B-26 Ob Klein, ob Groß – NRW muss im Bildungsbereich Chancengleichheit für alle erreichen

1. Bildungskatastrophe abwenden und eine Bildungsoffensive starten

 

Die Politik ist gefordert, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, damit Beste Bildung für alle und Chancengleichheit möglich ist. Bildung ist der Schlüssel zur Welt, sie macht uns zu kritikfähigen, mündigen und freien Menschen und ist die Basis für soziale Teilhabe und eine solidarische Gesellschaft. Bildung ist die Grundvoraussetzung für ein gutes und erfüllendes Leben, ein Aufstiegsversprechen und das Fundament für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Und sie kann nicht zuletzt auch die Resilienz gegen demokratiegefährdende, populistische Bewegungen stärken.

 

Dabei war uns immer bewusst, die soziale Herkunft darf nicht über die Bildungschancen der Menschen entscheiden. Jedes Kind ist gleich viel wert und keines darf im Bildungsprozess zurückgelassen werden.

 

Die Corona-Pandemie, aber auch die jüngsten Ergebnisse des IQB-Bildungstrends und der IGLU-Studie zeigen uns unmissverständlich die Missstände unseres Schulsystems auf. Die betroffenen Kinder tragen diese (Leistungs-) Defizite als schwere Hypothek mit sich und werden enorme Probleme haben, ohne besondere Förderung diese Defizite auszugleichen. Der eklatante Lehrkräftemangel, dadurch bedingter Unterrichtsausfall, überfüllte Klassen, die Zunahme von psychosozialen Belastungssymptomen bei Schüler:innen und Lehrkräften, marode Schulgebäude, eine defizitäre digitale Infrastruktur und die chronische Unterfinanzierung unseres Bildungssystems sind wesentliche Ursachen für diese über Jahre dramatischer gewordene Situation. NRW befindet sich inmitten einer Bildungskatastrophe. Dies betrifft nicht alleine die schulische oder berufliche Bildung. Auch für den Bereich frühkindlicher Bildung lautet der Befund ähnlich.

 

Forderungen:

 

  • Wir müssen jetzt kurzfristig alle Kräfte und Ressourcen bündeln, um die Bildungskatastrophe zu bewältigen und unsere frühkindlichen Bildungsstrukturen und das Schulsystem langfristig für die Zukunft auf feste, sichere Beine zu stellen.
  • Bildung muss in unserem Land wieder absolute Priorität erfahren und ganz oben auf der politischen Handlungsagenda stehen. Wir brauchen  einen breiten politischen und gesellschaftlichen Konsens für eine nachhaltig wirksame Bildungsoffensive.

 

2. Frühkindliche Bildung

 

Die rund 10.000 Kitas in NRW leisten trotz enormen Fachkräftemangels eine hervorragende pädagogische Arbeit. Mit viel Engagement der Erzieher:innen sind sie das wesentliche Element der Kinderbetreuung und frühkindlichen Bildung in NRW. Dieses individuelle Recht des Kindes ermöglicht vielen Eltern erst die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Kitas in NRW sind jedoch massiv unterfinanziert. Das System der KiBiz-Kopfpauschalen führt zu einer unsicheren Finanzierungsbasis der Einrichtungen und fängt die tatsächlich anfallenden Kosten des Betriebes nicht auf.

 

Auch die Kindertagespflege, die vor allem für Unterdreijährige eine wichtige Rolle bei der Erfüllung des Rechtsanspruchs spielt, ist vielerorts unterfinanziert. Um allen Kindern das individuelle Recht auf frühkindliche Bildung zu ermöglichen, müssen in Nordrhein-Westfalen insgesamt 100.000 zusätzliche Plätze geschaffen werden.

 

Die Kitas und deren Träger stehen derzeit unter einem zusätzlichen Druck. Die infolge des Ukrainekrieges rasant gestiegenen Energiekosten und die aktuellen inflationsbedingten hohen Tarifabschlüsse belasten enorm das Budget der Träger.

 

Forderungen:

 

  • Eine kurzfristige, umfassende Reform des KiBiz, die den Trägern durch eine Sockelfinanzierung Planungssicherheit gibt, Tarifsteigerungen frühzeitig abbildet und Qualitätsstandards für die frühkindliche Bildung und die zukunftsfeste Weiterentwicklung der Kita-Landschaft in NRW festlegt.
  • Eine gesetzliche Verankerung der Alltagshelfer:innen im KiBiz, die deren Finanzierung dauerhaft sicherstellt, neue berufliche Perspektiven schafft und die Kitas spürbar entlastet.
  • Die sofortige Abschaffung der Elternbeiträge und eine schrittweise Befreiung von den Kosten zur Frühstücks- und Mittagsverpflegung. Über einen gebührenfreien Zugang können alle Kinder ihr Recht auf Bildung wahrnehmen.
  • 100.000 zusätzliche Betreuungsplätze zur Erfüllung des Rechtsanspruchs auf frühkindliche Bildung.
  • Ohne eine Personaloffensive für mehr Erzieher:innen wird es nicht mehr funktionieren. Das setzt die Sicherstellung der Tarifbindung voraus, die den Beruf wertschätzt und insgesamt attraktiver macht. Dazu gehört, dass alle Formen der Ausbildung von Beginn an vergütet werden müssen und dass Aufstiegsmöglichkeiten bestehen.
  • Ein Maßnahmenpaket zur Unterstützung der Kitas und der Kindertagespflege bei der Bewältigung der gestiegenen Energiekosten und inflationsbedingten hohen Kosten für Lebensmittel etc.

 

3. Schulische Bildung

 

a) Grundschulen

 

Grundschulen legen das Fundament für den schulischen Werdegang unserer Kinder und sind maßgeblich für ihre individuelle Entwicklung verantwortlich. Grundschulen sind echte Gesamtschulen im Sinne ihrer Inklusions- und Integrationsarbeit. Hier kommen alle Kinder, unabhängig des Elternhauses, der Herkunft und des Wohnortes zusammen. Grundschulen stehen vor der Herausforderung gemeinsam mit Kommunen und Trägern den Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz ab 2026 zu erfüllen. Mehr als 200.000 zusätzliche Plätze werden hier benötigt. Das Land versäumt es bislang hier geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen.

 

Forderungen:

 

  • Deutliche Aufstockung des Personals aller pädagogischen Berufe an Grundschulen in NRW, einschließlich der Lehrkräfte, der Schulsozialarbeiter:innen, der Sonderpädagog:innen und weiterem unterstützendem Fachpersonal, um eine optimale Betreuung und Bildung der Kinder sicherzustellen. Multiprofessionelle Teams sollen in ihrer Arbeit gestärkt werden.
  • Die Einführung verbindlicher Grundschulbezirke in NRW, um Segregation zu verhindern und eine gleichmäßige Verteilung von Ressourcen und Bildungschancen im Sinne von mehr Chancengleichheit zu gewährleisten.
  • Ein Qualitätsgesetz für den Ganztagsanspruch schnellstmöglich zu verabschieden, in dem Erwartungen an die personelle und räumliche Ausstattung des Ganztages geklärt werden und an dem sich die finanzielle Förderung des OGS-Ausbaus durch das Land orientiert.
  • Eine Personaloffensive für den Ganztag eng verzahnt mit dem Bereich der frühkindliche Bildung aufzulegen, um die personellen Voraussetzungen für den Rechtsanspruch zu schaffen.
  • Im Zuge des Ganztagsausbaus eine flächendeckende Etablierung von Familiengrundschulzentren bis 2027 an allen Grundschulen im ganzen Land, um gleiche und faire Bildungschancen für alle Kinder zu gewährleisten. Dies führt zum Abbau von Hürden und zur Bündelung von Förder-, Informations- und Hilfsangeboten an einem Ort.

 

b) Sekundarstufe I:

 

Die Gestaltung des Übergangs von der Grundschule zur weiterführenden Schule und die Vielfalt der Schulformen spielen eine maßgebliche Rolle bei der Bildungsgerechtigkeit und der individuellen Förderung unserer Schüler:innen.

 

Forderungen:

 

  •  Schulformwechsel nur auf ausdrücklichem Wunsch der Eltern. Ein sogenanntes „Abschulen“ nach unten lehnen wir ab.
  • Die Stärkung von Gesamtschulen und Sekundarschulen. Gesamtschulen und Sekundarschulen bieten eine integrative Lernumgebung, in der Schüler:innen mit unterschiedlichen Fähigkeiten gemeinsam lernen können.
  • Realschulen nur noch mit regulärem Hauptschulbildungsgang.
  • Inklusion muss auch an Gymnasien aktiv stattfinden.
  • Ermöglichen, dass Verbundschulen (Gymnasium/Gesamtschulen) gegründet werden können, um das Beste an Chancen wie Erfahrungen aus beiden Systemen zu bündeln.

 

c) Offensive gegen Lehrkräftemangel – Lehrämter attraktiv machen

 

Nach jüngsten Zahlen des Schulministeriums fehlen an öffentlichen Schulen in NRW rund 6.700 Lehrkräfte. Mehr als ein Drittel der fehlenden Stellen betreffen dabei Grundschulen. Außerdem werden bis zum Jahr 2030 zwei Drittel der erforderlichen MINT-Lehrkräfte nicht zur Verfügung stehen. Vor dem Hintergrund einer wachsenden Anzahl von Schüler:innen im NRW-Schulsystem werden sich die Folgen des Lehrkräftemangels ohne einer Vielzahl effektiver Gegenmaßnahmen weiter verschärfen.

 

Forderungen:

 

  • Eine Ausbau-Offensive von Studienplätzen für die Lehrämter, Sonder- und Sozialpädagogik, die eine Prüfung der aktuellen Zugangsvoraussetzungen mit einschließt.
  • Die stärkere Einbeziehung der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in die Lehrkräfteausbildung, insbesondere im MINT-Bereich.
  • Ein landesweites Monitoring der Lehramtsstudienplätze als zusätzliche Unterstützung, bedarfsgerecht Studienplätze anzupassen.
  • Eine Vereinfachung und Attraktivitätssteigerung des Seiteneinstieg über alle Schulformen.
  • Eine systematische Fortbildungsstrategie und ein Mentoring-Programm für Lehrkräfte aufzusetzen.
  • Die Gewinnung von mehr Lehrkräften für Schulen in herausfordernden Quartieren durch den zusätzlichen Einsatz eines Listenverfahrens und durch deutlich erhöhte Zulagen.
  • Durch Zahlung von Zulagen für Dienst in dauerhaft unterbesetzten Schulen.
  • Flexible Arbeitsmodelle für Lehrkräfte, insbesondere Teilzeitbeschäftigungen, zu erhalten. Keine Versetzungen wider Willen.

 

d) Praxisorientierte Bildung intensivieren

 

Schulen müssen Übergänge in eine akademische und berufliche Ausbildung gleichermaßen ermöglichen und früh vorbereiten. Angesichts des allgemeinen Fachkräftemangels brauchen wir eine stärkere praxisorientierte schulische Bildung unabhängig der Schulform.

 

Forderung:

 

  • Bessere Vorbereitung der Übergänge in handwerkliche und akademische Berufslaufbahnen an allen Schulformen, d.h. mehr praktische Unterrichtsinhalte in der Sekundarstufe I und die starken Angebote der Berufsorientierung an den Berufskollegs bereits in die Sekundarstufe I zu verlagern.

 

e) Sozialindex und Bildungsfinanzierung allgemein

 

Gute Bildung braucht eine verlässliche und auskömmliche Finanzierung. Der NRW-Schuletat stieg in 2023 nur unterdurchschnittlich im Vergleich zur Steigerungsrate des Gesamthaushaltes. Bei seinen Schulausgaben ist NRW mit seinen Pro-Kopf-Ausgaben von 7.500 Euro in Relation der Bundesländer eines der Schlusslichter. Im OECD-Vergleich liegt auch die Bundesrepublik mit 30 Milliarden Euro unter dem Durchschnitt der Bildungsausgaben der anderen Länder.

Von den mehr als 5000 öffentlichen Schulen in NRW haben über die Hälfte einen erhöhten, akuten Sanierungsbedarf. Es darf nicht sein, dass die Finanzkraft einer Kommune Auswirkungen auf  die Bildungschancen unserer Kinder hat. Bildungsgerechtigkeit darf sich nicht nach der Postleitzahl entscheiden.

Schule ist zudem in den letzten Jahren neben der Vermittlung von Wissen immer mehr zu einem sozialen Lebensraum geworden. Schulsozialarbeit, Inklusion, Digitalisierung, OGS-Ausbau, und jüngst die Corona-Pandemie und die Integration von Flüchtlingskindern sind Aufgaben, die die Schulen bewältigen müssen. Allerdings ist die Systematik unserer Bildungsfinanzierung den wachsenden Aufgaben nicht gefolgt.

 

Forderungen:

 

  • Einen stetigen bedarfsgerechten Zuwachs der Haushaltsmittel für Bildungsausgaben.  Sie müssen jährlich mindestens so steigen, wie insgesamt der Landeshaushalt wächst. Eine unterproportionale  Steigerungsrate ist angesichts der vielfältigen Herausforderungen, denen sich unser Bildungssystem gegenübersieht, nicht akzeptabel.
  • Ein schuleigenes Budget (wie das Fortbildungsbudget), um z.B. mit allen Kinder, auch mit denen, deren Eltern dies nicht finanziell tragen können, außerschulische Lernorte besuchen zu können.
  • Ein Sofortprogramm des Landes zur Behebung des Investitionsrückstandes an unseres Schulen bis 2030 in Höhe von 30 Milliarden Euro. Damit muss jenen finanzschwachen Kommunen geholfen werden, die aus eigenen Mitteln die Erneuerung ihrer schulischen Infrastruktur nicht leisten können.
  • Einen New Deal in der Bildungsfinanzierung, der die Kompetenz- und Verantwortungsverflechtungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen transparenter gestaltet und insgesamt eine effizientere und zielgenauere Steuerung der Bildungsausgaben ermöglicht. Das Land NRW muss eine entsprechende Bundesratsinitiative auf den Weg bringen, damit der Bund und die Länder dazu in Gespräche treten. In einem ersten Schritt jedoch muss die Finanzierungssystematik zwischen Land und Kommunen in NRW in Fragen der Bildungsfinanzierung auf den Prüfstand.
  • Eine Nachbesserung des Sozialindexes, sowohl finanziell als auch in seiner Lenkungswirkung, um die Mittel bedarfsgerecht zu steuern. So kann Bildungsgerechtigkeit vorangebracht werden, indem zusätzliche Mittel sowie mehr Lehr- und multiprofessionelle Fachkräfte für zusätzlichen Unterstützungsbedarf dorthin gehen, wo sie infolge des sozioökomischen Kontextes am ehesten gebraucht werden. Die Schulen der Standortstufen 4-9 müssen dabei mindestens mit 20% mehr Personal ausgestattet werden.
Empfehlung der Antragskommission:
Annahme
Beschluss: Annahme
Text des Beschlusses:

1. Bildungskatastrophe abwenden und eine Bildungsoffensive starten

Die Politik ist gefordert, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, damit Beste Bildung für alle und Chancengleichheit möglich ist. Bildung ist der Schlüssel zur Welt, sie macht uns zu kritikfähigen, mündigen und freien Menschen und ist die Basis für soziale Teilhabe und eine solidarische Gesellschaft. Bildung ist die Grundvoraussetzung für ein gutes und erfüllendes Leben, ein Aufstiegsversprechen und das Fundament für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Und sie kann nicht zuletzt auch die Resilienz gegen demokratiegefährdende, populistische Bewegungen stärken.

Dabei war uns immer bewusst, die soziale Herkunft darf nicht über die Bildungschancen der Menschen entscheiden. Jedes Kind ist gleich viel wert und keines darf im Bildungsprozess zurückgelassen werden.

Die Corona-Pandemie, aber auch die jüngsten Ergebnisse des IQB-Bildungstrends und der IGLU-Studie zeigen uns unmissverständlich die Missstände unseres Schulsystems auf. Die betroffenen Kinder tragen diese (Leistungs-) Defizite als schwere Hypothek mit sich und werden enorme Probleme haben, ohne besondere Förderung diese Defizite auszugleichen. Der eklatante Lehrkräftemangel, dadurch bedingter Unterrichtsausfall, überfüllte Klassen, die Zunahme von psychosozialen Belastungssymptomen bei Schüler:innen und Lehrkräften, marode Schulgebäude, eine defizitäre digitale Infrastruktur und die chronische Unterfinanzierung unseres Bildungssystems sind wesentliche Ursachen für diese über Jahre dramatischer gewordene Situation. NRW befindet sich inmitten einer Bildungskatastrophe. Dies betrifft nicht alleine die schulische oder berufliche Bildung. Auch für den Bereich frühkindlicher Bildung lautet der Befund ähnlich.

Forderungen:

  • Wir müssen jetzt kurzfristig alle Kräfte und Ressourcen bündeln, um die Bildungskatastrophe zu bewältigen und unsere frühkindlichen Bildungsstrukturen und das Schulsystem langfristig für die Zukunft auf feste, sichere Beine zu stellen.
  • Bildung muss in unserem Land wieder absolute Priorität erfahren und ganz oben auf der politischen Handlungsagenda stehen. Wir brauchen  einen breiten politischen und gesellschaftlichen Konsens für eine nachhaltig wirksame Bildungsoffensive.

2. Frühkindliche Bildung

Die rund 10.000 Kitas in NRW leisten trotz enormen Fachkräftemangels eine hervorragende pädagogische Arbeit. Mit viel Engagement der Erzieher:innen sind sie das wesentliche Element der Kinderbetreuung und frühkindlichen Bildung in NRW. Dieses individuelle Recht des Kindes ermöglicht vielen Eltern erst die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Kitas in NRW sind jedoch massiv unterfinanziert. Das System der KiBiz-Kopfpauschalen führt zu einer unsicheren Finanzierungsbasis der Einrichtungen und fängt die tatsächlich anfallenden Kosten des Betriebes nicht auf.

Auch die Kindertagespflege, die vor allem für Unterdreijährige eine wichtige Rolle bei der Erfüllung des Rechtsanspruchs spielt, ist vielerorts unterfinanziert. Um allen Kindern das individuelle Recht auf frühkindliche Bildung zu ermöglichen, müssen in Nordrhein-Westfalen insgesamt 100.000 zusätzliche Plätze geschaffen werden.

Die Kitas und deren Träger stehen derzeit unter einem zusätzlichen Druck. Die infolge des Ukrainekrieges rasant gestiegenen Energiekosten und die aktuellen inflationsbedingten hohen Tarifabschlüsse belasten enorm das Budget der Träger.

Forderungen:

  • Eine kurzfristige, umfassende Reform des KiBiz, die den Trägern durch eine Sockelfinanzierung Planungssicherheit gibt, Tarifsteigerungen frühzeitig abbildet und Qualitätsstandards für die frühkindliche Bildung und die zukunftsfeste Weiterentwicklung der Kita-Landschaft in NRW festlegt.
  • Eine gesetzliche Verankerung der Alltagshelfer:innen im KiBiz, die deren Finanzierung dauerhaft sicherstellt, neue berufliche Perspektiven schafft und die Kitas spürbar entlastet.
  • Die sofortige Abschaffung der Elternbeiträge und eine schrittweise Befreiung von den Kosten zur Frühstücks- und Mittagsverpflegung. Über einen gebührenfreien Zugang können alle Kinder ihr Recht auf Bildung wahrnehmen.
  • 100.000 zusätzliche Betreuungsplätze zur Erfüllung des Rechtsanspruchs auf frühkindliche Bildung.
  • Ohne eine Personaloffensive für mehr Erzieher:innen wird es nicht mehr funktionieren. Das setzt die Sicherstellung der Tarifbindung voraus, die den Beruf wertschätzt und insgesamt attraktiver macht. Dazu gehört, dass alle Formen der Ausbildung von Beginn an vergütet werden müssen und dass Aufstiegsmöglichkeiten bestehen.
  • Ein Maßnahmenpaket zur Unterstützung der Kitas und der Kindertagespflege bei der Bewältigung der gestiegenen Energiekosten und inflationsbedingten hohen Kosten für Lebensmittel etc.

3. Schulische Bildung

a) Grundschulen

Grundschulen legen das Fundament für den schulischen Werdegang unserer Kinder und sind maßgeblich für ihre individuelle Entwicklung verantwortlich. Grundschulen sind echte Gesamtschulen im Sinne ihrer Inklusions- und Integrationsarbeit. Hier kommen alle Kinder, unabhängig des Elternhauses, der Herkunft und des Wohnortes zusammen. Grundschulen stehen vor der Herausforderung gemeinsam mit Kommunen und Trägern den Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz ab 2026 zu erfüllen. Mehr als 200.000 zusätzliche Plätze werden hier benötigt. Das Land versäumt es bislang hier geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen.

Forderungen:

  • Deutliche Aufstockung des Personals aller pädagogischen Berufe an Grundschulen in NRW, einschließlich der Lehrkräfte, der Schulsozialarbeiter:innen, der Sonderpädagog:innen und weiterem unterstützendem Fachpersonal, um eine optimale Betreuung und Bildung der Kinder sicherzustellen. Multiprofessionelle Teams sollen in ihrer Arbeit gestärkt werden.
  • Die Einführung verbindlicher Grundschulbezirke in NRW, um Segregation zu verhindern und eine gleichmäßige Verteilung von Ressourcen und Bildungschancen im Sinne von mehr Chancengleichheit zu gewährleisten.
  • Ein Qualitätsgesetz für den Ganztagsanspruch schnellstmöglich zu verabschieden, in dem Erwartungen an die personelle und räumliche Ausstattung des Ganztages geklärt werden und an dem sich die finanzielle Förderung des OGS-Ausbaus durch das Land orientiert.
  • Eine Personaloffensive für den Ganztag eng verzahnt mit dem Bereich der frühkindliche Bildung aufzulegen, um die personellen Voraussetzungen für den Rechtsanspruch zu schaffen.
  • Im Zuge des Ganztagsausbaus eine flächendeckende Etablierung von Familiengrundschulzentren bis 2027 an allen Grundschulen im ganzen Land, um gleiche und faire Bildungschancen für alle Kinder zu gewährleisten. Dies führt zum Abbau von Hürden und zur Bündelung von Förder-, Informations- und Hilfsangeboten an einem Ort.

b) Sekundarstufe I:

Die Gestaltung des Übergangs von der Grundschule zur weiterführenden Schule und die Vielfalt der Schulformen spielen eine maßgebliche Rolle bei der Bildungsgerechtigkeit und der individuellen Förderung unserer Schüler:innen.

Forderungen:

  •  Schulformwechsel nur auf ausdrücklichem Wunsch der Eltern. Ein sogenanntes „Abschulen“ nach unten lehnen wir ab.
  • Die Stärkung von Gesamtschulen und Sekundarschulen. Gesamtschulen und Sekundarschulen bieten eine integrative Lernumgebung, in der Schüler:innen mit unterschiedlichen Fähigkeiten gemeinsam lernen können.
  • Realschulen nur noch mit regulärem Hauptschulbildungsgang.
  • Inklusion muss auch an Gymnasien aktiv stattfinden.
  • Ermöglichen, dass Verbundschulen (Gymnasium/Gesamtschulen) gegründet werden können, um das Beste an Chancen wie Erfahrungen aus beiden Systemen zu bündeln.

c) Offensive gegen Lehrkräftemangel – Lehrämter attraktiv machen

Nach jüngsten Zahlen des Schulministeriums fehlen an öffentlichen Schulen in NRW rund 6.700 Lehrkräfte. Mehr als ein Drittel der fehlenden Stellen betreffen dabei Grundschulen. Außerdem werden bis zum Jahr 2030 zwei Drittel der erforderlichen MINT-Lehrkräfte nicht zur Verfügung stehen. Vor dem Hintergrund einer wachsenden Anzahl von Schüler:innen im NRW-Schulsystem werden sich die Folgen des Lehrkräftemangels ohne einer Vielzahl effektiver Gegenmaßnahmen weiter verschärfen.

Forderungen:

  • Eine Ausbau-Offensive von Studienplätzen für die Lehrämter, Sonder- und Sozialpädagogik, die eine Prüfung der aktuellen Zugangsvoraussetzungen mit einschließt.
  • Die stärkere Einbeziehung der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in die Lehrkräfteausbildung, insbesondere im MINT-Bereich.
  • Ein landesweites Monitoring der Lehramtsstudienplätze als zusätzliche Unterstützung, bedarfsgerecht Studienplätze anzupassen.
  • Eine Vereinfachung und Attraktivitätssteigerung des Seiteneinstieg über alle Schulformen.
  • Eine systematische Fortbildungsstrategie und ein Mentoring-Programm für Lehrkräfte aufzusetzen.
  • Die Gewinnung von mehr Lehrkräften für Schulen in herausfordernden Quartieren durch den zusätzlichen Einsatz eines Listenverfahrens und durch deutlich erhöhte Zulagen.
  • Durch Zahlung von Zulagen für Dienst in dauerhaft unterbesetzten Schulen.
  • Flexible Arbeitsmodelle für Lehrkräfte, insbesondere Teilzeitbeschäftigungen, zu erhalten. Keine Versetzungen wider Willen.

d) Praxisorientierte Bildung intensivieren

Schulen müssen Übergänge in eine akademische und berufliche Ausbildung gleichermaßen ermöglichen und früh vorbereiten. Angesichts des allgemeinen Fachkräftemangels brauchen wir eine stärkere praxisorientierte schulische Bildung unabhängig der Schulform.

Forderung:

  • Bessere Vorbereitung der Übergänge in handwerkliche und akademische Berufslaufbahnen an allen Schulformen, d.h. mehr praktische Unterrichtsinhalte in der Sekundarstufe I und die starken Angebote der Berufsorientierung an den Berufskollegs bereits in die Sekundarstufe I zu verlagern.

e) Sozialindex und Bildungsfinanzierung allgemein

Gute Bildung braucht eine verlässliche und auskömmliche Finanzierung. Der NRW-Schuletat stieg in 2023 nur unterdurchschnittlich im Vergleich zur Steigerungsrate des Gesamthaushaltes. Bei seinen Schulausgaben ist NRW mit seinen Pro-Kopf-Ausgaben von 7.500 Euro in Relation der Bundesländer eines der Schlusslichter. Im OECD-Vergleich liegt auch die Bundesrepublik mit 30 Milliarden Euro unter dem Durchschnitt der Bildungsausgaben der anderen Länder.

Von den mehr als 5000 öffentlichen Schulen in NRW haben über die Hälfte einen erhöhten, akuten Sanierungsbedarf. Es darf nicht sein, dass die Finanzkraft einer Kommune Auswirkungen auf  die Bildungschancen unserer Kinder hat. Bildungsgerechtigkeit darf sich nicht nach der Postleitzahl entscheiden.

Schule ist zudem in den letzten Jahren neben der Vermittlung von Wissen immer mehr zu einem sozialen Lebensraum geworden. Schulsozialarbeit, Inklusion, Digitalisierung, OGS-Ausbau, und jüngst die Corona-Pandemie und die Integration von Flüchtlingskindern sind Aufgaben, die die Schulen bewältigen müssen. Allerdings ist die Systematik unserer Bildungsfinanzierung den wachsenden Aufgaben nicht gefolgt.

Forderungen:

  • Einen stetigen bedarfsgerechten Zuwachs der Haushaltsmittel für Bildungsausgaben.  Sie müssen jährlich mindestens so steigen, wie insgesamt der Landeshaushalt wächst. Eine unterproportionale  Steigerungsrate ist angesichts der vielfältigen Herausforderungen, denen sich unser Bildungssystem gegenübersieht, nicht akzeptabel.
  • Ein schuleigenes Budget (wie das Fortbildungsbudget), um z.B. mit allen Kinder, auch mit denen, deren Eltern dies nicht finanziell tragen können, außerschulische Lernorte besuchen zu können.
  • Ein Sofortprogramm des Landes zur Behebung des Investitionsrückstandes an unseres Schulen bis 2030 in Höhe von 30 Milliarden Euro. Damit muss jenen finanzschwachen Kommunen geholfen werden, die aus eigenen Mitteln die Erneuerung ihrer schulischen Infrastruktur nicht leisten können.
  • Einen New Deal in der Bildungsfinanzierung, der die Kompetenz- und Verantwortungsverflechtungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen transparenter gestaltet und insgesamt eine effizientere und zielgenauere Steuerung der Bildungsausgaben ermöglicht. Das Land NRW muss eine entsprechende Bundesratsinitiative auf den Weg bringen, damit der Bund und die Länder dazu in Gespräche treten. In einem ersten Schritt jedoch muss die Finanzierungssystematik zwischen Land und Kommunen in NRW in Fragen der Bildungsfinanzierung auf den Prüfstand.
  • Eine Nachbesserung des Sozialindexes, sowohl finanziell als auch in seiner Lenkungswirkung, um die Mittel bedarfsgerecht zu steuern. So kann Bildungsgerechtigkeit vorangebracht werden, indem zusätzliche Mittel sowie mehr Lehr- und multiprofessionelle Fachkräfte für zusätzlichen Unterstützungsbedarf dorthin gehen, wo sie infolge des sozioökomischen Kontextes am ehesten gebraucht werden. Die Schulen der Standortstufen 4-9 müssen dabei mindestens mit 20% mehr Personal ausgestattet werden.
Beschluss-PDF: