- Bestehende familienpolitische und sozialpolitische Maßnahmen im Rahmen eines evidenzbasierten Pilotprojektes daraufhin zu überprüfen, inwiefern diese den Fortbestand der geschlechterspezifischen Arbeitsteilung absichern und damit einer partnerschaftlichen Familienphase im Weg stehen. Dies gilt auch mit Bezug auf benachbarte Politiksujets wie der Arbeits- und Sozialpolitik.
- Die erreichten familienpolitischen Erfolge bei der Beteiligung von Vätern offensiv als Investitionen in den Berufsweg und Karrierechancen der Mütter zu kommunizieren und die Idee einer partnerschaftlichen Aufteilung von Kindererziehung und Haushaltsführung kulturell zu verankern. Dies schließt im Rahmen von geschlechtsspezifischem Förder- und Entwicklungsmaßnahmen für Frauen auch in der Arbeitswelt, etwa mit Blick auf den Berufswiedereinstieg, mit ein.
- Sich zu einem symmetrischen Elterngeld-Grundmodell zu bekennen, in dem vorgesehen ist, dass beide Elternteile die gleiche Anzahl von Elternmonaten nehmen. Auf dem Weg dorthin sollten die partnerschaftlich nutzbaren Elterngeldmonate („Partnermonate“) schrittweise erhöht werden. In diesem Zuge sollten auch die Partnerschaftsbonus-Monate in den Blick genommen werden. Gegebenenfalls sollte mit Bezug auch letztere klare zielorientierte Nutzungsbedingungen formuliert werden, die die Vermeidung längerer Nichterwerbstätigkeit von Müttern in den Blick nimmt.
- Bestehende Informations- und Beratungsangebote auszuweiten, über die die Vorteile der Väterbeteiligung am Elterngeld stärker beworben werden, und gleichzeitig Arbeitgebende über die Vorteile zum Beispiel von phasenweiser Teilzeitarbeitsmöglichkeiten spezifisch für Väter informiert und beraten werden, um die kulturelle Akzeptanz ebendieser zu erhöhen. Dies schließt die weitere Normalisierung der Beteiligung von Vätern am Elterngeld und die Weiterentwicklung des hiermit in Verbindung stehenden Leitbildes ein.
- Einkommenseinbuße beim Bezug von Elterngeld, gerade für den – meist männlichen – besserverdienenden Elternteil zu begrenzen. Dies schließt insbesondere die Schließung der Gender Pay Gaps und die stabile und kontinuierliche Erwerbsintegration von Frauen ein.
- Den Zugang von Eltern mittleren und niedrigen Einkommens zu Elterngeld, kurzfristig auch durch eine (dynamische) Anhebung des Mindestbetrags des Basiselterngelds, sowie eine stärker bedarfsgerechte Förderung für Familien mit mehreren kleinen Kindern.
- Familienpolitische Maßnahmen auch mit Blick auf die folgenden Lebensjahre des Kindes in den Blick zu nehmen und bestehende Unterstützungslücken für Eltern mit Kindern im Schulalter zum Beispiel durch ein „Elterngeld Jugend“ zu schließen.
Das im Jahr 2007 eingeführte Elterngeld ist eine von Deutschlands erfolgreichsten und beliebtesten familienpolitischen Leistungen: So hatten vor der Einführung des Elterngelds der Anteil der Väter jahrelang stagniert und nur drei Prozent der Väter damals das sogenannte Erziehungsgeld in Anspruch genommen. Dies hat sich inzwischen geändert. Laut aktueller Zahlen nahmen im Jahr 2019 nunmehr 43 Prozent der Väter das Elterngeld in Gebrauch, heute sind es vermutlich noch mehr Väter.
Dem Anschein nach also eine kleine familienpolitische Kulturrevolution. In Wissenschaft und Medien werden jedoch jüngst Stimmen laut, die zwar die große Relevant des Elterngelds als familienpolitische Maßnahme betonen, aber Reformen fordern. Bis hin zu strukturellem Wandel im Bereich Geschlechtergerechtigkeit und die von Gesetzgebenden intendierte Erhöhung der Erwerbstätigkeit von Müttern sei es weiterhin ein weiter Weg. So ist der Anteil an Familien, in denen alleine die Mutter Elterngeldmonate in Anspruch nimmt, statistisch immer noch am größten. Nehmen beide Eltern das Elterngeld in Anspruch, nehmen die meisten Väter nur das gesetzlich vorgesehene Minimum von zwei Monaten.
Auch bleiben die Auswirkungen von Elternzeit auf den Arbeitsmarkterfolg von Frauen gravierend, so etwa mit Blick auf das Berufsprestige von Frauen – ganz im Gegensatz zu der Karriere von Männern, die mit der Elternzeit von Männern keinen Schaden nimmst, sondern sogar mit Berufsprestige verbunden ist. Gleichzeitig bleibt die Hauptlast bei Kinderbetreuung und Hausarbeit weiterhin bei Frauen.
Die Friedrich Ebert Stiftung (FES, 2022) folgert in ihrer jüngsten Studie, dass „wir trotz allen Errungenschaften auch 2022 von einer egalitären Arbeitsteilung und gleichberechtigten Nutzung des Elterngeldes weit entfernt sind.“ Maßnahmen, die den derzeitigen Herausforderungen wirksam entgegenwirken sollen, nimmt die Bundesregierung bereits in den Blick: so hat sie sich für das Jahr 2030 zum Ziel gesetzt, dass 65 Prozent aller Väter Elterngeld in Anspruch nehmen sollen. Auch die FES spricht konkrete Empfehlungen für Reformen aus, die auf eine „stärkere partnerschaftliche Aufteilung der Elterngeldmonate“ abzielen und die auch kulturell verankert werden müssten – in Familienhaushalten wie in der Arbeitswelt: So bestehe großer Nachholbedarf mit Blick auf den beruflichen Wiedereinstieg von Frauen und beruflichen Förder- und Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen in der Arbeitswelt verknüpft.