Ar-03 Gestaltungsrahmen für Plattformarbeit

Die NRW SPD wird aufgefordert, den untenstehenden Antrag für einen Gestaltungsrahmen der Plattformarbeit auf dem Bundesparteitag einzubringen.

 

Die sozialdemokratischen Vertreter*innen in der Bundesregierung und die SPD-Bundestagsfraktion werden aufgefordert, sich in der Ampel-Koalition für die untenstehenden Maßnahmen einzusetzen.

Begründung:

 

Arbeit, die über digitale Plattformen organisiert, angeboten oder vermittelt werden (Plattformarbeit) benötigt Regulierungsbedarf, um Plattformarbeit zu guter Arbeit zu entwickeln. In den letzten Jahren hat sich ein digitaler Schattenarbeitsmarkt etabliert, der weltweit an Bedeutung gewonnen hat. Auch ist zu erwarten, dass die Zahl der Erwerbstätigen auf Plattformen im Zuge der Entwicklung von „Künstlicher Intelligenz“ deutlich ansteigen wird. Bei den kommerziellen Arbeitsplattformen wie zum Beispiel Uber oder Lieferando handelt es sich um digitale Geschäftsmodelle, mit denen Dienstleistungsarbeit grundsätzlich neu organisiert wird. Das Geschäftsmodell von Plattformbetreibern beruht in weiten Teilen auf einer behaupteten Selbständigkeit der Erwerbstätigen, die oft zu prekären Arbeitsbedingungen unter Umgehung von Arbeitnehmerrechten und der Sozialabgabenpflicht führt. Betreiber und Betreiberinnen von Arbeitsplattformen berufen sich dabei auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen und in diesem Zusammenhang auch darauf, dass Plattformerwerbstätige frei darüber entscheiden können, ob sie Aufträge annehmen. Die Wirklichkeit der Plattformarbeit zeigt aber oft ein anderes Bild: Viele der Plattformerwerbstätigen sind in die Arbeitsorganisation der Betreiber eingegliedert und unterliegen Weisungen. Der Grad der Kontrolle und Steuerung der Plattformarbeit lässt im Vergleich zu traditionell Beschäftigten den Plattformerwerbstätigen nicht mehr, sondern weniger Handlungsspielräume, der zu einer hohen Abhängigkeit führt.

 

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit seinem Urteil vom 01. Dezember 2020  (9 AZR 102/20) bestätigt, dass Plattformerwerbstätige als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einzustufen sind, wenn sie in die Organisationsstrukturen der Plattform eingebunden sind und unabhängig von der Vertragsbezeichnung weisungsgebunden arbeiten. Das BAG hat dabei ausdrücklich digitale oder algorithmische Steuerungsinstrumente als mögliche Formen der arbeitsrechtlichen Weisung anerkannt, die für eine Einordnung der Beschäftigungsverhältnisse auf Plattformen als Arbeitsverhältnisse sprechen. Auch hinsichtlich des Unionsrechts findet die sog. EU-Arbeitsbedingungen-Richtlinie 2019/1152 mit Erwägungsgrund 8 ausdrücklich auch auf Plattformbeschäftigte Anwendung und erkennt an, dass diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sein können soweit die nach dem Europäischen Gerichtshof aufgestellten Kriterien weisungsgebundener Arbeit gegen Vergütung erfüllt sind.

 

Zu einem Gestaltungsrahmen für Plattformarbeit gehören vor allem die folgenden Elemente:

 

-Durchsetzung mittels Beweislastumkehr

 

Plattformbeschäftigte verfügen in der Regel nicht über die erforderlichen Informationen, um den Nachweis einer abhängigen Beschäftigung zu führen und sind damit im arbeitsgerichtlichen Verfahren in einem Beweisnotstand. Der Nachweis einer abhängigen Beschäftigung anhand von Tatsachen, die eine Einbindung in die Arbeitsorganisation und den Grad der Weisungsgebundenheit belegen, ist kaum möglich. Deshalb wird eine Umkehr der Beweislast zur Feststellung des Beschäftigungsverhältnisses insbesondere bei Plattformarbeit gefordert. Für den Fall einer gerichtlichen Statusklärung ist eine widerlegbare Vermutung eines Arbeitsverhältnisses zur Plattform mit einem konkreten Indizienkatalog zu regeln. Sofern der Plattformbeschäftigte Indizien für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vortragen kann, sollten die Plattformbetreiber beweisen müssen, dass es sich um eine echte Selbständigkeit handelt.

 

– Kontrolle der AGBs der Plattformen stärken

 

Die Arbeitsbedingungen auf Plattformen sind auf der Grundlage von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) geregelt. Selbständige, die auf Plattformen arbeiten wollen, haben diesbezüglich keinen Verhandlungsspielraum. Dabei enthalten AGBs oft unwirksame Klauseln, die Beschäftigte einseitig benachteiligen. Notwendig ist daher, dass die gerichtliche Überprüfung von AGB Klauseln, die einseitig zu Lasten der Plattformbeschäftigten gehen, vereinfacht wird. Plattformerwerbstätige sind als Verbraucher zu qualifizieren.

 

Ausbau der sozialen Sicherung von Soloselbständigen

 

Zum notwendigen Mindestschutz von Selbständigen auf Plattformen gehört eine ausreichende soziale Absicherung für den Fall der Krankheit, Erwerbsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit, des Unfalls und des Alters. Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz ist weiter zu entwickeln. Als erster Schritt muss eine von den Auftraggebern finanzierte Pflichtversicherung für besonders gefahrgeneigte Tätigkeiten im SGB VII eingeführt werden, wie beispielsweise im Handwerk und bei Lieferdiensten.

 

-Mindestentgeltsicherung

 

Auch für Soloselbständige sind Mindestentgeltbedingungen erforderlich und verbesserte rechtliche Möglichkeiten Tarifverträge abzuschließen, um zu branchenspezifischen Mindestabsicherungen zu kommen.

 

-Stärkung der betrieblichen Mitbestimmung

 

Durch das Bestreiten ihrer Rolle als Arbeitgeber und das aktive Verhindern von Betriebsratswahlen entziehen sich die Plattformen bisher den Instrumenten der betrieblichen Mitbestimmung. Um für die Gesamtheit der Plattformerwerbstätigen eine kollektive Interessenvertretung zu ermöglichen, ist eine Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs des Betriebsverfassungsgesetzes auf arbeitnehmerähnliche Personen erforderlich. Außerdem bedarf es einer Anpassung des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs an die Gegebenheiten digital vernetzter Arbeit. Denn unter den Bedingungen der digitalen Vernetzung ist der räumliche Aspekt neu zu bewerten.

 

-Stärkung der Tarifbindung

 

Der Ausbau und die Erweiterung der Möglichkeiten zum Abschluss von Tarifverträgen sind für die Verbesserungen der Plattformerwerbstätigen mit dem Fokus auf arbeitnehmerähnliche Personen und Soloselbständige erforderlich. Nach der bisherigen Rechtslage ist der Abschluss von Tarifverträgen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie nach Maßgabe des § 12a TVG auch für solche arbeitnehmerähnlichen Personen möglich, wenn diese überwiegend für einen Auftraggeber tätig sind oder von einem Auftraggeber mehr als die Hälfte ihres Entgeltes erhalten. Diese Schwelle sollte abgesenkt werden, da viele Plattformerwerbstätige ihren Lebensunterhalt über mehrere Plattformen bestreiten. § 12a TVG ist deshalb dahingehend zu erweitern, dass eine wirtschaftliche Abhängigkeit von einer Plattform bereits bei Erreichung eines Drittels anstatt der Hälfte des Entgelts angenommen  werden sollte.

Empfehlung der Antragskommission:
Überweisung an die Bundestagsfraktion
Beschluss: Überweisung an die Bundestagsfraktion
Text des Beschlusses:

Die NRW SPD wird aufgefordert, den untenstehenden Antrag für einen Gestaltungsrahmen der Plattformarbeit auf dem Bundesparteitag einzubringen.

Die sozialdemokratischen Vertreter*innen in der Bundesregierung und die SPD-Bundestagsfraktion werden aufgefordert, sich in der Ampel-Koalition für die untenstehenden Maßnahmen einzusetzen.

Beschluss-PDF: