Wir begrüßen die Diskussion über eine „Sozialstaatsreform 2025“, die unsere Partei zurzeit in der Breite führt. Nach Jahren, in denen man auf unsere Forderungen nach einer Abschaffung des Hartz-Systems mit dem Verweis reagiert hat, dass dies fruchtlose Vergangenheitsbewältigung sei, scheint nun Konsens darüber zu herrschen, einen zentralen, historischen Fehler in der Arbeits- und Sozialpolitik zu korrigieren. Und die bisher vorgelegten Punkte sind große Schritte in die richtige Richtung. Zugleich ist für uns klar, dass die Sozialdemokratie nun nicht auf halbem Weg stehen bleiben darf. Das Hartz-System gehört konsequent abgeschafft und ersetzt! Um das zu erreichen, braucht es nicht weniger als ein neues sozialdemokratisches Verständnis des Sozialstaats, das unserer politischen Identität gerecht wird und sich aus der Ehe mit dem Neoliberalismus gänzlich befreit hat.
Unser Konzept eines aktiven, solidarischen Sozialstaats
Hartz IV und der Paradigmenwechsel, der im Sinne des dritten Wegs in der Politik der Sozialdemokratie stattfand, war ein Fehler. Dieses Bekenntnis muss unser Ausgangspunkt sein. Die grundfalsche Idee eines aktivierenden Sozialstaats, die das System aus der Perspektive des vermeintlichen Missbrauchs heraus gedacht hat, hat Millionen von Menschen ohne Arbeit unter Generalverdacht gestellt, hat sie drangsaliert und sanktioniert und Arbeitslosigkeit zur individuellen Schuld gemacht. Sie ging davon aus, dass Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, dazu neigen, das System auszunutzen und hat deshalb den Ansatz verfolgt, dass man diese Menschen nur genug antreiben und aktivieren müsse, damit sie wieder arbeiten gehen. Mit diesen Unterstellungen muss endlich Schluss sein!
Wir stehen für ein Sozialstaatskonzept, in dem solch ein Menschenbild der Vergangenheit angehört. Unser Sozialstaat ist kein aktivierender und damit gängelnder, der für sich den Anspruch erhebt, Bürger*innen durch positive oder negative Maßnahmen erziehen zu müssen. Wir wollen einen solidarischen und aktiven Sozialstaat, der alle Menschen gegen die Willkür des Kapitalismus absichert. Was genau heißt das im Einzelnen?
Arbeitslosigkeit ist nicht länger fälschlicherweise als ein individuelles Scheitern des einzelnen Menschen, sondern als ein Scheitern der Gesellschaft zu verstehen, die nicht in der Lage ist, Arbeit und damit auch anständige Einkommen gerecht zu verteilen. Wir gehen von einem positiven Menschenbild aus, dass der Tatsache Rechnung trägt, dass Menschen grundsätzlich motiviert sind, in ihrem Leben einer sinnstiftenden Tätigkeit nachzugehen. Deshalb muss das Hauptziel des Sozialstaats darauf ausgerichtet sein, allen Menschen eine solche Arbeit zu ermöglichen. Darin besteht eine zentrale Verantwortung des Sozialstaats: den Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, Angebote zur Weiterbildung und Qualifizierung und zu einer sozialversicherungspflichtigen, tarifgebundenen Arbeit zu machen. Der Sozialstaat selbst muss also aktiv sein und zum Beispiel auch schon bei drohender Arbeitslosigkeit präventiv tätig werden und nicht mehr wie bisher Menschen aktivieren und gängeln.
Wir stehen zur Zentralität der Erwerbsarbeit, weil wir der Auffassung sind, dass Arbeit der zentrale Schlüssel für gesellschaftliche Teilhabe ist. Das bedeutet im Umkehrschluss selbstredend nicht, dass Menschen, die keiner Erwerbsarbeit nachgehen können, von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen sind. Auch hier ist der Sozialstaat gefragt, ein möglichst autonomes, selbstbestimmtes Leben zu garantieren und deshalb gehört auch die Grundsicherung entschieden verändert. Absicherung muss also wieder als ein Grundrecht verstanden werden und kann deshalb nicht an die Erbringung einer Gegenleistung geknüpft werden. Wer aber arbeiten kann und möchte, sollte dazu in die Lage versetzt werden und ein entsprechendes Angebot dazu erhalten. Deshalb setzen wir uns mittelfristig für ein Recht auf Gute Arbeit ein.
Vollzieht man den hier skizzierten Paradigmenwechsel weg vom aktivierenden und gängelnden Sozialstaat hin zu einem aktiven und solidarischen nach, ergeben sich aus unserer Perspektive auf verschiedenen Feldern Handlungsbedarfe, um die verschiedenen Ungerechtigkeiten des bisherigen Hartz-Systems endlich abzuschaffen.
Sanktionsfreiheit statt Sanktionsregime
Eines der kontrovers diskutiertesten Themen ist die Frage der Sanktionen. Sie stehen wie nichts anderes für den fatalen Fehler, den unsere Partei gemacht hat, weil sie den Staat da zu einer Strafinstanz gemacht haben, wo er unterstützend wirken müsste. Dadurch wurden Bürger*innen zu Bittsteller*innen; wurden Mitglieder unserer Gesellschaft an ihren Rand gedrängt. Besonders hart von den Sanktionen sind Menschen unter 25 Jahren betroffen, da ihnen schon bei kleinsten Verstößen gegen Auflagen die Leistungen temporär komplett gestrichen werden können. Bei wiederholten Verstößen kann zusätzlich das Geld für Heizung und Miete vollständig gestrichen werden. Diese Sozialleistungen sind für uns aber nicht irgendwelche Almosen, die Menschen aus Gnade gewährt werden. Sozialleistungen sind der gerechte Beitrag einer Solidargemeinschaft, auf den alle Mitglieder ein Anrecht haben, die darauf angewiesen sind.
Die Praxis der Sanktionen ist für uns nichts anderes als ein staatliches Armutsförderungsprogramm und mit unserer Idee eines aktiven und solidarischen Sozialstaats daher unvereinbar. Wir fordern deshalb die vollständige Sanktionsfreiheit. Außerdem fordern wir unsere Partei dazu auf, auf dem Weg dahin zügig Nägel mit Köpfen zu machen und die altersbedingte Diskriminierung der besonders harten Sanktionen für unter 25-jährige noch in der Großen Koalition zu beenden.
Auch einem Anreiz- und Boni-System, welches gerade als positive Alternative zu den Sanktionen ins Spiel gebracht wird, erteilen wir eine klare Absage, wenn damit Leistungsprämien für Empfänger*innen der Grundsicherung gemeint sind, die sich besonders anstrengen. Auch dahinter steckt die falsche Annahme, dass Menschen aktiviert werden müssen, damit sie wieder einer Arbeit nachgehen. In unserem Konzept muss hingegen der Sozialstaat aktiv sein und nicht als erzieherische Instanz auftreten. An ihm ist es, den Menschen Angebote zu machen und diese so attraktiv und bedarfsgerecht zu gestalten, dass Menschen diese annehmen, weil sie eine tatsächliche Hilfe darstellen.
In diesem Punkt sind unsere Vorstellungen weitergehender als die vorliegenden Punkte der „Sozialstaatsreform 2025“ und wir fordern unsere Partei dazu auf, mit uns über die volle Distanz zu gehen. Nur so kann Hartz IV konsequent abgeschafft werden.
Gesellschaftliche Teilhabe statt Stigmatisierung
Auch in einer anderen Frage fordern wir Nachbesserungen an dem bisher vorliegenden Papier und zwar in der Frage der Regelsätze, die so, wie sie sind, nicht bleiben können, weil sie Menschen von der gesellschaftlichen Teilhabe ausschließen und nach wie vor stigmatisieren.
Der aktuelle Basis-Regelsatz für das Arbeitslosengeld (ALG) II liegt für Alleinstehende (Regelbedarfsstufe 1) bei 424 €. Er setzt sich aus verschiedenen Einzelposten zusammen, die jeweils prozentual gewichtet werden. 0,26 % des Regelsatzes wird beispielsweise für den Posten ‚Bildung‘ veranschlagt, was beim aktuellen Regelsatz 1,10 € pro Monat bedeutet. Um das nochmal zu verdeutlichen: Gut ein Euro im Monat steht Empfänger*innen des ALG II laut Berechnung für Bildung zur Verfügung.
Zusätzlich zu dem so berechneten Regelsatz besteht ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung für einen angemessenen Wohnraum. Auch hier wird wieder ein Unterschied zwischen Personen unter 25 Jahren und dem Rest gemacht. Empfänger*innen des ALG II, die unter 25 Jahren sind, haben nur unter bestimmten Bedingungen einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung, sofern sie bei ihren Eltern ausziehen möchten. Sie sind dazu verpflichtet, sich im Vorfeld eines Auszugs die Zustimmung zur Kostenübernahme vom Jobcenter einzuholen.
Dieser unsägliche status quo unterstreicht den dringenden Handlungsbedarf. Die aktuellen Regelsätze schließen Menschen von der gesellschaftlichen Teilhabe aus. Ein Existenzminimum in unserem Sinne gewährleistet aber genau dies: Ein möglichst selbstbestimmtes Leben und die vollständige Teilhabe an der Gesellschaft anstatt ein Dasein in Armut am Rande dieser. Daher fordern wir eine Neuberechnung und deutliche Erhöhung der Regelsätze in der Grundsicherung. Die ständige Anpassung der Höhe dieser Sozialleitungen muss dabei an die allgemeine Lohnentwicklung gekoppelt sein. Denkbar wäre, zur Ermittlung und Anpassung der Höhe eine Sachverständigenkommission zu beauftragen, wie es der DGB vorschlägt.
Qualifizierung und Weiterbildung statt Maßnahmendschungel
Neben einer gerechten Ausgestaltung der Regelsätze ist es unserer Meinung nach eine der wichtigsten Aufgaben des Sozialstaats zu verhindern, dass Menschen überhaupt auf diese Regelsätze angewiesen sind. In diesem Punkt unterstützen wir explizit die bisherigen Überlegungen unserer Partei. Der Sozialstaat selbst muss aktiv werden und die Energie und Ressourcen, die er bisher darauf verwendet, Menschen mit Sanktionen zu drohen und diese durchzusetzen, dafür einsetzen, dass Menschen Qualifizierungsmöglichkeiten erhalten. Neben einem Recht auf Arbeit schließen wir uns der Forderung nach einem Rechtsanspruch auf Weiterbildung und nach einer Qualifizierungsgarantie an.
Aufgrund der Tatsache, dass sich die Arbeitswelt nach wie vor in einem grundlegenden und vielleicht ständigen Wandel befindet, wird es auch in Zukunft und teilweise verstärkt zu Umbrüchen im individuellen Erwerbsleben kommen. Hier hat der Sozialstaat die Aufgabe, Menschen präventiv vor Arbeitslosigkeit zu schützen. Damit er diese Aufgabe wahrnehmen kann, muss sich die Agentur für Arbeit zu einer Agentur für Arbeit und Qualifizierung entwickeln. Dort haben Menschen dann ein Anrecht auf intensive Beratung, Betreuung und Vermittlung, um erst gar nicht von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein. Die Qualifizierungsgarantie richtet sich dabei im Besonderen an Arbeitnehmer*innen, deren Arbeitsplatz wegzufallen droht. Sie sollen einen Anspruch auf eine Umschulung erhalten und im Zeitraum dieser Umschulung nicht von der Grundsicherung betroffen sein, sondern eine Lohnersatzleistung erhalten.
Außerdem unterstützen wir die Forderung danach, dass auch das dritte Umschulungsjahr finanziert werden soll, um Menschen auf ihrem Weg zu einem Berufsabschluss vollständig zu unterstützen.
Für all diejenigen Menschen, die von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind und die trotz aller Weiterbildungs- und Vermittlungsbemühungen keine neue Arbeit finden, fordern wir nicht erst, wie aktuell nach 6 Jahren, sondern unmittelbar ein Recht auf einen sozialversicherungspflichtigen, tariflich bezahlten Arbeitsplatz im sozialen Arbeitsmarkt, um ihnen den Wiedereinstieg in den ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Die hier erhobenen Forderungen sind wichtige Schritte auf dem Weg von der bisherigen Arbeitslosenversicherung hin zu einer solidarischen Arbeitsversicherung, die nicht erst im Falle der Arbeitslosigkeit aktiv wird, aber auch dann passgenaue Angebote zur Verfügung stellt.
Lebensleistung statt Armutsfalle
In der Frage der Anerkennung von Lebensleistung unterstützen wir ebenfalls die Richtung, in die die vorliegenden Maßnahmen aus der „Sozialstaatsreform 2025“ zeigen, wenngleich wir wichtige Ergänzungen fordern.
Neben den Sanktionen ist dies die zentrale Ungerechtigkeit, die durch der Hartz-Reform herbeigeführt wurde: die Missachtung von Lebensleistung. Wer mehrere Jahrzehnte Beiträge gezahlt hat, wird nach 12 Monaten genauso behandelt, wie jemand, der noch nie Beiträge in die Arbeitslosenversicherung gezahlt hat, fällt also in die Grundsicherung und ist gezwungen, zunächst ihr*sein hart erarbeitetes kleines Vermögen aufzubrauchen und ggf. ihre*seine Wohnung bzw. ihr*sein Haus zu verlassen. Obwohl ein*e Arbeitnehmer*in also jahrzehntelang gearbeitet hat, fällt sie*er nach kürzester Zeit ins Bodenlose und muss darüber hinaus noch unabhängig von der tatsächlichen Qualifikation nahezu jeden Job annehmen, der ihr*ihm angeboten wird, wenn man von Sanktionen verschont bleiben will.
Dies war der grundlegendste Systemwechsel weg vom bisherigen Sozialstaat, der den eigenen Lebensstandard weitestgehend gesichert hat, hin zu einem neoliberalem Wohlfahrtsstaat, der für dieses Versprechen nichts mehr übrighatte. Und aus diesem Grund braucht es auch nun nicht weniger als einen erneuten Systemwechsel und es ist richtig, dass wir nicht einfach die Zeit zurückdrehen, sondern neue Antworten für unsere Zeit gefunden haben.
Wir stehen für den Einkommens- und Qualifikationsschutz und die Anerkennung von Lebensleistung und fordern daher:
- eine deutlich längere Bezugsdauer des ALG I (Arbeitslosengeld I) für Beschäftigte, die lange Jahre Beiträge in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben. Hier reichen uns die Vorstellungen, die die parteiinterne Lenkungsgruppe vorgelegt hat, nicht aus. Wir fordern eine sukzessive Erhöhung der Anspruchszeit auf das ALG I ab 10 Beitragsjahren.
- die Einführung eines ALG Q, um dem Recht auf Weiterbildung und Qualifizierung gerecht zu werden. Auch in diesem Punkt unterstützen wir die vorgelegten Vorstellungen. Wer innerhalb der ersten drei Monate im ALG I-Bezug keine neue Arbeit findet, hat einen Anspruch auf eine gezielte Weiterbildungsmaßnahme und dem damit verbundenen ALG Q, das der Höhe des ALG I entspricht. Anders als es die Lenkungsgruppe vorschlägt, fordern wir außerdem, dass das ALG Q über die gesamten 24 Monate, die es gewährt werden kann, anrechnungsfrei im Bezug auf den ALG I-Anspruch bleibt.
- eine Mindesthöhe des ALG I von 850 €, wie es zuletzt der DGB in die Diskussion eingebracht hat. Dies verbessert vor allem die Lage all derjenigen Beschäftigten, die aufgrund von unbezahlter Care-Arbeit in Teilzeit arbeiten mussten und daher keine allzu großen Ansprüche in der Arbeitslosenversicherung erwerben konnten. Ihr ALG I-Anspruch soll auf mindestens 850 € erhöht werden und sich fortlaufend der Lohnentwicklung anpassen.
- die Anrechnung von Erziehungs- und Pflegezeiten als Beschäftigungszeiten. Dieser Punkt hängt mit dem zuvor genannten zusammen. Wenn wir über Umbrüche im Erwerbsleben sprechen, muss dies explizit auch aus einer feministischen Perspektive geschehen. Gerade Frauen* sind aufgrund der Tatsache, dass sie nach wie vor einen Großteil der unbezahlten Erziehungs- und Pflegearbeit leisten, besonders stark von Armut betroffen, weil diese nicht berücksichtigt bzw. für selbstverständlich gehalten wird und sie dadurch häufig gar keinen Anspruch auf das ALG I haben. Wir fordern also einen Doppelschritt. Diejenigen, die nur sehr geringe Ansprüche im ALG I-Bezug erwerben konnten, sollen mindestens 850 € erhalten. Und diejenigen, die aufgrund von unbezahlter Care-Arbeit zurzeit überhaupt keinen Anspruch auf das ALG I haben, sollen durch die Anrechnung von Erziehungs- und Pflegezeiten genau diesen erhalten.
- eine Reform der Anwartschaftszeiten und Rahmenfristen, die Grundvoraussetzung für den Bezug des ALG I sind. Wer in einer Rahmenfrist von drei Jahren sechs Beitragsmonate nachweisen kann, darf kein Fall für das ALG II sein. Dies ist insofern ein absolutes Gebot der Gerechtigkeit, als es im Moment zahlreiche Beschäftigte in der Leiharbeit und in befristeten Arbeitsverhältnissen gibt, die zwar Beiträge leisten, aber sofort in die Grundsicherung fallen, sobald sie ihre Arbeit verlieren. Dies ist ein wichtiger Schritt ebenfalls aus einer feministischen Perspektive sowie für alle, die in atypischer Beschäftigung sind und einem ständigen Wechsel aus jener Beschäftigung und Phasen der Arbeitslosigkeit ausgeliefert sind.
- eine Reform der Zumutbarkeitsregelungen bei der Jobvermittlung. Es dürfen nur Jobs, die dem eigenen Qualifikationsniveau entsprechen, als zumutbar gelten. Damit lösen wir das Versprechen ein, dass die Qualifikationen, die Beschäftigte erworben haben, geschützt werden. Niemand soll mehr gezwungen werden können, jeden Job unabhängig von der eigenen Qualifikation annehmen zu müssen.
- Eine personelle Stärkung der zuständigen Behörden. Um die genannten Maßnahmen umfassend umsetzen zu können, muss die Personalstärke besser ausgestattet werden, damit eine individuelle und gestärkte Betreuung gewährleistet werden kann.
Die hier aufgeführten Maßnahmen verfolgen, wie beschrieben, vor allem das Ziel, Lebensleistung anzuerkennen, das Einkommen und die Qualifikation von Beschäftigten zu schützen und den Fall in die Grundsicherung mit allen Mitteln zu vermeiden. Zugleich gehört zur Wahrheit dazu, dass letzterer natürlich dennoch nicht vollständig ausgeschlossen ist und auch für diesen Fall müssen wir bestehende Ungerechtigkeiten abschaffen.
Wenn Menschen ohne Arbeit aktuell in den Bezug der Grundsicherung rutschen, sind die Betroffenen dazu aufgefordert, zunächst die mühsam ersparten Rücklagen bis zu einem sehr geringen Freibetrag aufzubrauchen, was von Behördenseite aus mit einigem bürokratischen Aufwand verbunden ist. Davon betroffen ist auch das Wohneigentum, sofern dies vorhanden ist, was zu der absurden Situation führt, dass manche ALG II-Bezieher*innen ihre Wohnung, die sie selbst nutzen, verkaufen müssen, damit der Staat im Anschluss die Miete für eine kleinere Wohnung übernimmt.
Um diese Form der Missachtung der Lebensleistung und des massiven Eingriffs in die Würde eines Menschen zu beenden, fordern wir auch in der Frage der Anrechnung von ersparten Rücklagen und dem ggf. vorhandenen Wohneigentum einen Paradigmenwechsel. Hier reicht die vorgeschlagene Schonfrist von zwei Jahren beim Bürgergeld, in der eine Prüfung der Vermögenswerte ausgesetzt wird, nicht aus. Wir fordern, dass in Zukunft die bürokratisch aufwendige Prüfung von ersparten Rücklagen und ggf. vorhandenem Wohneigentum entfällt und nur noch in begründeten Ausnahmefällen durchgeführt wird, sodass Menschen nicht länger dazu gezwungen werden, im Falle der Arbeitslosigkeit ihr erarbeitetes Vermögen aufzubrauchen und ihre Wohnung zu verlassen.
Die angekündigte Reform des Wohngeldes, die dafür Sorge tragen soll, dass Menschen nur aufgrund hoher Wohnkosten auf die Grundsicherung angewiesen sind, unterstützen wir.
Anständige Einkommen statt subventionierte Billiglöhne
Eine dritte zentrale Ungerechtigkeit im aktuellen Hartz-System stellt die Tatsache dar, dass über ein Viertel der ALG II-Bezieher*innen einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Über eine Millionen Menschen gehen teilweise sogar Vollzeit einer Arbeit nach, von der sie nicht leben können und daher auf zusätzliche Unterstützung des Sozialstaats angewiesen sind. In vielen Fällen subventioniert die Solidargemeinschaft Billiglöhne, weil manche Unternehmen nicht willens sind, Arbeit anständig zu entlohnen.
Um diesem untragbaren Zustand ein Ende zu setzen, fordern wir
- eine Erhöhung des Mindestlohns auf eine Armutsfeste Höhe von heute mindestens 12,63 €, sodass Beschäftigte nicht länger auf aufstockende Sozialleistungen angewiesen sind. Die vom Parteivorstand beschlossenen 12€ sind ein großer Schritt in die richtige Richtung, dürfen aber nicht das Ende der Fahnenstange sein. Des Weiteren unterstützen wir das Vorhaben der Lenkungsgruppe, mit einem Tariftreuegesetz dafür zu sorgen, dass die öffentliche Hand mit gutem Beispiel vorangeht.
- eine Stärkung der Sozialpartnerschaft und der Tarifbindung. Auch in diesem Punkt hat die Lenkungsgruppe wichtige Vorschläge gemacht, denen wir uns anschließen. Es muss debattiert werden, wie sinnvoll die steuerliche Besserstellung tarifgebundener Unternehmen im Gegensatz zu nicht tarifgebundenen ist.
- Wir fordern eine Ausweitung von allgemeinverbindlichen Tarifverträgen, indem wir das bei Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen bestehende Vetorecht der Arbeitgeber abschaffen.
Kindergrundsicherung statt Armut per Geburt
Neben den sogenannten „Aufstocker*innen“ muss eine Personengruppe in den Blick genommen werden, die sich zwar im Bezug des Arbeitslosengelds II befindet, zu einem großen Teil aber noch gar nicht arbeiten kann und darf. Ein Drittel aller Bezieher*innen von Hartz IV sind Kinder und Jugendliche, die sich teilweise ab dem Zeitpunkt ihrer Geburt in Armut befinden und dort nur schwer herauskommen, trotz staatlicher Familien- und Kinderförderung. Dass zwei Millionen Heranwachsende Hartz IV beziehen müssen, zeigt, dass die bisherigen Maßnahmen versagen. Aus diesem Grund schließen wir uns der Forderung einer sozialdemokratischen Kindergrundsicherung an, damit Kinder und Jugendliche endlich aus dem Hartz IV-System herauskommen, in dem sie nichts verloren haben. Die Lenkungsgruppe schlägt dazu ein zwei Säulen-Modell vor, das einerseits den tatsächlichen finanziellen Bedarf des jeweiligen Kindes berücksichtig sowie die vor Ort bestehenden Infrastrukturleistungen wie Kitas, Schulen etc. Wir unterstützen ausdrücklich diesen ganzheitlichen Blick, der sowohl dafür Sorge trägt, dass Kindern genug Geld zur Verfügung steht, als auch sicherstellt, dass der Zugang zur Kita, zur Schule, zu Mobilität, zu Kultur etc. kosten- und barrierefrei ist. Die Kindergrundsicherung ist dabei kein bedingungsloses Grundeinkommen für einen Teil der Bevölkerung, sondern die Höhe dieser Leistung orientiert sich aus Gründen der Gerechtigkeit am Einkommen der Eltern.
Feministischer Sozialstaat statt Orientierung am ‚männlichen Alleinverdiener‘
Ein Aspekt kommt in der gesamten Diskussion um eine „Sozialstaatsreform 2025“ bisher zu kurz: Der aktuelle Sozialstaat ist weitestgehend an der Realität überholten männlichen Alleinverdiener-Modell ausgerichtet, wie am Beispiel der Anrechnung von Pflege- und Erziehungszeiten deutlich geworden ist. Für uns ist aber klar: Unser Sozialstaat muss feministisch gedacht sein! Anders als aktuell soll das nicht nur auf dem Papier stehen, dass Gleichberechtigung ein Muss ist, sondern diese soll auch wirklich umgesetzt und die Lebensrealitäten von Frauen* konsequent mitgedacht werden.
Die immer noch vorherrschende strukturelle Benachteiligung von Frauen in unserer Gesellschaft führt dazu, dass Frauen, die größtenteils für Caretätigkeiten zuständig sind und sich viel öfter in prekären Arbeitsverhältnissen befinden, dem Harzt IV-System auf besondere Weise ausgesetzt sind. Durch schlecht bezahlte Arbeit, die oft in Teilzeit verrichtet wird, zieht sich die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern auch ins ALG I. Neben der strukturellen Bekämpfung dieser Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt müssen also auch Ausgleichsmechanismen geschaffen werden, damit das ALG I für Frauen zum Leben in Teilhabe reicht.
Unsere Sozialpolitik muss Frauen also unabhängig absichern. So macht zum Beispiel das Prinzip der Bedarfsgemeinschaft viele Frauen abhängig von ihrem*r Lebenspartner*in, weil es davon ausgeht, dass in diesem Konstrukt untereinander Unterhalt geleistet wird. Dies kann unter anderem dazu führen, dass Frauen* gehemmt sind, sich in schwierigen Umständen aus dieser Situation herauszuziehen. Daher fordern wir eine Absicherung, die ohne Bedarfsgemeinschaften auskommt und stattdessen die Bedarfe von Menschen, die eine Grundsicherung erhalten, individuell erfasst. Frauen sind durch ihre Menstruation und durch die Verhütung, die immer noch mehrheitlich Frauen überlassen wird, beispielsweise mit finanziellem Mehraufwand konfrontiert, ähnliches gilt für vermeintliche und tatsächliche genderspezifische Pflegeprodukte. Derartige Ausgaben müssen bei der Berechnung der Bedarfe beachtet werden, um Benachteiligungen gegenüber Männern zu vermeiden.
Auch in der Frage nach einem Weg aus der Grundsicherung heraus, muss eine feministische Perspektive berücksichtigt werden. Damit eine vernünftige Arbeitsvermittlung erfolgen kann, müssen die Berater*innen geschult werden. Gerade der Umgang mit Frauen in Arbeitslosigkeit, die sich in sensiblen Situationen befinden, muss sicher und rücksichtsvoll sein. Dazu gehören unter anderem Probleme wie häusliche Gewalt, Schwangerschaft und mögliche Schwangerschaftsabbrüche, Verhütung, Alleinerziehende oder Hausfrauen, die durch eine Scheidung erst arbeitslos geworden sind. Diese Frauen brauchen unterschiedliche Betreuung und müssen diese auch bekommen. In Extremsituationen sollen sie sich nicht auch noch vom Amt unter Druck gesetzt fühlen, sondern eine gezielte Unterstützung bekommen, um möglichst gut mit dieser Lebenslage umgehen zu können. Dies betrifft insbesondere Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, die bedarfsgerecht gestaltet sein müssen. Außerdem muss in einer Datenerfassung unterschiedliche Gender unterschieden werden, um eine noch bessere Betreuung zu ermöglichen. Auch der Zugang zu Infrastruktur, durch die Carearbeiten erledigt werden, für die sonst mehrheitlich Frauen zuständig sind, muss erleichtert werden.
Fazit
Unsere Partei ist mit ihrem Diskussionsaufschlag für eine Abschaffung von Hartz IV auf dem richtigen Weg und wir begrüßen grundsätzlich die vorgelegten Forderungen. Zugleich rufen wir sie dazu auf, mit uns den Weg konsequent zu Ende zu gehen, um das Hartz-System restlos hinter uns zu lassen. Wir fordern weitere Schritte im Bezug auf die Sanktionsfreiheit, auf die Höhe der Regelsätze, auf eine feministische Perspektive sowie in Bezug auf einige weitere zentrale Forderungen, in denen wir weitergehende Vorstellungen haben. Nur so gelingt uns der Weg hin zu einer progressiven und solidarischen Arbeits- und Sozialpolitik.
SPD-Parteivorstand an Kommission „Neuer Sozialstaat“
Teilweise erledigt durch L-01 und L-02
Wir begrüßen die Diskussion über eine „Sozialstaatsreform 2025“, die unsere Partei zurzeit in der Breite führt. Nach Jahren, in denen man auf unsere Forderungen nach einer Abschaffung des Hartz-Systems mit dem Verweis reagiert hat, dass dies fruchtlose Vergangenheitsbewältigung sei, scheint nun Konsens darüber zu herrschen, einen zentralen, historischen Fehler in der Arbeits- und Sozialpolitik zu korrigieren. Und die bisher vorgelegten Punkte sind große Schritte in die richtige Richtung. Zugleich ist für uns klar, dass die Sozialdemokratie nun nicht auf halbem Weg stehen bleiben darf. Das Hartz-System gehört konsequent abgeschafft und ersetzt! Um das zu erreichen, braucht es nicht weniger als ein neues sozialdemokratisches Verständnis des Sozialstaats, das unserer politischen Identität gerecht wird und sich aus der Ehe mit dem Neoliberalismus gänzlich befreit hat.
Unser Konzept eines aktiven, solidarischen Sozialstaats
Hartz IV und der Paradigmenwechsel, der im Sinne des dritten Wegs in der Politik der Sozialdemokratie stattfand, war ein Fehler. Dieses Bekenntnis muss unser Ausgangspunkt sein. Die grundfalsche Idee eines aktivierenden Sozialstaats, die das System aus der Perspektive des vermeintlichen Missbrauchs heraus gedacht hat, hat Millionen von Menschen ohne Arbeit unter Generalverdacht gestellt, hat sie drangsaliert und sanktioniert und Arbeitslosigkeit zur individuellen Schuld gemacht. Sie ging davon aus, dass Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, dazu neigen, das System auszunutzen und hat deshalb den Ansatz verfolgt, dass man diese Menschen nur genug antreiben und aktivieren müsse, damit sie wieder arbeiten gehen. Mit diesen Unterstellungen muss endlich Schluss sein!
Wir stehen für ein Sozialstaatskonzept, in dem solch ein Menschenbild der Vergangenheit angehört. Unser Sozialstaat ist kein aktivierender und damit gängelnder, der für sich den Anspruch erhebt, Bürger*innen durch positive oder negative Maßnahmen erziehen zu müssen. Wir wollen einen solidarischen und aktiven Sozialstaat, der alle Menschen gegen die Willkür des Kapitalismus absichert. Was genau heißt das im Einzelnen?
Arbeitslosigkeit ist nicht länger fälschlicherweise als ein individuelles Scheitern des einzelnen Menschen, sondern als ein Scheitern der Gesellschaft zu verstehen, die nicht in der Lage ist, Arbeit und damit auch anständige Einkommen gerecht zu verteilen. Wir gehen von einem positiven Menschenbild aus, dass der Tatsache Rechnung trägt, dass Menschen grundsätzlich motiviert sind, in ihrem Leben einer sinnstiftenden Tätigkeit nachzugehen. Deshalb muss das Hauptziel des Sozialstaats darauf ausgerichtet sein, allen Menschen eine solche Arbeit zu ermöglichen. Darin besteht eine zentrale Verantwortung des Sozialstaats: den Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, Angebote zur Weiterbildung und Qualifizierung und zu einer sozialversicherungspflichtigen, tarifgebundenen Arbeit zu machen. Der Sozialstaat selbst muss also aktiv sein und zum Beispiel auch schon bei drohender Arbeitslosigkeit präventiv tätig werden und nicht mehr wie bisher Menschen aktivieren und gängeln.
Wir stehen zur Zentralität der Erwerbsarbeit, weil wir der Auffassung sind, dass Arbeit der zentrale Schlüssel für gesellschaftliche Teilhabe ist. Das bedeutet im Umkehrschluss selbstredend nicht, dass Menschen, die keiner Erwerbsarbeit nachgehen können, von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen sind. Auch hier ist der Sozialstaat gefragt, ein möglichst autonomes, selbstbestimmtes Leben zu garantieren und deshalb gehört auch die Grundsicherung entschieden verändert. Absicherung muss also wieder als ein Grundrecht verstanden werden und kann deshalb nicht an die Erbringung einer Gegenleistung geknüpft werden. Wer aber arbeiten kann und möchte, sollte dazu in die Lage versetzt werden und ein entsprechendes Angebot dazu erhalten. Deshalb setzen wir uns mittelfristig für ein Recht auf Gute Arbeit ein.
Vollzieht man den hier skizzierten Paradigmenwechsel weg vom aktivierenden und gängelnden Sozialstaat hin zu einem aktiven und solidarischen nach, ergeben sich aus unserer Perspektive auf verschiedenen Feldern Handlungsbedarfe, um die verschiedenen Ungerechtigkeiten des bisherigen Hartz-Systems endlich abzuschaffen.
Sanktionsfreiheit statt Sanktionsregime
Eines der kontrovers diskutiertesten Themen ist die Frage der Sanktionen. Sie stehen wie nichts anderes für den fatalen Fehler, den unsere Partei gemacht hat, weil sie den Staat da zu einer Strafinstanz gemacht haben, wo er unterstützend wirken müsste. Dadurch wurden Bürger*innen zu Bittsteller*innen; wurden Mitglieder unserer Gesellschaft an ihren Rand gedrängt. Besonders hart von den Sanktionen sind Menschen unter 25 Jahren betroffen, da ihnen schon bei kleinsten Verstößen gegen Auflagen die Leistungen temporär komplett gestrichen werden können. Bei wiederholten Verstößen kann zusätzlich das Geld für Heizung und Miete vollständig gestrichen werden. Diese Sozialleistungen sind für uns aber nicht irgendwelche Almosen, die Menschen aus Gnade gewährt werden. Sozialleistungen sind der gerechte Beitrag einer Solidargemeinschaft, auf den alle Mitglieder ein Anrecht haben, die darauf angewiesen sind.
Die Praxis der Sanktionen ist für uns nichts anderes als ein staatliches Armutsförderungsprogramm und mit unserer Idee eines aktiven und solidarischen Sozialstaats daher unvereinbar. Wir fordern deshalb die vollständige Sanktionsfreiheit. Außerdem fordern wir unsere Partei dazu auf, auf dem Weg dahin zügig Nägel mit Köpfen zu machen und die altersbedingte Diskriminierung der besonders harten Sanktionen für unter 25-jährige noch in der Großen Koalition zu beenden.
Auch einem Anreiz- und Boni-System, welches gerade als positive Alternative zu den Sanktionen ins Spiel gebracht wird, erteilen wir eine klare Absage, wenn damit Leistungsprämien für Empfänger*innen der Grundsicherung gemeint sind, die sich besonders anstrengen. Auch dahinter steckt die falsche Annahme, dass Menschen aktiviert werden müssen, damit sie wieder einer Arbeit nachgehen. In unserem Konzept muss hingegen der Sozialstaat aktiv sein und nicht als erzieherische Instanz auftreten. An ihm ist es, den Menschen Angebote zu machen und diese so attraktiv und bedarfsgerecht zu gestalten, dass Menschen diese annehmen, weil sie eine tatsächliche Hilfe darstellen.
In diesem Punkt sind unsere Vorstellungen weitergehender als die vorliegenden Punkte der „Sozialstaatsreform 2025“ und wir fordern unsere Partei dazu auf, mit uns über die volle Distanz zu gehen. Nur so kann Hartz IV konsequent abgeschafft werden.
Gesellschaftliche Teilhabe statt Stigmatisierung
Auch in einer anderen Frage fordern wir Nachbesserungen an dem bisher vorliegenden Papier und zwar in der Frage der Regelsätze, die so, wie sie sind, nicht bleiben können, weil sie Menschen von der gesellschaftlichen Teilhabe ausschließen und nach wie vor stigmatisieren.
Der aktuelle Basis-Regelsatz für das Arbeitslosengeld (ALG) II liegt für Alleinstehende (Regelbedarfsstufe 1) bei 424 €. Er setzt sich aus verschiedenen Einzelposten zusammen, die jeweils prozentual gewichtet werden. 0,26 % des Regelsatzes wird beispielsweise für den Posten ‚Bildung‘ veranschlagt, was beim aktuellen Regelsatz 1,10 € pro Monat bedeutet. Um das nochmal zu verdeutlichen: Gut ein Euro im Monat steht Empfänger*innen des ALG II laut Berechnung für Bildung zur Verfügung.
Zusätzlich zu dem so berechneten Regelsatz besteht ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung für einen angemessenen Wohnraum. Auch hier wird wieder ein Unterschied zwischen Personen unter 25 Jahren und dem Rest gemacht. Empfänger*innen des ALG II, die unter 25 Jahren sind, haben nur unter bestimmten Bedingungen einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung, sofern sie bei ihren Eltern ausziehen möchten. Sie sind dazu verpflichtet, sich im Vorfeld eines Auszugs die Zustimmung zur Kostenübernahme vom Jobcenter einzuholen.
Dieser unsägliche status quo unterstreicht den dringenden Handlungsbedarf. Die aktuellen Regelsätze schließen Menschen von der gesellschaftlichen Teilhabe aus. Ein Existenzminimum in unserem Sinne gewährleistet aber genau dies: Ein möglichst selbstbestimmtes Leben und die vollständige Teilhabe an der Gesellschaft anstatt ein Dasein in Armut am Rande dieser. Daher fordern wir eine Neuberechnung und deutliche Erhöhung der Regelsätze in der Grundsicherung. Die ständige Anpassung der Höhe dieser Sozialleitungen muss dabei an die allgemeine Lohnentwicklung gekoppelt sein. Denkbar wäre, zur Ermittlung und Anpassung der Höhe eine Sachverständigenkommission zu beauftragen, wie es der DGB vorschlägt.
Qualifizierung und Weiterbildung statt Maßnahmendschungel
Neben einer gerechten Ausgestaltung der Regelsätze ist es unserer Meinung nach eine der wichtigsten Aufgaben des Sozialstaats zu verhindern, dass Menschen überhaupt auf diese Regelsätze angewiesen sind. In diesem Punkt unterstützen wir explizit die bisherigen Überlegungen unserer Partei. Der Sozialstaat selbst muss aktiv werden und die Energie und Ressourcen, die er bisher darauf verwendet, Menschen mit Sanktionen zu drohen und diese durchzusetzen, dafür einsetzen, dass Menschen Qualifizierungsmöglichkeiten erhalten. Neben einem Recht auf Arbeit schließen wir uns der Forderung nach einem Rechtsanspruch auf Weiterbildung und nach einer Qualifizierungsgarantie an.
Aufgrund der Tatsache, dass sich die Arbeitswelt nach wie vor in einem grundlegenden und vielleicht ständigen Wandel befindet, wird es auch in Zukunft und teilweise verstärkt zu Umbrüchen im individuellen Erwerbsleben kommen. Hier hat der Sozialstaat die Aufgabe, Menschen präventiv vor Arbeitslosigkeit zu schützen. Damit er diese Aufgabe wahrnehmen kann, muss sich die Agentur für Arbeit zu einer Agentur für Arbeit und Qualifizierung entwickeln. Dort haben Menschen dann ein Anrecht auf intensive Beratung, Betreuung und Vermittlung, um erst gar nicht von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein. Die Qualifizierungsgarantie richtet sich dabei im Besonderen an Arbeitnehmer*innen, deren Arbeitsplatz wegzufallen droht. Sie sollen einen Anspruch auf eine Umschulung erhalten und im Zeitraum dieser Umschulung nicht von der Grundsicherung betroffen sein, sondern eine Lohnersatzleistung erhalten.
Außerdem unterstützen wir die Forderung danach, dass auch das dritte Umschulungsjahr finanziert werden soll, um Menschen auf ihrem Weg zu einem Berufsabschluss vollständig zu unterstützen.
Für all diejenigen Menschen, die von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind und die trotz aller Weiterbildungs- und Vermittlungsbemühungen keine neue Arbeit finden, fordern wir nicht erst, wie aktuell nach 6 Jahren, sondern unmittelbar ein Recht auf einen sozialversicherungspflichtigen, tariflich bezahlten Arbeitsplatz im sozialen Arbeitsmarkt, um ihnen den Wiedereinstieg in den ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Die hier erhobenen Forderungen sind wichtige Schritte auf dem Weg von der bisherigen Arbeitslosenversicherung hin zu einer solidarischen Arbeitsversicherung, die nicht erst im Falle der Arbeitslosigkeit aktiv wird, aber auch dann passgenaue Angebote zur Verfügung stellt.
Lebensleistung statt Armutsfalle
In der Frage der Anerkennung von Lebensleistung unterstützen wir ebenfalls die Richtung, in die die vorliegenden Maßnahmen aus der „Sozialstaatsreform 2025“ zeigen, wenngleich wir wichtige Ergänzungen fordern.
Neben den Sanktionen ist dies die zentrale Ungerechtigkeit, die durch der Hartz-Reform herbeigeführt wurde: die Missachtung von Lebensleistung. Wer mehrere Jahrzehnte Beiträge gezahlt hat, wird nach 12 Monaten genauso behandelt, wie jemand, der noch nie Beiträge in die Arbeitslosenversicherung gezahlt hat, fällt also in die Grundsicherung und ist gezwungen, zunächst ihr*sein hart erarbeitetes kleines Vermögen aufzubrauchen und ggf. ihre*seine Wohnung bzw. ihr*sein Haus zu verlassen. Obwohl ein*e Arbeitnehmer*in also jahrzehntelang gearbeitet hat, fällt sie*er nach kürzester Zeit ins Bodenlose und muss darüber hinaus noch unabhängig von der tatsächlichen Qualifikation nahezu jeden Job annehmen, der ihr*ihm angeboten wird, wenn man von Sanktionen verschont bleiben will.
Dies war der grundlegendste Systemwechsel weg vom bisherigen Sozialstaat, der den eigenen Lebensstandard weitestgehend gesichert hat, hin zu einem neoliberalem Wohlfahrtsstaat, der für dieses Versprechen nichts mehr übrighatte. Und aus diesem Grund braucht es auch nun nicht weniger als einen erneuten Systemwechsel und es ist richtig, dass wir nicht einfach die Zeit zurückdrehen, sondern neue Antworten für unsere Zeit gefunden haben.
Wir stehen für den Einkommens- und Qualifikationsschutz und die Anerkennung von Lebensleistung und fordern daher:
- eine deutlich längere Bezugsdauer des ALG I (Arbeitslosengeld I) für Beschäftigte, die lange Jahre Beiträge in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben. Hier reichen uns die Vorstellungen, die die parteiinterne Lenkungsgruppe vorgelegt hat, nicht aus. Wir fordern eine sukzessive Erhöhung der Anspruchszeit auf das ALG I ab 10 Beitragsjahren.
- die Einführung eines ALG Q, um dem Recht auf Weiterbildung und Qualifizierung gerecht zu werden. Auch in diesem Punkt unterstützen wir die vorgelegten Vorstellungen. Wer innerhalb der ersten drei Monate im ALG I-Bezug keine neue Arbeit findet, hat einen Anspruch auf eine gezielte Weiterbildungsmaßnahme und dem damit verbundenen ALG Q, das der Höhe des ALG I entspricht. Anders als es die Lenkungsgruppe vorschlägt, fordern wir außerdem, dass das ALG Q über die gesamten 24 Monate, die es gewährt werden kann, anrechnungsfrei im Bezug auf den ALG I-Anspruch bleibt.
- eine Mindesthöhe des ALG I von 850 €, wie es zuletzt der DGB in die Diskussion eingebracht hat. Dies verbessert vor allem die Lage all derjenigen Beschäftigten, die aufgrund von unbezahlter Care-Arbeit in Teilzeit arbeiten mussten und daher keine allzu großen Ansprüche in der Arbeitslosenversicherung erwerben konnten. Ihr ALG I-Anspruch soll auf mindestens 850 € erhöht werden und sich fortlaufend der Lohnentwicklung anpassen.
- die Anrechnung von Erziehungs- und Pflegezeiten als Beschäftigungszeiten. Dieser Punkt hängt mit dem zuvor genannten zusammen. Wenn wir über Umbrüche im Erwerbsleben sprechen, muss dies explizit auch aus einer feministischen Perspektive geschehen. Gerade Frauen* sind aufgrund der Tatsache, dass sie nach wie vor einen Großteil der unbezahlten Erziehungs- und Pflegearbeit leisten, besonders stark von Armut betroffen, weil diese nicht berücksichtigt bzw. für selbstverständlich gehalten wird und sie dadurch häufig gar keinen Anspruch auf das ALG I haben. Wir fordern also einen Doppelschritt. Diejenigen, die nur sehr geringe Ansprüche im ALG I-Bezug erwerben konnten, sollen mindestens 850 € erhalten. Und diejenigen, die aufgrund von unbezahlter Care-Arbeit zurzeit überhaupt keinen Anspruch auf das ALG I haben, sollen durch die Anrechnung von Erziehungs- und Pflegezeiten genau diesen erhalten.
- eine Reform der Anwartschaftszeiten und Rahmenfristen, die Grundvoraussetzung für den Bezug des ALG I sind. Wer in einer Rahmenfrist von drei Jahren sechs Beitragsmonate nachweisen kann, darf kein Fall für das ALG II sein. Dies ist insofern ein absolutes Gebot der Gerechtigkeit, als es im Moment zahlreiche Beschäftigte in der Leiharbeit und in befristeten Arbeitsverhältnissen gibt, die zwar Beiträge leisten, aber sofort in die Grundsicherung fallen, sobald sie ihre Arbeit verlieren. Dies ist ein wichtiger Schritt ebenfalls aus einer feministischen Perspektive sowie für alle, die in atypischer Beschäftigung sind und einem ständigen Wechsel aus jener Beschäftigung und Phasen der Arbeitslosigkeit ausgeliefert sind.
- eine Reform der Zumutbarkeitsregelungen bei der Jobvermittlung. Es dürfen nur Jobs, die dem eigenen Qualifikationsniveau entsprechen, als zumutbar gelten. Damit lösen wir das Versprechen ein, dass die Qualifikationen, die Beschäftigte erworben haben, geschützt werden. Niemand soll mehr gezwungen werden können, jeden Job unabhängig von der eigenen Qualifikation annehmen zu müssen.
- Eine personelle Stärkung der zuständigen Behörden. Um die genannten Maßnahmen umfassend umsetzen zu können, muss die Personalstärke besser ausgestattet werden, damit eine individuelle und gestärkte Betreuung gewährleistet werden kann.
Die hier aufgeführten Maßnahmen verfolgen, wie beschrieben, vor allem das Ziel, Lebensleistung anzuerkennen, das Einkommen und die Qualifikation von Beschäftigten zu schützen und den Fall in die Grundsicherung mit allen Mitteln zu vermeiden. Zugleich gehört zur Wahrheit dazu, dass letzterer natürlich dennoch nicht vollständig ausgeschlossen ist und auch für diesen Fall müssen wir bestehende Ungerechtigkeiten abschaffen.
Wenn Menschen ohne Arbeit aktuell in den Bezug der Grundsicherung rutschen, sind die Betroffenen dazu aufgefordert, zunächst die mühsam ersparten Rücklagen bis zu einem sehr geringen Freibetrag aufzubrauchen, was von Behördenseite aus mit einigem bürokratischen Aufwand verbunden ist. Davon betroffen ist auch das Wohneigentum, sofern dies vorhanden ist, was zu der absurden Situation führt, dass manche ALG II-Bezieher*innen ihre Wohnung, die sie selbst nutzen, verkaufen müssen, damit der Staat im Anschluss die Miete für eine kleinere Wohnung übernimmt.
Um diese Form der Missachtung der Lebensleistung und des massiven Eingriffs in die Würde eines Menschen zu beenden, fordern wir auch in der Frage der Anrechnung von ersparten Rücklagen und dem ggf. vorhandenen Wohneigentum einen Paradigmenwechsel. Hier reicht die vorgeschlagene Schonfrist von zwei Jahren beim Bürgergeld, in der eine Prüfung der Vermögenswerte ausgesetzt wird, nicht aus. Wir fordern, dass in Zukunft die bürokratisch aufwendige Prüfung von ersparten Rücklagen und ggf. vorhandenem Wohneigentum entfällt und nur noch in begründeten Ausnahmefällen durchgeführt wird, sodass Menschen nicht länger dazu gezwungen werden, im Falle der Arbeitslosigkeit ihr erarbeitetes Vermögen aufzubrauchen und ihre Wohnung zu verlassen.
Die angekündigte Reform des Wohngeldes, die dafür Sorge tragen soll, dass Menschen nur aufgrund hoher Wohnkosten auf die Grundsicherung angewiesen sind, unterstützen wir.
Anständige Einkommen statt subventionierte Billiglöhne
Eine dritte zentrale Ungerechtigkeit im aktuellen Hartz-System stellt die Tatsache dar, dass über ein Viertel der ALG II-Bezieher*innen einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Über eine Millionen Menschen gehen teilweise sogar Vollzeit einer Arbeit nach, von der sie nicht leben können und daher auf zusätzliche Unterstützung des Sozialstaats angewiesen sind. In vielen Fällen subventioniert die Solidargemeinschaft Billiglöhne, weil manche Unternehmen nicht willens sind, Arbeit anständig zu entlohnen.
Um diesem untragbaren Zustand ein Ende zu setzen, fordern wir
- eine Erhöhung des Mindestlohns auf eine Armutsfeste Höhe von heute mindestens 12,63 €, sodass Beschäftigte nicht länger auf aufstockende Sozialleistungen angewiesen sind. Die vom Parteivorstand beschlossenen 12€ sind ein großer Schritt in die richtige Richtung, dürfen aber nicht das Ende der Fahnenstange sein. Des Weiteren unterstützen wir das Vorhaben der Lenkungsgruppe, mit einem Tariftreuegesetz dafür zu sorgen, dass die öffentliche Hand mit gutem Beispiel vorangeht.
- eine Stärkung der Sozialpartnerschaft und der Tarifbindung. Auch in diesem Punkt hat die Lenkungsgruppe wichtige Vorschläge gemacht, denen wir uns anschließen. Es muss debattiert werden, wie sinnvoll die steuerliche Besserstellung tarifgebundener Unternehmen im Gegensatz zu nicht tarifgebundenen ist.
- Wir fordern eine Ausweitung von allgemeinverbindlichen Tarifverträgen, indem wir das bei Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen bestehende Vetorecht der Arbeitgeber abschaffen.
Kindergrundsicherung statt Armut per Geburt
Neben den sogenannten „Aufstocker*innen“ muss eine Personengruppe in den Blick genommen werden, die sich zwar im Bezug des Arbeitslosengelds II befindet, zu einem großen Teil aber noch gar nicht arbeiten kann und darf. Ein Drittel aller Bezieher*innen von Hartz IV sind Kinder und Jugendliche, die sich teilweise ab dem Zeitpunkt ihrer Geburt in Armut befinden und dort nur schwer herauskommen, trotz staatlicher Familien- und Kinderförderung. Dass zwei Millionen Heranwachsende Hartz IV beziehen müssen, zeigt, dass die bisherigen Maßnahmen versagen. Aus diesem Grund schließen wir uns der Forderung einer sozialdemokratischen Kindergrundsicherung an, damit Kinder und Jugendliche endlich aus dem Hartz IV-System herauskommen, in dem sie nichts verloren haben. Die Lenkungsgruppe schlägt dazu ein zwei Säulen-Modell vor, das einerseits den tatsächlichen finanziellen Bedarf des jeweiligen Kindes berücksichtig sowie die vor Ort bestehenden Infrastrukturleistungen wie Kitas, Schulen etc. Wir unterstützen ausdrücklich diesen ganzheitlichen Blick, der sowohl dafür Sorge trägt, dass Kindern genug Geld zur Verfügung steht, als auch sicherstellt, dass der Zugang zur Kita, zur Schule, zu Mobilität, zu Kultur etc. kosten- und barrierefrei ist. Die Kindergrundsicherung ist dabei kein bedingungsloses Grundeinkommen für einen Teil der Bevölkerung, sondern die Höhe dieser Leistung orientiert sich aus Gründen der Gerechtigkeit am Einkommen der Eltern.
Feministischer Sozialstaat statt Orientierung am ‚männlichen Alleinverdiener‘
Ein Aspekt kommt in der gesamten Diskussion um eine „Sozialstaatsreform 2025“ bisher zu kurz: Der aktuelle Sozialstaat ist weitestgehend an der Realität überholten männlichen Alleinverdiener-Modell ausgerichtet, wie am Beispiel der Anrechnung von Pflege- und Erziehungszeiten deutlich geworden ist. Für uns ist aber klar: Unser Sozialstaat muss feministisch gedacht sein! Anders als aktuell soll das nicht nur auf dem Papier stehen, dass Gleichberechtigung ein Muss ist, sondern diese soll auch wirklich umgesetzt und die Lebensrealitäten von Frauen* konsequent mitgedacht werden.
Die immer noch vorherrschende strukturelle Benachteiligung von Frauen in unserer Gesellschaft führt dazu, dass Frauen, die größtenteils für Caretätigkeiten zuständig sind und sich viel öfter in prekären Arbeitsverhältnissen befinden, dem Harzt IV-System auf besondere Weise ausgesetzt sind. Durch schlecht bezahlte Arbeit, die oft in Teilzeit verrichtet wird, zieht sich die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern auch ins ALG I. Neben der strukturellen Bekämpfung dieser Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt müssen also auch Ausgleichsmechanismen geschaffen werden, damit das ALG I für Frauen zum Leben in Teilhabe reicht.
Unsere Sozialpolitik muss Frauen also unabhängig absichern. So macht zum Beispiel das Prinzip der Bedarfsgemeinschaft viele Frauen abhängig von ihrem*r Lebenspartner*in, weil es davon ausgeht, dass in diesem Konstrukt untereinander Unterhalt geleistet wird. Dies kann unter anderem dazu führen, dass Frauen* gehemmt sind, sich in schwierigen Umständen aus dieser Situation herauszuziehen. Daher fordern wir eine Absicherung, die ohne Bedarfsgemeinschaften auskommt und stattdessen die Bedarfe von Menschen, die eine Grundsicherung erhalten, individuell erfasst. Frauen sind durch ihre Menstruation und durch die Verhütung, die immer noch mehrheitlich Frauen überlassen wird, beispielsweise mit finanziellem Mehraufwand konfrontiert, ähnliches gilt für vermeintliche und tatsächliche genderspezifische Pflegeprodukte. Derartige Ausgaben müssen bei der Berechnung der Bedarfe beachtet werden, um Benachteiligungen gegenüber Männern zu vermeiden.
Auch in der Frage nach einem Weg aus der Grundsicherung heraus, muss eine feministische Perspektive berücksichtigt werden. Damit eine vernünftige Arbeitsvermittlung erfolgen kann, müssen die Berater*innen geschult werden. Gerade der Umgang mit Frauen in Arbeitslosigkeit, die sich in sensiblen Situationen befinden, muss sicher und rücksichtsvoll sein. Dazu gehören unter anderem Probleme wie häusliche Gewalt, Schwangerschaft und mögliche Schwangerschaftsabbrüche, Verhütung, Alleinerziehende oder Hausfrauen, die durch eine Scheidung erst arbeitslos geworden sind. Diese Frauen brauchen unterschiedliche Betreuung und müssen diese auch bekommen. In Extremsituationen sollen sie sich nicht auch noch vom Amt unter Druck gesetzt fühlen, sondern eine gezielte Unterstützung bekommen, um möglichst gut mit dieser Lebenslage umgehen zu können. Dies betrifft insbesondere Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, die bedarfsgerecht gestaltet sein müssen. Außerdem muss in einer Datenerfassung unterschiedliche Gender unterschieden werden, um eine noch bessere Betreuung zu ermöglichen. Auch der Zugang zu Infrastruktur, durch die Carearbeiten erledigt werden, für die sonst mehrheitlich Frauen zuständig sind, muss erleichtert werden.
Fazit
Unsere Partei ist mit ihrem Diskussionsaufschlag für eine Abschaffung von Hartz IV auf dem richtigen Weg und wir begrüßen grundsätzlich die vorgelegten Forderungen. Zugleich rufen wir sie dazu auf, mit uns den Weg konsequent zu Ende zu gehen, um das Hartz-System restlos hinter uns zu lassen. Wir fordern weitere Schritte im Bezug auf die Sanktionsfreiheit, auf die Höhe der Regelsätze, auf eine feministische Perspektive sowie in Bezug auf einige weitere zentrale Forderungen, in denen wir weitergehende Vorstellungen haben. Nur so gelingt uns der Weg hin zu einer progressiven und solidarischen Arbeits- und Sozialpolitik.