Ar-03 Partei der Arbeit

Wir leben in Zeiten des Wandels. Keine andere Partei trägt aber den Wandel so tief in ihren Wurzeln wie die SPD. Entstanden aus einer Bewegung, die das eigene Schicksal in tiefgreifender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Umwälzung selbst in die Hand nimmt, ist es auch jetzt Zeit das Zaudern abzulegen und die Zeit des Wandels für eine Neuerfindung der Sozialdemokratischen Bewegung zu nutzen. Sich seiner eigenen Wurzeln zu vergewissern, heißt dann das Kernanliegen der SPD, die gute Arbeit, ins Zentrum unserer Politik zu stellen.

 

Deregulierung stoppen

 

Selbstkritisch stellen wir fest, dass die SPD durch ihr politisches Handeln im Rahmen der Agenda 2010 zwar zur Schaffung von Arbeit, jedoch nicht zur Schaffung guter Arbeit beigetragen hat. In der Vergangenheit kam es zum Vordringen von Marktkräften, die sicher geglaubte Festungen in Frage stellten. Durch staatliche Förderung von Beschäftigungsverhältnissen, die nur geringe arbeits- und sozialrechtlichen Schutz bieten, kam es zu einer indirekten Deregulierung von Arbeitsverhältnissen. Indem seitens des Staates angesichts der Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt zudem keine Regulierungen vorgenommen wurden, kam es darüber hinaus zu einer passiven Deregulierung und damit zur Ausbreitung von Zeitarbeit, geringfügiger Beschäftigung oder Solo-Selbstständigkeit. Schutzregeln, die durch die Arbeiterbewegung hart erkämpft wurden, gelten somit gerade an den Rändern bei wenig Organisierten, Jugendlichen und Frauen zunehmend nicht mehr.

Es ist Zeit diesen Trends den Kampf anzusagen und hierfür Annahmen in Frage zu stellen, die unser politisches Denken und Handeln bisher prägten. Um „die ökonomische Abhängigkeit des Arbeiters von dem Kapitalisten“ abzuschaffen, wie es schon das Eisenacher Programm von 1869 forderte, müssen wir zunächst feststellen, dass es zwar das Abhängigkeitsverhältnis jedoch weder den Arbeiter noch den Kapitalisten in dieser ursprünglichen Form in der Breite noch gibt. Bei der Arbeit 4.0 haben wir es mit einer Auflösung der Organisation zu tun. Die von uns oft angenommene technisch-organisatorischen Einheit des Betriebes entwickelt sich zunehmend hin zu einem digital verbundenen Netzwerk. Ebenso löst sich die Bindung zwischen dem der „Arbeit gibt“ und dem der „Arbeit nimmt“ in der Tendenz auf. Grundsätzlich lässt sich eine bipolare Einteilung in Arbeitgeber und Arbeitnehmer langfristig kaum mehr aufrechterhalten. Wir haben es mit globalen Wertschöpfungsketten und Digitalen Plattformen zu tun, die zunehmend zu einer Anonymisierung von Arbeitgebern führen.

 

 

Solidarität 4.0

 

Wesentlicher materieller Schutz und kollektive Vertretung, die wir gemeinsam mit den Gewerkschaften erkämpften, hängen demgegenüber jedoch an einem veralteten Arbeitnehmerbegriff.  Er geht von einer „Weisungsgebundenheit“ und einem „Direktionsrecht des Arbeitgebers“ sowie einer „persönlichen Abhängigkeit“ aus, die ihren Ursprung in einer kapitalistischen Industriegesellschaft hat. Wenn aber immer mehr Menschen in einer digitalisierten Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft in diesem Sinne den Status des Arbeitnehmers oder abhängig Beschäftigten nicht mehr erfüllen, haben wir ein Schutz- und Solidaritätsproblem.

Wir werden daher die Rechte, die Arbeitnehmende heute haben für die Zukunft ausweiten, sichern und gute Arbeit schaffen. Hierfür werden wir:

  • den Begriff des Arbeitnehmers ausweiten, so dass mehr Personen durch die Rechte geschützt werden, die an diesem hängen. Arbeitnehmer könnte sein, wer sachlich oder wirtschaftlich abhängig ist. So wird er auch auf die ausgeweitet, die nicht in diesem Sinne persönlich abhängig sind. Der Schutz, der mit dem Arbeitnehmerbegriff verbunden ist, wird somit massiv ausgeweitet.
  • den Begriff der „arbeitnehmerähnlichen Person“ ausweiten. Als diese könnte gelten, wer 25% seiner Aufträge von einem Auftraggeber erhält. Somit würden die Schutzrechte auf wesentlich mehr Personen ausgeweitet werden.
  • den Begriff der Selbstständigkeit eindeutig definieren. Selbstständig sind nur noch all diejenigen, die ihre Arbeit z.B. mit Blick auf ihre Arbeitszeit oder Preisgestaltung wirklich frei gestalten können
  • Rechte und Schutznormen ausweiten, die unabhängig vom Arbeitenden sind. Gerade in Bezug auf den Datenschutz werden wir das Verursacherprinzip als Grundsatz einführen. Zudem wollen wir mit der Einrichtung von Langzeitkonten auch dafür sorgen, dass Rechte und Ansprüche bei einem Wechsel des Arbeitgebers nicht verloren gehen und mitgenommen werden können.
  • einen neuen Betriebsbegriff anhand von Wertschöpfungsketten definieren und so Betriebsräte anhand von logistischen Ketten organisieren. Wir werden dabei im Dialog mit den Gewerkschaften sein, um gemeinsam die Herausforderung gewerkschaftlicher Arbeit in so entstehenden neuen Strukturen zu meistern. Auf diese Weise kann die Mitbestimmung auch angesichts von international agierenden Unternehmen ausgebaut werden und der Kampf für gute Löhne mit noch mehr Wirkung geführt werden. Es wird die Grundlage geschaffen wie gewerkschaftliche Arbeit auch in einer veränderten Arbeitswelt mit großer Schlagkraft geleistet werden kann.

 

Gute Arbeit nur international

 

Plattformarbeit bietet gerade auch in seiner internationalen Dimension noch einmal besondere Herausforderungen. Um diesen zu begegnen werden wir:

  • ein verpflichtendes Bestellerprinzip einführen. Es soll das Recht gelten, das im Land des Auftragsgebers gilt, also auch die geltenden Standards für den Lohn, die steuerliche Behandlung und das Arbeitsrecht.
  • nach dem Vorbild des IAO-Seearbeitsübereinkommens von 2006 ein IAO-Übereinkommen zur Plattformarbeit in internationalem Maßstab verhandeln.

 

Internationale Arbeit kann nur dann gut sein, wenn sie menschenwürdig ist. Dass global agierende Unternehmen, aber auch lokal agierende Unternehmen in den Partnerländern der Außenpolitik, diese Menschenwürde an vielen Stellen mit Füßen treten, findet als international ausgerichtete Partei unseren erbitterten Widerstand. Nach dem Vorbild von Frankreich werden wir Unternehmen in die Verantwortung zwingen:

  • mit der Einführung eines verbindlichen Gesetzes werden wir Unternehmen gesetzlich zur Achtung der Menschenrechte und der Umwelt, auch in ihren Tochterunternehmen und Lieferketten zwingen.

 

Auch wenn diese Schritte keinesfalls abschließend sind und wir in weiteren Bereichen mutig voranschreiten, werden wir mit diesen Maßnahmen Errungenschaften der Vergangenheit in die Zukunft fortschreiben und ausbauen. Indem wir den tiefen Wandel anerkennen, der die grundsätzliche Arithmetik von Arbeitenden und Arbeitgebenden verschiebt und darauf reagieren, gehen wir den ersten Schritt das zu tun, was wir am besten können: Wandel gestalten

Empfehlung der Antragskommission:
Erledigt
Version der Antragskommission:

Erledigt durch Annahme von L-01