erfolgen kann.

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme in der Fassung der AK
Version der Antragskommission:

Streichung Zeile 110 ab z.B. und 111.

Die im Antrag selbst auch als Begründung kenntlich gemachten Begründungen sind an die allgemeine Begründung anzuhängen, wodurch die Forderungen überschaubarer werden. D.h. Begründungen anfügen nach Zeile 272:

Zeilen 30-36 anfügen und vorne streichen
Zeilen 44 – 67 anfügen und vorne streichen
Zeilen 92 -101 anfügen und vorne streichen
Zeilen 133 -146 anfügen und vorne streichen
Zeilen 160 -166 anfügen und vorne streichen

Dabei ist jeweils das Wort „Begründung“ zu streichen und stattdessen einzufügen: Zu Forderung 1, 2, 4, 6, 7.

Text des Beschlusses:

Grade in den Zeiten von weiter zunehmender Globalisierung und Digitalisierung brauchen Arbeitnehmer*innen den Schutz von Tarifverträgen. Gleichzeitig versuchen immer mehr Unternehmen, die Tarifbindung zu beenden oder zu unterlaufen.

Die NRWSPD sieht diese Entwicklung mit großer Sorge und setzt sich dafür ein, Tarifverträgen wieder eine höhere Geltung zukommen zu lassen und damit die Tarifautonomie zu stärken.

Daher werden wir uns dafür einsetzen, die vorhandenen gesetzlichen Rahmenbedingungen zu verändern und zu ergänzen.

Die NRW SPD fordert:

1. Arbeitgeber haben gegenüber den Beschäftigten eine Offenlegungspflicht bezüglich einer Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband mit oder ohne Tarifbindung.

 

2. Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen wird erleichtert. Die Veto-Möglichkeit von Arbeitgebern wird eingeschränkt, Wir wollen eine Konkretisierung des Begriffs‚ überwiegende Bedeutung‘ im § 5 TVG.

 

3. Stärkung und Erhalt der Tariftreueregelungen/Tariftreuegesetze.

Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sind der Bund und die Länder an die tariflichen Entgeltsätze der einschlägigen Tarifverträge zu binden. Die Stärkung und der Erhalt der Tariftreueregelungen/Tariftreuegesetze der Bundesländer und die Bindung der Wirtschaftsförderung an Einhaltung und Anwendung von Tarifverträgen muss gestärkt und dauerhaft auch kontrolliert werden.

 

4. Verbessertes Zutrittsrecht von Gewerkschaften. Ratifizierung der revidierten Europäischen Sozialcharta durch Deutschland.

Die SPD wird die gesetzlichen Reglungen zur Verbesserung der Zugangsrechte von Gewerkschaften in die Betriebe und Verwaltungen sowie kirchlichen Einrichtungen verbessern. Die SPD wird darauf hinwirken, dass Deutschland die revidierte Europäische Sozialcharta umgehend ratifiziert.

 

5. Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche Personen erleichtern.

Aufgrund geänderter Beschäftigungsformen ist eine Reform der Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche Personen (§ 12a TVG) dahingehend erforderlich, dass die Anwendbarkeit auf einen breiteren Personenkreis möglich ist.

 

6. Mindestschutz durch Tarifverträge garantieren.

Gesetze und Tarifverträge setzen Mindestbedingungen. Tarifverträge dürfen kein Instrument zur Unterschreitung gesetzlicher Mindeststandards sein. Dies gilt insbesondere bei gesetzlichen Schutzvorschriften, bei denen die Gefahr besteht, dass ihrer jeweiligen Schutzfunktion nicht mehr Rechnung getragen wird.

Gesetzlichen Öffnungsklauseln, die tarifvertragliche Abweichungen von gesetzlichen Mindeststandards zulassen, müssen überprüft und weitestgehend so geändert werden, dass Abweichungen vom Gesetz durch Tarifvertrag nur zulässig sind, wenn der Tarifvertrag ein Äquivalent aller Regelungsziele und -inhalte beinhalten (z. B. andere Berechnungsregelungen wie in § 13 BUrlG). Eine Abweichung vom Gesetz nach unten durch Einzelarbeitsvertrag darf es nicht geben. Derzeitige gesetzliche Regelungen, die dies zulassen werden geändert.

 

7. Kollektive Fortgeltung eines Tarifvertrages bei Abspaltung.

Die SPD wird dafür sorgen, dass es eine rechtliche Vorschrift gibt, die dafür sorgt, dass Unternehmensentscheidungen die zu Aufspaltung, Abspaltung oder sonstigen Änderung im Rahmen des Umwandlungsrechtes oder eines Betriebsüberganges im Sinne des § 613a BGB führen, die geltenden Tarifverträge dauerhaft fortgelten, es sei denn, sie werden durch neue, bessere Tarifverträge ersetzt.

 

8. Kollektive Weitergeltung bei Nachbindung und Nachwirkung verbessern.

Wir sorgen dafür, dass die Nachbindung eines Tarifvertrags nicht bereits dann für einen gesamten Tarifvertrag entfällt, wenn nur Teile des Tarifvertrags geändert werden. Die nicht geänderten Regelungen sollen erhalten bleiben, insofern sie nicht von den Tarifparteien aufgehoben werden. Die Gültigkeit des Tarifvertrags darf nicht durch eine sog. andere Abmachung ersetzt werden.

Für die Nachwirkung wird gesetzlich klarstellend geregelt, dass für den Zeitraum der Nachwirkung auch neueingestellte Beschäftigte, die Mitglied einer tarifvertragsschließenden Gewerkschaft sind oder werden, unmittelbar wie die anderen Beschäftigten unter den geltenden Tarifvertrag fallen.

 

9. Verbandsklagerecht ermöglichen.

Da auch tarifgebundene Arbeitgeber immer wieder geltende Tarifverträge systematisch nicht anwenden oder unterlaufen, werden wir für diese Fälle des systematischen und kollektiv wirkenden Verstoßes ein Verbandsklagerecht für die zuständige, im Betrieb vertretene Gewerkschaft und den Arbeitgeberverband einführen, damit wirksamer gegen Tarifbruch und Verstöße gegen gesetzliche Mindestvorschriften vorgegangen werden kann.

 

10. Gewerkschaftsmitgliedschaft durch Begünstigung stärken.

Tarifverträge können unter bestimmten Voraussetzungen tarifvertragliche Regelungen mit Begünstigungen nur für Gewerkschaftsmitglieder vorsehen. Der Gesetzgeber sollte die in der Rechtsprechung ausdrücklich zulässigen Differenzierungsklauseln für Gewerkschaftsmitglieder gesetzlich klarstellen. Zudem sind tarifliche Spannenklauseln zuzulassen.

 

11. Sozialrechtliche Änderungen und verbesserte Kontrollen.

Die SPD will, dass die branchenübliche tarifliche Entlohnung die Untergrenze für eine zumutbare Arbeit im Sinne eines Arbeitsangebots an einen Arbeitslosen bzw. -suchenden sein wird. Die oft genug mangelhafte und unzureichende Überwachung der Einhaltung gesetzlicher Schutzvorschriften durch Aufsichts- und Kontrollbehörden ist zu verbessern, Diese sind personell so auszustatten, dass sie wirksam arbeiten können.

 

Begründung:

Tarifverträge sind für Beschäftigte das wichtigste Instrument zur Regelung der Entgelt- und Arbeitsbedingungen. Sie sollen einen Ausgleich für das fehlende Machtgleichgewicht zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern bei Abschluss des Arbeitsvertrages und im Arbeitsverhältnis bewirken. Tarifwerke setzen ebenso wie Gesetze Mindestbedingungen. Sie stehen für gerechtere Verteilung und Teilhabe und tragen so zu einer sozialverträglichen und fortschrittlichen Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen in einer sozialen Marktwirtschaft bei. Flächentarifverträge regeln die Wirtschafts- und Arbeitsbedingungen in den Betrieben einer Branche und sind – weit über die unmittelbar tarifgebundenen Beschäftigten und Arbeitgeber hinaus – Maßstab für faire und transparente Arbeits- und Entgeltbedingungen sowie fairen Wettbewerb in einer Branche. Die Tarifautonomie und insbesondere Flächentarifverträge unterstützen zudem den gesamtgesellschaftlich gewünschten Umgang bei Entwicklungen und Veränderungen im Arbeitsleben. Sie normieren auf demokratische Weise zukunftsweisende Handlungsmöglichkeiten und Lösungen. Sie sind daher für den Sozialstaat unverzichtbar.

Die Tarifbindung ist in den letzten Jahrzehnten deutlich gesunken. Gründe hierfür sind die fehlende Verbandsmitgliedschaft in den Arbeitgebern, Flucht aus der Tarifvertragsbindung, die Zulässigkeit von sog. OT-Mitgliedschaften (OT = ohne Tarifbindung) sowie Umstrukturierungen als Mittel der Tarifflucht oder zur Erschwerung gewerkschaftlicher Organisation durch immer kleinere Betriebseinheiten.

Aber auch eine Politik der sozialen Spaltung der Beschäftigten mit Hilfe von prekären Beschäftigungsformen wie z. B. sachgrundloser Befristung, Leiharbeit, Minijobs und Arbeit auf Abruf sowie prekäre Arbeitsbedingungen, wie etwa unfreiwillige Teilzeitarbeit, hat dazu beigetragen. Diese Beschäftigungsformen und -bedingungen schwächen die Durchsetzungskraft von Gewerkschaften in den Betrieben und Verwaltungen.

Neue Arbeitsformen, die durch die fortschreitende Digitalisierung entstehen, verschärfen diese schlechte Entwicklung weiter. Daher ist der Gesetzgeber aufgerufen, diese Beschäftigungsformen so zu regulieren, dass ausreichender Schutz besteht und eine gewerkschaftliche Betätigung ohne Nachteile tatsächlich erfolgen kann.

 

Zu Forderung 1:

Tarifflucht schwächt das Tarifsystem. Deutliche Einschränkungen der Zulässigkeit von OT-Mitgliedschaften z. B. im Hinblick auf Wechsel von Arbeitgebern in eine OT-Mitgliedschaft sind deshalb erforderlich. Dazu gehört die gesetzliche Offenlegungspflicht der Arbeitgeber bezüglich einer Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband mit oder ohne Tarifbindung.

 

Zu Forderung 2:

Auch nach der Reform der Allgemeinverbindlichkeitserklärung können Arbeitgeber im Tarifausschuss ein Veto einlegen und damit eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung verhindern. Der Abstimmungsmodus soll so verändert werden, dass im Tarifausschuss ein Antrag, der gemeinsam von den branchenzuständigen Tarifvertragsparteien eingebracht wird nicht von branchenfremden Beteiligten abgelehnt werden kann.

Um das ursprüngliche Gesetzesziel zu erreichen bedarf es der Konkretisierung der Definition „überwiegende Bedeutung“ (§ 5 Absatz 1 Satz 2 TVG) eines Tarifvertrages in einer Branche und Region. Die Bedeutung des öffentlichen Interesses an einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag muss verstärkt werden.

Das öffentliche Interesse muss auch dann gegeben sein, wenn die Allgemeinverbindlichkeitserklärung für gesamtgesellschaftliche Ziele geeignet ist, wie die Stabilisierung der Funktion der Tarifautonomie und des Tarifvertragssystems, der Erreichung angemessener Entgelt- und Arbeitsbedingungen oder als Mittel zur Sicherung sozialer Standards und zur Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen.

 

Zu Forderung 4:

Aufgrund fehlender, bzw. unzureichender gesetzlicher Regelungen wird Gewerkschaften der Zutritt in die Betriebe zur Ansprache und der Mitgliedergewinnung sehr oft nur halbjährlich gewährt. Das ist deutlich zu wenig. Diese gewerkschaftlichen Rechte sind in der revidierten Europäischen Sozialcharta verbrieft. Darüber hinaus sind moderne Formen der elektronischen Ansprache durch Gewerkschaften – etwa im Intranet und interne Mail-Verteiler bzw. durch ein elektronisches „Schwarzes Brett“ erforderlich.

 

Zu Forderung 6:

Öffnungsklauseln basieren häufig auf der Annahme, dass die Tarifverträge einer Branche in ihrer Gesamtheit ausgewogen sind und negative Abweichungen an einer Stelle durch Vorteile an anderer Stelle ausgeglichen werden. Dieses System wird durch die punktuelle Abweichungsmöglichkeit für nicht tarifgebundene Arbeitgeber durchbrochen. Dies beeinträchtigt nicht nur die dort beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch insbesondere die tarifgebundenen Mitbewerber. Nichttarifgebundene Arbeitgeber können sich durch Nutzung der Öffnungsmöglichkeiten „ohne Kompensation“ erhebliche Wettbewerbsvorteile verschaffen. Das ist eher eine Aufforderung zum Verlassen der Tarifbindung.

 

Zu Forderung 7:

Immer häufiger werden Unternehmensstrukturen verändert, um Mitbestimmungsrechte und Tarifstandards zu unterlaufen oder ganz zu zerschlagen. Insbesondere Ketten-Betriebsübergänge können zur Aushebelung und Umgehung der Tarifgeltung führen. Dies werten wir als sog. institutionellen Missbrauch.

Beschluss-PDF:
Stellungnahme(n):
Überwiesen am 09.07.2018 an: SPD-Bundestagsfraktion, SPD-Parteivorstand, SPD-Landtagsfraktion NRW