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L-01 Unser Weg in NRW: Rot Pur! Eine neue Idee für Nordrhein-Westfalen. Das bessere Morgen solidarisch gestalten

11.07.2019

1. Einleitung

 

Das Ziel der Sozialdemokratie war immer: Das bessere Morgen. Wir wollen den Fortschritt gestalten. Einen Fortschritt, der nicht mehr Macht oder mehr Reichtum für Wenige bedeuten darf, sondern zu sozialem Fortschritt für alle werden muss. Diesem Anspruch wollen wir neu gerecht werden. Eine grundlegende, begründete Zuversicht für die eigene Zukunft ist aber Bedingung dafür, Veränderungen nicht zu fürchten, sondern sie zu begrüßen. Die zweite Bedingung dafür, Veränderungen offen gegenüberzustehen, ist das Vertrauen in die handelnden politischen Akteure, dass sie notwendigen Wandel im Interesse der Menschen gestalten. Hierfür müssen wir erkennbar machen, dass wir diese Interessen wahrnehmen, verstehen und ernstnehmen, indem wir sie aktiv vertreten.

 

Die Sozialdemokratische Partei ist als Partei der Arbeit in Zeiten paralleler Umbrüche doppelt gefordert. Zum einen ist „die Arbeit“, als Schlüssel zu einem guten, gelingenden und vor allem selbstbestimmten Leben in den vergangenen Jahrzehnten einem massiven Umbruch unterworfen. Neue Beschäftigungsformen, mehr Befristungen, Wandel des Erwerbslebens, Veränderungen der zeitlichen Souveränität vieler Beschäftigten angesichts hoher Überstundenzahlen und digitaler Arbeitsformen auf der einen Seite. Aber auch die Verschiebung politischer Gewichte auf der Welt hin zu China oder wenigen digitalen Megakonzernen in den USA, die weltweiten Auswirkungen der Digitalisierung – all dies beschleunigt den Umbruch und erzeugt nicht nur Zuversicht, sondern auch neue Fragen und löst Ängste aus.

 

Gerade jetzt heißt es für die SPD, den gleichen, gerechten Zugang zur Arbeit für alle Menschen sicherzustellen und durch die Stärkung des Gedankens der Solidarität neue Sicherheit im Wandel zu geben. Wir sind überzeugt: Neue Sicherheit im Wandel entsteht durch mehr Solidarität aller. Mehr Solidarität entsteht durch massive Investitionen in den gesellschaftlichen, sozialen Zusammenhalt, die Stärkung solidarischer Sicherungssysteme in Rente, Gesundheit und Arbeit.

 

Die Sozialdemokratie leitet der Gedanke eines zukunftszuversichtlichen Blicks auf die kommende Welt. Wir wissen, dass Herausforderungen durch Fortschritt zu lösen sind und anstehende Veränderungen der Welt Verbesserungen bedeuten können. Doch hierfür müssen wir etwas tun, gemeinsam und solidarisch streiten. Wir dürfen das Feld nicht länger den anderen überlassen. Für die SPD in Deutschland geht es um viel. Wir haben mit dem Europawahlergebnis vom Mai mit 15,8 Prozent von den Wählerinnen und Wählern aufgezeigt bekommen, dass ein „Weiter so“ den Abschied von der Volkspartei SPD bedeutet. Neben einer missglückten Kampagne zur Europawahl liegen die Probleme sehr viel tiefgreifender. Es ist an der Zeit für die SPD zu entscheiden, welche Interessen sie vertritt.

 

Im Juni 2019 haben wir zwei Stichwahlen und somit die Bürgermeisterwahlen sowohl in Lage als auch in Stollberg gewonnen. Das zeigt, da wo sich die SPD um die täglichen Dinge der Menschen vor Ort kümmert, stellt sich auch der Erfolg wieder ein. Deswegen gehen wir selbstbewusst in die Kommunalwahl 2020.

 

Und selten war eine starke Sozialdemokratie auf dem Platz wichtiger als heute. Doch wir brauchen die Klärung grundlegender inhaltlicher Fragen, dies haben wir auch bei der verlorenen Landtagswahl 2017 gemerkt. Daher haben wir uns auf dem letzten Landesparteitag auf den Weg gemacht, um mit unserem Prozess Rot-Pur den zukünftigen Weg der NRWSPD zu beschreiben und klare inhaltliche Positionen zu entwerfen. Denn in der Gesellschaft ist etwas ins Rutschen gekommen:

 

In Nordrhein-Westfalen müssen auch heute noch zu viele Menschen um ihre soziale Zukunft bangen, während wenige durch hohe Einkommen und Vermögen umfassend abgesichert sind. Vielen fehlt es an bezahlbarem Wohnraum, während wenige sich luxuriöses Wohnen überall leisten können. Vielen fehlt Zeit für Familie und Erholung, weil sie für niedrige Einkommen viel und unter schlechten Bedingungen arbeiten müssen. Vielen fehlt eine sichere Rente, während nur wenige gelassen einem Alter im Überfluss entgegensehen können. Zu viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leiden unter niedrigen und unsicheren Löhnen, während wenige hochbezahlt werden. Viele leiden unter den Umweltproblemen, denen sich wenige durch ihre finanziellen Möglichkeiten entziehen können. Und nicht zuletzt sehen sich die Vielen, die jeden Tag hart für sich und ihre Familien arbeiten oder das gern täten, bei ihren Anstrengungen nicht gewürdigt und respektiert.

Die Zukunftsängste vieler Bürgerinnen und Bürger nehmen stetig zu und sind Auslöser für Abstiegsangst. „Hoffentlich geht es meinen Kindern mal besser“ wurde abgelöst durch „Hoffentlich wird es meinen Kindern nicht schlechter gehen.“

 

Und das alles in einer Lage, in der es Deutschland wirtschaftlich gut geht. Genauer muss man sagen, Deutschland geht es im Durchschnitt gut. Allerdings mit zunehmend ungleichen Voraussetzungen. Denn mit dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturwandel werden die Wirkungen von Globalisierung, Digitalisierung und demografischem Wandel immer offensichtlicher. In vielen Regionen NRWs verdichten sich mittlerweile wirtschaftliche, soziale und demografische Schieflagen zu einem Bündel von Problemen, während andere Regionen prosperieren.

 

Wir sind fest davon überzeugt, dass die Bekämpfung der sozialen Ungleichheit der Schlüssel zu einer lebenswerteren Gesellschaft ist. Gleichere Gesellschaften führen zu mehr Lebenszufriedenheit, geringeren Zukunftsängsten, weniger Kriminalität, einer gesünderen Bevölkerung, besseren Bildungschancen, geringerer Arbeitslosigkeit und größerem wirtschaftlichen Erfolg.

 

Doch der Zweck eines modernen Sozialstaats ist nicht in erster Linie, Reichtum umzuverteilen. Sein Zweck ist es, jedem Menschen soziale Rechte zu verleihen und Zugang zu öffentlichen (Dienst-)Leistungen zu verschaffen, die es ihm ermöglichen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

 

Selbstbestimmung ist die Fähigkeit, das Leben in die eigenen Hände zu nehmen.

Selbstbestimmung ist die höchste Form der Freiheit und steht dabei in klarer Abgrenzung zum aktuellen Begriff der „Eigenverantwortung“, die das Leben von Menschen allein der Logik des Marktes unterwirft. Wer jedes Risiko fürchten muss, weil jeder Fehler und jedes Unglück zu einer existenziellen Bedrohung werden, kann weder flexibel sein noch seine individuellen Möglichkeiten nutzen. Selbstbestimmung ist nur möglich, wenn es ausreichend soziale Sicherheit gibt, die es erlaubt, etwas zu wagen, Initiative zu ergreifen.

 

Das ist der Grund, warum wir von einem starken solidarischen Sozialstaat sprechen, nicht aus Selbstzweck, sondern zur Realisierung der Selbstbestimmung von Vielen und nicht nur der Wenigen.

 

Deshalb haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten immer die liberale Idee der Freiheit mit sozialer Emanzipation verbunden. Und dazu müssen wir uns den großen Fragen der Zeit zuwenden.

 

Wir erneuern unsere Zukunftsversprechen – Aufstieg durch Bildung, Arbeit, die sich lohnt, Absicherung im Alter. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten treten ein für den inneren und äußeren Frieden.

 

Und wir lassen nicht zu, dass Herkunft mehr über die Zukunft des Einzelnen aussagt als seine Persönlichkeit. Wir lassen nicht zu, dass gute Bildung von der Kita bis zur (Hoch-) Schule vom Geldbeutel der Eltern abhängt.

 

Lohnt sich harte Arbeit heute noch, wenn wir feststellen, dass die Reallöhne nicht in dem Maße wachsen wie die Mietpreise, dass Befristungen zunehmen, Leiharbeit und Werkverträge Geschäftsmodelle geworden sind? Bietet unser Sozialsystem noch eine tatsächliche Absicherung im Alter, in Notlagen oder im Krankheitsfall oder ist es mittlerweile statt eines Absicherungsversprechens zu einem Abstiegsgespenst verkommen?

 

Wir sind überzeugt, dass wir neue Antworten geben müssen, damit unsere Zukunftsversprechen in einer veränderten Welt wieder gelten. Dazu müssen sich nicht unsere Versprechen ändern, sondern wir müssen die Verhältnisse verändern.

 

Dafür müssen wir auch mit falschen Glaubenssätzen brechen, die die Sozialdemokratie von anderen übernahmen, die darum aber nicht richtiger wurden – im Gegenteil. Es war der falsche Glaube an den Markt, der es schon richten wird und es war die Übertreibung der Eigenverantwortung des Einzelnen in einer Zeit der Umbrüche, die am Ende Menschen alleingelassen hat. Die Ökonomisierung immer weiterer Lebensbereiche nimmt immer mehr zu. Wohnen – das wird der Markt schon richten. Wie er es richtet, können wir aktuell beobachten: Immer mehr Bürgerinnen und Bürger können sich ihre Wohnung nicht mehr leisten, aber die Rendite stimmt. Die Arbeitslosenquote sinkt seit Jahren, aber immer mehr Menschen sind in prekärer Beschäftigung gefangen.

 

Daher müssen wir als erstes dafür sorgen, dass der solidarische Staat wieder das gewährleistet, was wir Menschen für ein würdevolles Leben brauchen: Bezahlbares Wohnen, Mobilität in Stadt und Land, bezahlbare Gesundheitsversorgung und gute Bildung, Sicherheit für alle, faire Arbeit zu fairen Bedingungen.

 

Erkennbar wird aber eine Vision nicht aus der Summe der Einzelteile und auch nicht in der Summe der Einzelmaßnahmen von Regierungshandeln. Regierungshandeln und das Treffen notwendiger Kompromisse ist lebensnotwendig für unsere Demokratie. Aber vor einem Kompromiss steht die Artikulation der eigenen Interessen, genauer die Klarstellung, welche Interessen wir im Blick haben und nicht der vorab getroffene Kompromiss. Wir sprechen über die Bedürftigkeitsprüfung, aber eigentlich wollen wir doch eine Rente, die die Lebensrisiken eines jeden einzelnen absichert. Wir wollen die zahlreichen Ungerechtigkeiten unseres Steuersystems wirksam bekämpfen und insbesondere die Umverteilung von unten nach oben stoppen, aber wir reden davon, dass der Soli für die oberen 10 Prozent nicht abgeschafft wird. Die Aneinanderreihung von einzelnen Maßnahmen ergibt noch kein Konzept, sondern wirkt wie Stückwerk ohne Ziel.

 

Wir in Nordrhein-Westfalen haben uns daher beim letzten Parteitag im Juni 2018 auf den Weg gemacht. Wir entwickeln eine neue Idee für unser Land und ein echtes sozialdemokratisches Angebot für die Wählerinnen und Wähler, dieses Land voranzubringen, indem jeder die Solidarität des Gemeinwohls erlebt, nicht den kalten Staat, der sich nicht zuständig fühlt. Wir wollen den starken vorsorgenden Sozialstaat, der es mit den egoistischen Auswüchsen des Kapitalismus aufnehmen kann und keinen neoliberalen, kaputtgesparten Zwergenstaat. Wir wollen bedingungslose soziale Sicherheit für alle, damit Not nicht zum Ende individueller Träume führt. Wir wollen den proaktiven Staat, der eingreift, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist: Arbeitsversicherung statt Arbeitslosenversicherung, proaktive Stadtentwicklung für den sozialen Frieden und die Umsetzung unseres sozialdemokratischen Aufstiegsversprechens.

 

In den vier Zukunftsdebatten Zukunft der Arbeit, Aufstiegschancen, Soziale Sicherheit und Solidarische Gesellschaft haben wir gemeinsam mit dem ganzen Landesvorstand, der Landtagsfraktion und der Landesgruppe, den Unterbezirken und Ortsvereinen, mit Gewerkschaften, der Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Gruppen einen Dialog begonnen. In den Unterbezirken wurde über die wichtigen Fragen unserer Zeit diskutiert und um Lösungen gerungen. Wir sind die Hälfte der Strecke gegangen, in einigen Punkten sind wir schon sehr weit, andere müssen weiter ausformuliert werden. Hier wollen wir als NRWSPD auf dem Landesparteitag wichtige Weichenstellungen für die weitere Diskussion vornehmen. Auf diesem Wege schaffen wir das Fundament für unser Wahlprogramm 2022 mit einem klaren Profil für unsere NRWSPD.

 

Daneben haben zwei Kommissionen an Lösungen für die drängenden Probleme unserer Zeit gearbeitet: die Wohnungspolitische Kommission und die Rentenpolitische Kommission. Außerdem haben wir unsere Vorstellungen eines gerechten Steuersystems in Deutschland gezeichnet.

 

Und die AG „Beste Bildung NRW – ein Leben lang“ hat ihre Arbeit fortgesetzt und ein grundlegend neues Bildungskonzept für NRW vorgelegt, das wir nun gemeinsam debattieren wollen.

 

Nicht zuletzt hat die Kommunalkampa ihre inhaltlichen und organisatorischen Vorstellungen zur Vorbereitung auf die Kommunalwahlen im September 2020 in den letzten Monaten konkretisiert.

 

Sie hat zum letzten Parteitag mit den Kernthesen sozialdemokratischer Kommunalpolitik wertvolle Impulse für die kommunalpolitische Arbeit vor Ort geliefert und diese unter anderem in vier regionalen Veranstaltungen diskutiert und weiterentwickelt. Dies hilft den Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern konkret vor Ort bei der Programmerstellung.

 

Organisatorisch schafft der Landesverband gemeinsam mit den Unterbezirken und Kreisverbänden die Voraussetzungen dafür, dass die Kommunalwahlen erfolgreich sein werden. In der Landesgeschäftsstelle wird über eine Stabsstelle die Kommunalwahl der zentrale Arbeitsschwerpunkt der kommenden Monate werden und von den Unterbezirken kann im Verbund mit dem Land ebenfalls zusätzliches Personal eingestellt werden. Darüber hinaus hat der Landesvorstand bereits im Dezember 2018 zur Vorbereitung der Kommunalwahl weitere Beschlüsse gefasst, deren Umsetzung jetzt bis zum Landesparteitag vorbereitet wird.

 

Unser Ziel ist, die Kommunalwahlen 2020 als stärkste Kraft zu gewinnen. Platz 2 ist uns nicht genug!

 

Unser Weg lautet: Mehr Gemeinwohl, mehr Solidarität, Zeit für einen handlungsfähigen Sozialstaat, Zeit für Rot Pur!

 

1.1. Handlungsfähigkeit stärken – Solidarität erneuern: Für einen starken solidarischen Staat!

 

Die gerechte Finanzierung unseres Gemeinwohls ist die notwendige Bedingung für die Gestaltung der Zukunft der Arbeit, von Aufstiegschancen, sozialer Sicherheit und einer solidarischen Gesellschaft. Deshalb stellen wir unsere Vorstellung einer gerechten Steuerpolitik voran:

 

Wir wollen einen handlungsfähigen Staat, der nicht immer mehr öffentliche Aufgaben zum Privatvergnügen von wenigen Privilegierten umetikettiert, die sich Normalsterbliche nicht leisten können. Die Aussetzung der Vermögenssteuer und die drastische Senkung des Spitzensteuersatzes haben die wirklich Reichen entlastet. Die Einnahmenausfälle hat die große Mehrheit der Klein- und Mittelverdiener mit der erhöhten Mehrwertsteuer aufgefangen. Mega-Erbschaften sind dagegen praktisch von der Erbschaftsteuer befreit. Diese Privilegierung von Vermögenserwerb ohne eigene Leistung ist ein Schlag ins Gesicht für Millionen von Erwerbstätigen, die sich für den Lohn ihrer Arbeit abmühen und Steuern zahlen.

 

Dazu kommt, dass jedes Jahr ein dreistelliger Milliardenbetrag ins Ausland geschleust oder hier im Land selbst abgezweigt wird. Im Ergebnis zahlen auch hier die Normalverdienenden für einen kleinen Kreis von besonders Wohlhabenden mit. Damit muss Schluss sein!

 

Die SPD steht schon lange ein für die konsequente Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuervermeidung: Deshalb haben wir konkrete Schritte entwickelt, um Schlupflöcher zu schließen und Steuerbetrug wirksam zu bekämpfen. Wir in Nordrhein-Westfalen haben in unserer Regierungszeit bewiesen, dass vieles geht, wenn man es nur anpackt.

 

Wir wollen die Konservativen und Liberalen mit ihrem Mantra von der „Leistung, die sich wieder lohnen muss“ künftig noch konsequenter beim Wort nehmen und darüber streiten, wer alles zu den Leistungsträgern in unserem Land gehört – von der Pflegekraft über das Lehrpersonal bis zur Industriearbeiterin, vom Software-Entwickler bis zur Firmenchefin. Wir wollen aber auch für alle die Voraussetzungen schaffen, dass sie auch morgen ihre Leistung erbringen können und dafür fair bezahlt und fair besteuert werden.

 

Dazu brauchen wir dringend eine Neujustierung der geltenden Steuerregeln, auch jener, die wir einmal in bester Absicht mit auf den Weg gebracht haben. Zur Glaubwürdigkeit der Politik gehört auch die Fähigkeit zur Kurskorrektur in sich ändernden Zeiten. Wir stehen für die Rückgewinnung eines handlungsfähigen Staates, für die Investition in die Zukunft:

 

  • Wir stehen ein für ein gerechtes Steuersystem. Steuern sind kein Selbstzweck, sondern die Basis für einen handlungsfähigen Staat. Gerechtigkeit beginnt nicht beim Verteilen von Geldern, sondern bei den Einnahmen durch eine gerechte Steuer- und Finanzpolitik.
  • Wir wollen, dass der Grundsatz wieder gilt: Starke Schultern tragen mehr als schwache. Die Aussetzung der Vermögenssteuer und die drastische Senkung des Spitzensteuersatzes haben die wirklich Reichen entlastet. Die Einnahmenausfälle hat die große Mehrheit der Klein- und Mittelverdiener mit der erhöhten Mehrwertsteuer aufgefangen: Wir stehen für eine Erhöhung des Steuersatzes für sehr hohe Einkommen, für eine substanzielle Erbschaftsteuer für besonders hohe Erbschaften und eine wirklich Entlastung der unteren und mittleren Einkommen und effektive Maßnahmen gegen den Steuerbetrug und Steuerumgehung. Wir bekräftigen unsere Forderung nach einer Digitalsteuer und einer Finanztransaktionssteuer. Unseren Impuls für den Umbau des Steuersystems haben wir gemeinsam mit der SPD Hessen entwickelt, diesen schicken wir euch anbei.

 

Wie wir uns diese Kursneubestimmung konkret vorstellen, seht ihr in unserem Antrag L03 Handlungsfähigkeit stärken – Solidarität erneuern: Für einen starken solidarischen Staat!

 

1.2 Bezahlbarer und lebenswerter Wohnraum für alle Menschen in Nordrhein-Westfalen

 

Das aus unserer Sicht derzeit drängendste Problem, für das es politischer Antworten bedarf, ist ein völlig überforderter Wohnungsmarkt, der offensichtlich nicht in der Lage ist, das menschliche Bedürfnis nach einem bezahlbaren Zuhause zu erfüllen. Unter der Annahme, dass Menschen nicht mehr als 30 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Wohnen ausgeben sollen, fehlen in NRW je nach Untersuchungen bis zu 550.000 bezahlbare Wohnungen, das Wohnungsproblem ist in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen. Wegen der Dringlichkeit dieser Problemlage, behandeln wir sie in einem gesonderten Antrag und greifen sie hier auf:

 

Die NRWSPD steht für einen Kurswechsel in der Wohnungspolitik. Hin zu einer Gemeinwohlorientierung vor Renditeinteressen.  Daher stehen wir für:

 

  • eine neue Säule in der Wohnungsförderung, die dem Gemeinwohl dient.
  • die Gründung einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft.
  • den Aufbau von Boden- und Infrastrukturfonds für die Kommunen mit Hilfe des Landes und des Bundes.
  • das Erbbaurecht als Regelfall, also der Vergabe kommunaler Nutzungsrechte anstelle eines Verkaufs von Boden.

 

Wir stehen für einen Bruch mit falschen Glaubenssätzen, um wieder eine Sozialdemokratische Politik für die vielen der solidarischen, ehrlichen und fleißigen Menschen in unserem Land umsetzen zu können. Darum begreifen wir den Staat als Akteur und zentrale Ebene zur Umsetzung unserer Ziele.

 

In den Mittelpunkt unserer Politik stellen wir daher die wirklichen Probleme der Menschen und stellen uns daher den Ursachen der Probleme, nicht nur den Folgen. Das soziale Grundrecht auf bezahlbares Wohnen ist die soziale Frage des Jahrzehnts, die wir lösen werden.

 

Wie wir uns diese Kursneubestimmung konkret vorstellen, seht ihr in unserem Antrag L05 „Wohnen ist ein soziales Menschenrecht und schafft Heimat für alle – Darum: Bezahlbarer und lebenswerter Wohnraum für alle Menschen in Nordrhein-Westfalen“

 

2. Die Zukunft gemeinsam gewinnen. NRWSPD anders bessermachen. Rot Pur! – Unsere Debatten für die Zukunft

 

Mit dem beschlossenen Leitantrag beim Landesparteitag im Juni 2018 in Bochum haben wir uns darauf verständigt, die NRWSPD programmatisch auf die Höhe der Zeit zu bringen. Dabei wollen wir aus NRW heraus mit eigenen inhaltlichen Impulsen Motor und Taktgeber auch für den bundespolitischen Erneuerungsprozess werden. Wenn wir in Wahlen wieder erfolgreich sein wollen, dürfen wir uns nicht von Umfragen und hektischen Tagesparolen treiben lassen, sondern müssen ein klares, unverwechselbares Angebot entwerfen, das einen guten Weg in die Zukunft beschreibt. Wir müssen diejenigen sein, die die Antworten geben und die konsequent handeln. Wir müssen Schluss machen mit dem Gemischtwarenladen und uns auf sozialdemokratische Politik für die arbeitende, soziale Mitte in diesem Land konzentrieren. Kurz: „Rot Pur!“. Rot Pur!” ist ein Prozess, der alle Ebenen der Partei erfassen soll. Es geht um inhaltliche Klärungen, Schaffung neuen Selbstvertrauens der Sozialdemokratie und um eine Kursklärung. Und dies alles haben wir gemeinsam mit euch im sogenannten „Gegenstromprinzip“ entwickelt. Das Ziel ist die weitere Verdichtung zu einem Zukunftsbild NRWs und einer lebenswerten Gesellschaft. Hier unsere Impulse aus den vier Zukunftsdebatten in folgender Reihenfolge. Das ist nicht das Ende der Diskussion, sondern wir führen sie weiter. Denn wir wissen, die Summe der Einzelteile ergibt noch kein Gesamtbild. Ausgangspunkt unserer Überlegungen war:

 

ZUKUNFT DER ARBEIT – Wie verändern sich Wirtschaft und Arbeit und was sind unsere sozialdemokratischen Antworten darauf?

 

AUFSTIEGSCHANCEN – Wie schaffen wir beste Bildung und machen das Aufstiegsversprechen wieder wahr?

 

SOZIALE SICHERHEIT – Wie schaffen wir den solidarischen Sozialstaat, der den Menschen in den Mittelpunkt seines Handelns stellt?

 

SOLIDARISCHE GESELLSCHAFT – Wie organisieren wir das Zusammenleben in unserem Staat?

 

2.1 Zukunft der Arbeit

 

Unser Leitmotiv: Zukunft gestalten

Unser Versprechen: Wachstum und Wohlstand

Unsere Ziele: Nachhaltige Wirtschaft und Humane Arbeit

 

Den wirtschaftlichen Strukturwandel gesellschaftlich gestalten, damit die Wirtschaft für den Menschen da ist

 

Wirtschaft und Gesellschaft befinden sich mitten in einer radikalen Umbruchphase. Digitalisierung und die Energiewende verändern das Wirtschaften grundlegend – ob sie es verbessern werden, liegt an uns. Der Strukturwandel der Digitalisierung und Dekarbonisierung beschränkt sich nicht auf eine Region oder eine Branche. Er wird alle Bereiche des Wirtschaftens und Lebens erreichen.

 

Nachhaltiges Wachstum und Wohlstand für die Vielen

 

Digitalisierung und Energiewende bergen das Potenzial eines Zuwachses an nachhaltiger Produktivität und Wohlstand für viele in unserem Land und darüber hinaus. Ein Selbstläufer ist das nicht: Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, dass Wachstum nicht gleich Wohlstand ist. Nicht nur der Klimawandel und die übermäßige Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen, sondern auch die sich vertiefende soziale und gesellschaftliche Spaltung der letzten zwanzig Jahre sind ein Beleg dafür, dass die herkömmliche Weise des Wirtschaftens längst an ihre sozialen und ökologischen Grenzen stößt. Sie richtet sich gegen die vitalen Interessen der großen Mehrheit der Menschen in unserem Land und auf diesem Planeten.

 

Wir haben heute die technischen Möglichkeiten, unser Land mit sauberer Energie zu versorgen. Digitale Anwendungen revolutionieren Produktionsprozesse und Geschäftsmodelle; sie können monotone und körperlich beanspruchende Tätigkeiten ersetzen, räumlich und zeitlich flexible Arbeit ermöglichen und sind in der Lage einen neuen dynamischen Wachstumspfad zu beschreiben. In der Realität jedoch droht die Energiewende im herkömmlichen System stecken zu bleiben. Die Digitalisierung ihrerseits erhöht vor allem das Tempo des weltweiten Finanzkapitalismus in geradezu irrwitziger Weise und verhilft mit der Macht der Konzerne über Algorithmen Wenigen zu unermesslichem Reichtum, während Viele die Entgrenzung ihrer Arbeit und übermäßigen Stress verkraften müssen. Um technische Möglichkeiten umfassend für wirtschaftliche, soziale und ökologische Innovation nutzbar zu machen, bedarf es also der politischen Gestaltung des Strukturwandels unserer Zeit.

 

Soziale und wirtschaftliche Ungleichheit ist längst ein wesentlicher Grund für die Blockade von nachhaltigem Wachstum und gesellschaftlichem Wohlstand. Ohne die gerechte wirtschaftliche Beteiligung derjenigen, die mit ihrer Hände und Köpfe Arbeit unser aller Wohlstand wesentlich schaffen, bleibt am Ende nur eine Freiheit für Wenige. Die Freiheit der Vielen setzt voraus, dass Selbstbestimmtheit eine sichere ökonomische Basis hat. In einer Gesellschaft, in der die Wirtschaft für den Menschen da ist und nicht umgekehrt, sind eine wirksame demokratische Regulierung von wirtschaftlichen Prozessen und öffentliche Investitionen in Infrastruktur, nachhaltiges Wirtschaften und soziale Daseinsvorsorge unverzichtbar. Nur so kann eine Wirtschaftsordnung auf Dauer stabil und erfolgreich sein.

 

Unser Ziel ist sozialer, ökologischer und wirtschaftlich nachhaltiger Wohlstand für die Vielen statt immer mehr Reichtum für die Wenigen. Wir wollen, dass die arbeitenden Menschen die Anerkennung erhalten, die sie verdienen. Den technologischen Fortschritt durch die Digitalisierung und die Energiewende wollen wir nutzen, damit es der großen Mehrheit der Menschen besser geht.

 

Dieser Fortschritt für ein besseres Leben kommt nicht von allein, und er kommt nicht durch den Markt, durch Verzicht oder das „richtige“ Verhalten des Einzelnen zustande, sondern durch gemeinsames, solidarisches Engagement und die demokratische Gestaltung des Strukturwandels durch staatliche Investition und Regulierung, damit er gelingt und die Menschen mitnimmt. Die Akteure in Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Gewerkschaften müssen dafür in ihrer Verantwortung gestärkt werden.

 

Die Potenziale der Digitalisierung für Wohlstand und gute Arbeit heben

 

Die hohe Produktivität der digitalisierten Wirtschaft bietet nicht nur die Möglichkeit einer Erhöhung der Lohneinkommen in Produktion und Handel. Sie ist auch die Grundlage für eine auskömmliche Finanzierung von guter Arbeit im Bildungs- und Sozialwesen, wenn im Rahmen einer intersektoralen Umverteilung diese Rendite der gesamten Wirtschaft zugutekommt. Entsprechend wirksame regulatorische und steuerliche Maßnahmen beruhen auf dem Prinzip der Besteuerung am Ort der Leistungserbringung sowie darauf, die digitale Rendite bei gleichzeitiger Entlastung des Faktors Arbeit deutlich höher zu besteuern.

 

Der digitale Kapitalismus bringt, getrieben durch Netzwerkeffekte und Big Data, eine zunehmende Monopolisierung und Machtanhäufung neuer, in nie gekannter Weise global operierender „Mega-Firmen“ und mächtiger Finanzfonds hervor. Notwendig ist eine regulatorische Einhegung dieser Monopolmacht, um dem Primat der Politik wieder Geltung zu verschaffen. Dabei spielen die Wiedererlangung und Sicherstellung der Souveränität über die eigenen Daten auch ökonomisch eine entscheidende Rolle. Die staatliche Verantwortung für den gleichberechtigten Zugang zu digitaler Infrastruktur als neuer Form der Daseinsvorsorge darf nicht durch den technologischen Vorsprung privater Konzerne außer Kraft gesetzt werden. Auch dort wo private Konzerne in den Infrastruktur-Auf- und Ausbau eingebunden werden, muss der staatliche Einfluss wieder durchgesetzt werden.

 

Auch digitale Plattformen dürfen sich der demokratischen Kontrolle nicht entziehen.  Hierzu schlagen wir die Einrichtung von Nutzerräten vor. Dort, wo es sich um „virtuelle öffentliche Infrastruktur mit Rahmensetzungskompetenz“ handelt (virtuelle Marktplätze, Suchmaschinen u.ä.), sind strenge Transparenz- und Öffnungsregeln für den Zugang oder aber die Organisation in öffentlicher Eigentümerschaft geboten. Darüber hinaus sind die Stärkung öffentlicher und genossenschaftlicher Unternehmen sowie die Monopolbekämpfung z.B. durch Aufteilung, Fusionskontrolle oder staatlich garantierten Zugang zu den wesentlichen Produktionsmitteln (z.B. Daten) Maßnahmen zur Demokratisierung des Netzes.

 

Die Digitalisierung bewirkt aber auch an vielen Stellen die Dezentralisierung ökonomischer Prozesse und die Kontrolle wirtschaftlicher Macht durch Transparenz. Sie bietet die technische Grundlage für ganz neue Formen kooperativer Wirtschaftsweisen, wie etwa open source basierte Software, Ansätze von open production und open innovation und sharing economy. Mit der Förderung gemeinnützig und genossenschaftlich organisierter digitaler Plattformen können neue Teilhabemöglichkeiten in der digitalen Wirtschaft und der digitalen Kommunikation entstehen.

 

Auf Innovation setzen – besser werden, nicht billiger

 

Wettbewerb endlich wieder um die besten Lösungen! Wir setzen auf Innovationen bei Produkten und Dienstleistungen und die Menschen, die diese als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Fachkräfte entwickeln. Deshalb fördern wir die Innovationskraft und geben dem Wettbewerb neue Regeln sowie soziale und ökologische Standards (Fairtrade-Zertifizierungen, ILO-Normen, CO2-Bepreisungen), die ihn international, europäisch und auf nationaler Ebene zivilisieren und der Realwirtschaft wieder Vorrang vor der Finanzwirtschaft einräumen.

 

Ein solcher neuer Rahmen für einen Wettbewerb um die besten Lösungen und nicht um die billigste Produktion und die schnellste Rendite ist unsere Antwort auf den neoliberalen unregulierten Finanzkapitalismus. Wir überlassen die Zukunft nicht anonymen Märkten. Im Mittelpunkt der notwendige Wende hin zu einer nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise steht für uns nicht ein Verzicht, sondern ein Gewinn an Lebensqualität für die Vielen.

 

Soziale und ökologische Innovationen voranbringen

 

Die umfassende soziale und ökologische Regulierung von Märkten hilft, bisherige Pfade zu verlassen und technische Potenziale gesellschaftlich sinnvoll zu nutzen. Die Grundlagen für die notwendigen Innovationen liegen in der öffentlich verantworteten und finanzierten Bildung und Forschung, deren Anwendung durch öffentliche, zivilgesellschaftliche und privatwirtschaftliche Akteure Innovationen hervorbringt. Eine gesellschaftlich gelungene Innovationsförderung berücksichtigt immer dieses Wechselspiel. Motivation, Kreativität und Gestaltungswille gibt es dafür sowohl bei gewinnorientierten, sozial-ökologisch orientierten zivilgesellschaftlichen oder öffentlichen Unternehmerinnen und Unternehmern. Wir wollen eine Wirtschaftsweise, die die Begrenztheit der natürlichen Ressourcen und der planetarischen Ökosysteme anerkennt und als Antrieb für Innovation und gesellschaftliche Lösungen versteht. Individuelles Verhalten und Können sind dabei wichtig, werden aber nur durch kollektive, gesellschaftlich verankerte Lösungen wirksam für alle.

 

Der Kommission „Wachstum, Strukturwandel, Beschäftigung“ kommt das Verdienst zu, den Umstieg von der Kohleverstromung auf eine regenerative Energieversorgung als ein solches ökonomisches und soziales Dekadenprojekt definiert zu haben. Sie ist damit Vorlage für ähnliche sektorale Herausforderungen in anderen Wirtschaftsbereichen. Ergänzend dazu ist eine übergreifende sozial-ökologische Industriepolitik notwendig, die die dynamische Bestandsentwicklung der bestehenden industriellen Kerne und den Aufbau neuer industrieller Kerne in wesentlichen Leitmärkten zum Ziel hat. Eine solche Leitmarktstrategie ist unterlegt mit Wissens- und Technologietransfers, staatlichen und privaten Investitionsfonds, Förderungen und Anschubfinanzierungen, die eine eigenständige Entwicklung und Fortführung ermöglichen.

 

Der Globalisierung durch transnationale Regeln begegnen

 

Die von Populisten propagierte Rückkehr zur Beherrschung der Märkte durch die nur vermeintlich starken Nationalstaaten ist die falsche Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung. Die Institutionen, die geschaffen wurden, um Märkte und Handel zu liberalisieren, sind vielmehr auch der Ausgangspunkt für die Regulierung von Märkten. Beispiele dafür sind die EU-Finanztransaktionssteuer oder das Pariser Klimaschutzabkommen. Auch multilaterale Handelsabkommen sind geeignet, zu einer stärkeren Regulierung des Welthandels beizutragen – entscheidend ist, welche Vereinbarungen die Partnerinnen und Partner als Grundlage für den barrierefreien gemeinsamen Handel treffen. Deutschland muss gemeinsam mit Frankreich und anderen Partnerinnen und Partnern seinen Einfluss in der Europäischen Union nutzen, um diese zu einem Motor für einen fairen Welthandel und die Zurückdrängung der Macht der transnationalen Konzerne, digitaler Monopolstrukturen und internationaler Finanzspekulanten zu machen.

 

Wir wollen eine gemeinwohlorientierte Regulierung von Finanzmärkten und die deutlich höhere Besteuerung leistungsloser Kapitaleinkommen zur Umverteilung der Innovationsrenditen zugunsten der Gesellschaft, die diese Innovation erst möglich gemacht hat. Investmentfonds sind immer noch nicht reguliert. Mit 12 Bio. Euro (2017) entsprechen ihre Engagements im Euroraum ca. 120 Prozent des Euro-BIP. Sie können bei Finanzkrisen erheblichen Schaden für die Volkswirtschaften anrichten und müssen deshalb dringend ebenso reguliert werden wie Banken und an den europäischen Krisenmechanismen finanziell beteiligt werden. Wir sind davon überzeugt, dass die breitere und gerechtere Verteilung des Wohlstandes sich nicht nur logisch aus der Tatsache ableitet, dass unser Wohlstand wesentlich auf menschlicher Arbeit beruht, sondern dass sich dadurch auch gesellschaftlich sinnvolle Innovation und wirtschaftliche Dynamik nachhaltiger entwickeln. Die Jagd nach quartalsweiser Renditeoptimierung zugunsten privater Spekulanten produziert nicht nur Ungerechtigkeit, sondern für die Wirtschaft insgesamt selbstzerstörerische Finanz- und Wirtschaftskrisen.

 

Auf globaler Ebene treten wir für einen regelbasierten Multilateralismus ein, der sich – wie in Europa auch – heute jedoch fragen muss, welche Bündnispartner diesen Regeln noch folgen wollen. Hier dürfen wir nicht darauf warten, dass der Wind sich dreht, sondern müssen die Koalition der Willigen im Rahmen der Institutionen suchen, sei es bei der Finanzmarktregulierung, regionaler Konfliktlösung oder des Klimaschutzes, um durch eigens Handeln voranzugehen. Freihandelsabkommen müssen eine Machtgleichheit zwischen den Interessen von Beschäftigten, der öffentlichen Hand, der Umwelt und den Unternehmen sicherstellen, wir setzen auf die rechtsstaatlichen Systeme der beteiligten Länder; wo darüber hinaus Schlichtung nötig ist, müssen Arbeitnehmer und Staaten die gleichen Rechte wie Unternehmen bekommen.

 

In Europa kommt der deutschen Politik eine zentrale Rolle zu. Die egoistische Dominanz einer deutschen Wirtschaftspolitik, die der Sicherung der deutschen Exportüberschüsse und der Durchsetzung der Sparpolitik zulasten von Investitionen, Löhnen und Renten Vorrang gegeben hat, ersetzen wir durch eine politische Pionierrolle Deutschlands, die dem Zusammenhalt Europas und einem sozial gerechten und ökologisch verträglichen wirtschaftlichen Fortschritt in ganz Europa durch Bündelung der gemeinsamen Interessen Vorrang gibt. Um die von den Finanzmärkten selbst ausgehenden Risiken für die europäischen Volkswirtschaften zu begrenzen, sind in Europa weitere Regulierungen notwendig. Die Kosten der nächsten Krise der Finanzmärkte müssen von den Verursachern direkt getragen werden. Die Macht systemrelevanter Akteure muss begrenzt werden. Das Trennbankensystem muss eingeführt werden, um die Spareinlagen vor spekulativen Geschäften zu sichern. Darüber hinaus muss der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) zu einem handlungsfähigen Europäischen Währungsfonds im Rahmen der EU-Verträge und mit demokratischer Kontrolle ausgebaut werden. Die Europäische Union verfügt mit ihrer eigenen Währung über die notwendige regulatorische Schlagkraft, um die im globalen Markt herrschenden Dynamiken wirksam zu beeinflussen.

 

Die Arbeitswelt im Sinne der Beschäftigten gestalten – Teilhabe ermöglichen

 

Die menschliche Arbeit bleibt neben der Natur die Quelle allen Wohlstands. Den Menschen, welche die für unseren gesellschaftlichen Wohlstand notwendige Arbeit leisten, steht ein gerechter Anteil am Haben und Sagen zu.

 

Es ist Zeit für eine Humanisierung der Arbeitswelt.

 

Wenig beschäftigt die Menschen mehr als gute Arbeit. Sie legt die wesentliche Grundlage des Menschen – unabhängig von Geschlecht oder Herkunft – für das gleichberechtigte selbstbestimmte Leben in der Gemeinschaft. Die Art, wie wir wirtschaften und arbeiten, entscheidet in einem hohen Maße über unser Leben. Gute Arbeit zu einem fairen Lohn bleibt für die Vielen die Grundlage für ein gelingendes Leben. Arbeitszufriedenheit, die Balance zwischen Arbeit und Freizeit wie auch die Selbstverwirklichung in der Arbeit erhalten zu Recht einen immer höheren Stellenwert. Mehr noch: Reicht der Lohn der täglichen Arbeit nicht aus, ist Wohnen nicht nur im Ballungsraum eine unzumutbare finanzielle Belastung und die Angst vor der Zukunft der alltägliche Begleiter. Reicht der Lohn für die Altersvorsorge nicht aus, ist Altersarmut vorprogrammiert.

 

Ein gutes Auskommen und gleichzeitig Anerkennung, Sinnstiftung und die Erfüllung eines selbstbestimmten, glücklichen Lebens sind für uns untrennbare Bestandteile der Arbeit. Arbeit ist Teil der Würde des Menschen. Sie ermöglicht Teilhabe, Fortkommen und Aufstieg. Der Mensch steht für die Sozialdemokratie mit seinen Fähigkeiten und Rechten im Mittelpunkt. Darum treten wir dafür ein, dass aus technischem Fortschritt auch sozialer Fortschritt entsteht und deshalb ist Gute Arbeit zu fairen Löhnen für uns Maßstab einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik. Durch staatliches und tarifpolitisches Handeln lässt sich dieser Maßstab umsetzen und damit der Wandel der Arbeitsgesellschaft für eine Humanisierung der Arbeitswelt nutzen.

 

Digitalisierung und Energiewende. Herausforderungen für die Arbeitswelt.

 

Zusätzlich zum globalen Wettbewerb stellen die Digitalisierung und die Energiewende, die Arbeitswelt vor immense Herausforderungen. Nicht nur die Art, wie wir Wirtschaften, sondern auch die Art wie und wo wir arbeiten, wird sich rasant wandeln. Qualifikationen, Berufsbilder, ja ganze Branchen stehen unter erheblichem Veränderungsdruck. Die Anpassungsleistung, die in früheren Zeiten an der Grenze zu einer neuen Beschäftigtengeneration realisiert werden musste, ist heute mitten in den aktiven Belegschaften notwendig. Dieses Tempo der notwendigen Veränderungen setzt die Beschäftigten unter Stress. Die Aussicht, dass die eigene Qualifikation entwertet werden könnte, macht vielen, insbesondere älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Angst. Der dramatische Strukturwandel in bislang bestimmenden Branchen droht das Selbstwertgefühl der dort Beschäftigten zu untergraben. Um die Menschen im Wandel mitzunehmen, bedarf es mehr als nur der materiellen Absicherung. Notwendig ist, dass sie in die Lage versetzt werden, den Wandel als Chance auch für ihre eigene Berufsbiographie zu gestalten. Gerade in der Energiewende gilt: Da wo neue regenerative Technologien an die Stelle von bisherigen fossilen Technologien treten, bauen diese auf der über Generationen gewachsenen Kompetenz und Wertschöpfung auf. Ohne diese Wirtschaftskraft wären wir nicht in der Lage die Energiewende zu meistern.

 

Auch die Gestalt der Arbeit selbst wandelt sich. Nicht nur die schon seit Jahren zu beobachtende Spaltung in Kern- und Randbelegschaften, sondern auch die immer weiter verschwimmende Grenze zwischen selbstständiger und nichtselbstständiger Arbeit erfordern eine neue staatliche und tarifpolitische Gestaltung. Durch die Auflösung sozialstaatlicher und betrieblicher Strukturen werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer selbst in die Rolle eines Unternehmers der eigenen Arbeitskraft gedrängt und müssen diese ungeschützt am Markt verkaufen. Neue Formen der digitalen Tagelöhnerei wie Crowd- und Clickworking, das Anwachsen prekärer Arbeitsverhältnisse im Onlinehandel und zunehmende Möglichkeiten der Überwachung von Beschäftigten stellen besonders negative Auswüchse der digitalen Arbeitswelt dar. Entgrenzung der Arbeit durch das Verschwimmen von Arbeit und freier Zeit, Arbeitsverdichtung, dauerhafte Erreichbarkeit und steigender Stress haben inzwischen fast alle Arbeitsbereiche erfasst.

 

Auf der anderen Seite ermöglicht die Digitalisierung für immer mehr Menschen durch weitgehend zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten neue Flexibilität und passgenaue Arrangements. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Selbstverwirklichung in der Arbeit und die eigenverantwortliche Gestaltung der beruflichen Tätigkeit bedeuten für viele eine Verbesserung ihrer individuellen Arbeitsbedingungen. Der Ersatz von wiederkehrenden stupiden auf der einen und körperlich übermäßig stark beanspruchenden Tätigkeiten auf der anderen Seite stellt einen positiven Effekt der aktuellen Entwicklung dar.

 

Flexibilität, Sicherheit und Teilhabechancen verbinden.

 

Neben neuen Chancen treten neue existentielle Unsicherheiten. Die ambivalent, zeitverzögert in unterschiedlichen Branchen und teilweise sogar widersprüchlich verlaufende Entwicklung droht die Arbeitsgesellschaft in ihrer Mitte auseinanderzureißen. Diejenigen, die von der Modernisierung profitieren können, und diejenigen, deren berufliche Situation dadurch unter Druck gerät, stehen sich in ihrer Bewertung zunehmen kritisch gegenüber. Eine Politik des sozialen Fortschritts zeichnet sich dadurch aus, dass sie die neue Flexibilität mit neuer Sicherheit und neuen Teilhabechancen verbindet.

 

Unser Ziel ist eine solidarische Arbeitsgesellschaft. Die Maßnahmen zur neuen Ordnung am Arbeitsmarkt, die Begrenzung der Möglichkeiten der befristeten Beschäftigung, die Eingrenzung der Leih- und Zeitarbeit, das Rückkehrrecht von Teil- auf Vollzeit stellen erste wichtige Schritte dar. Um der geforderten und gewünschten Flexibilität Absicherung und Teilhabechancen an die Seite zu stellen, derer ein selbstbestimmtes Arbeiten bedarf, sind darüber hinaus ein gesetzlicher und tariflicher Rahmen für variable Arbeitszeitmodelle, das Recht auf Nichterreichbarkeit sowie Regelungen für das mobile Arbeiten notwendig. Der Gesundheits- und Arbeitsschutz für die Beschäftigten muss auf die neuen Gegebenheiten wirksam angepasst werden.

 

Den neuen Arbeitsrealitäten tragen wir durch die Weiterentwicklung der Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung Rechnung. Sie verbindet Absicherung mit Selbstbestimmung sowie einem Recht auf finanziell unterstützte Qualifizierung und Weiterbildung. Den Beschäftigten wollen wir ein Stück Autonomie über ihre eigene Erwerbsbiografie zurückgeben, indem wir den Schutz vor Arbeitslosigkeit mit einer vorausschauenden Qualifizierung des Einzelnen koppeln – nicht erst im Falle der Arbeitslosigkeit, sondern als Anerkennung der Qualifizierungsbedarfe im laufenden Job. Auch den Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeiten wollen wir in eine solche Arbeitsversicherung als staatliche Leistungen integrieren. Den Zugang zu Weiterbildung und Qualifizierung werden wir erweitern und gemeinsam mit Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern und Gewerkschaften ein positives Klima hierfür schaffen.

 

Mehr Selbstbestimmung durch flexible Arbeitszeiten ist durch die Nutzung moderner Technologien für eine höhere Arbeitszeitsouveränität der Beschäftigten entlang ihrer Bedürfnisse und Fähigkeiten erreichbar. Eine kurze Vollzeit für Familienphasen, wie sie die IG Metall jüngst durchgesetzt hat und tariflich geregelte Überstunden, die Arbeitszeitkonten füllen, für die, die sich z.B. nach dem Berufseinstieg beweisen wollen, sind hierfür konkrete Beispiele.

 

Aber nicht alle gesellschaftlichen Notwendigkeiten lassen sich durch mehr individuelle Flexibilität lösen. In einer älter werdenden Gesellschaft steigt der Bedarf an sozialen Dienstleistungen. Gleichzeitig verlieren die tradierten Geschlechterrollen an Bedeutung. Immer mehr Frauen und Männer wünschen sich eine gleichberechtigte Aufteilung von familiären Aufgaben und Erwerbsarbeit. Wo soziale Dienstleistungen nicht zur Verfügung stehen, wird das Leben im Alltag oft zur Zerreißprobe. Es ist daher ein Gebot der Vernunft, die bisher oft verkannten Leistungsträger und vor allem Leistungsträgerinnen in Gesundheits- und Sorgeberufen aufzuwerten. Es bedarf flächendeckend einheitlicher Mindeststandards für die Personalbemessung und eine spürbar höhere Entlohnung in den sogenannten SAHGE-Berufen, den Berufen in der Sozialen Arbeit, Haushaltsnahen Dienstleistungen und der Gesundheits- und Erziehungsbranche.

 

Gerechte Teilhabe der Vielen am Haben und Sagen

 

Dank jahrzehntelanger Steigerung von Produktivität und der hohen Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft ist heute mit weniger Arbeit mehr Wohlstand möglich als jemals zuvor. Die Effizienzsteigerung der letzten Jahrzehnte hat aber in aller Regel dazu geführt, die Gewinnspanne derjenigen zu maximieren, die über die Produktionsmittel verfügen. Es ist dabei ein Gebot der Leistungsgerechtigkeit, das endlich auch die Beschäftigten ihren gerechten Anteil am gemeinschaftlich Erwirtschafteten erhalten.

 

Angesichts der hohen Produktivität besteht das Potenzial für kräftige Reallohnsteigerungen im tariflichen Bereich und eine Anhebung des Mindestlohns auf mindestens 12 Euro. Um Beschäftigte darüber hinaus an der steigenden Produktivität teilhaben zu lassen, sowie ihren gesundheitlichen Schutz zu verbessern, besteht außerdem das Potenzial, die Regelarbeitszeit von 40 Std./Woche nach unten zu korrigieren. Wir können und wollen daher weniger arbeiten und mehr freie Zeit haben, um Gutes für uns und die Gesellschaft zu tun. Wer weniger arbeitet, hat auch mehr Kraft für seine Nächsten, mehr Raum für Kreativität, auch mehr Reserven für Flexibilität und mehr Neugierde auf Neues. Darüber hinaus gibt es mit fast 12 Prozent der Erwerbstätigen Millionen von Menschen, die heute dauerhaft in schlecht bezahlter Teilzeit oder Soloselbständigkeit festhängen und die mehr verdienen müssen und möchten. Nur ein Bündnis zwischen der zunehmend gestressten Arbeitnehmermitte und den sich abrackernden Niedriglöhnern für die gerechte Verteilung von Arbeitszeit und Einkommen, kann wirklichen Wohlstand für die große Mehrheit in unserem Land erreichen.

 

Alle Beschäftigten müssen die Chance haben, in der Arbeitswelt und der Gesellschaft gleichberechtigt teilzuhaben. Egal ob am Band, am Krankenbett oder in der Cloud. Gute Arbeit bedeutet für die meisten Menschen zuerst Absicherung des eigenen Lebens und ihrer Familien. In der Arbeit können sich Menschen verwirklichen, ihre Talente entfalten, Anerkennung erfahren und Wohlstand erreichen. Teilhabechancen am Arbeitsmarkt gibt es nicht ohne diskriminierungsfreien Zugang. Deshalb fordern wir anonymisierte Bewerbungsverfahren ohne Hinweis auf Alter, Nationalität, Migrationshintergrund, Geschlecht und ohne Bewerbungsfoto. Jeder ist nach seinen Fähigkeiten aufgerufen, an der Wertschöpfung der Gesellschaft mitzuarbeiten. Ein bedingungsloses Grundeinkommen lehnen wir deshalb ab. Wir setzen dem eine solidarische Arbeitsversicherung entgegen, die für Menschen in Arbeit ebenso wie für diejenigen, die aus individuellen oder wirtschaftlichen Gründen nicht an der Erwerbsarbeit teilhaben können, eine verlässliche Absicherung bietet. Damit ersetzen wir das Prinzip Hartz IV. Durch eine umfassende sozialstaatliche Absicherung, die Solidarität mit Leistungsgerechtigkeit verbindet.

 

Die Finanzierung des Sozialstaats darf sich nicht einseitig auf Arbeit stützen, sondern muss den Veränderungen der Wertschöpfungsbasis und der Arbeitswelt Rechnung tragen. In einer Welt, in der die Kapitalrendite weiter zunimmt, muss die Finanzierung des Gemeinwohls ebenfalls auf eine breitere Grundlage gestellt werden. Deshalb bedarf es auch alternativer Finanzierungsformen wie der Finanztransaktionssteuer, einer Digitalsteuer sowie der substanziellen Besteuerung von Vermögen. Die Digitalisierung bietet die Chance – im Rahmen eines neuen Gesellschaftsvertrages – die Dividende für mehr Verteilungsgerechtigkeit zu nutzen und alle am materiellen Fortschritt und besseren Lebensbedingungen teilhaben zu lassen. Teilhabe ist nicht nur materielle Teilhabe, sondern auch Teilhabe an besserer Lebensqualität, demokratischen Entscheidungen und Zukunftschancen.

 

Hierfür ist es notwendig Gewerkschaften und soziale Verbände zu stärken. Für uns besteht der Anspruch, alle gesellschaftlichen Bereiche demokratischer zu gestalten. Insbesondere am Arbeitsplatz wollen wir die Mitbestimmung weiterentwickeln zu Formen der Mitgestaltung und Mitentscheidung. Gerechte Löhne für gute Leistung wollen wir auch durch eine Stärkung tariflicher und betrieblicher Mitbestimmung der Beschäftigten unterstützen. Zur Erreichung dieses Ziels sind Gewerkschaften und Betriebsräte die geeigneten und von uns zu stärkenden Akteure. Tarifverträge, gesetzlicher Arbeitsschutz – auch in neuen Branchen, kleinen Betrieben und digitalen Wertschöpfungsketten – ebenso wie eine Ausweitung des Betriebsbegriffs auf Subunternehmerinnen und Subunternehmer und Soloselbständige sind die notwendige Rahmensetzung. Die Ausweitung der Allgemeinverbindlichkeit für Tarifverträge und Erleichterung von Betriebsratsgründung auch in kleineren Betrieben, ein Verbandsklagerecht für Gewerkschaften und die schärfere strafrechtliche Ahndung von systematischer Behinderung und Bekämpfung von Gewerkschaften durch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber (sog. Unionbusting) stellen eine Erweiterung des normativen Rahmens dafür dar. Mit 5 Prozent Pflichtkapitalbeteiligung von Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterfonds an Unternehmen ab 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mehr als 50 Mio. Euro Umsatz stärken wir die direkte Mitverantwortung im Unternehmen.

 

Wir wollen nachhaltig wirtschaften und produzieren

 

Nachhaltig Wirtschaften

 

Das Leben auf der Erde muss innerhalb der ökologischen Belastungsgrenzen stattfinden. Deshalb ist Akzeptanz für Nachhaltigkeit in der gesamten Bevölkerung zu erarbeiten. Es ist an uns, hierfür der Wirtschaft klare Regeln zu setzen. Wir werden die Herausforderungen der Nachhaltigkeit nur lösen, wenn wir zugleich die sozialen Dimensionen und die Fliehkräfte mit angehen, Fairness und Umweltgerechtigkeit sind unsere Leitplanken.

Unter nachhaltigem Wirtschaften verstehen wir umweltverträgliches Handeln, das zukünftigen Generationen genügend Spielraum für eigene Entscheidungen lässt und auf soziale Gerechtigkeit und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen ausgerichtet ist. Allein nachhaltiges Wirtschaften kann dauerhaften, ökonomischen Erfolg und Wohlstand garantieren.

 

Nachhaltig Produzieren

 

Die Nachfrage nach ökologisch und sozial verantwortlichen Produkten und Dienstleistungen steigt. Gleichzeitig sind Unternehmen zunehmend verpflichtet, Nachhaltigkeitskriterien aktiv in Entscheidungsprozesse und Berichtswesen einzubinden. Die SPD sieht in den Anforderungen von Nachhaltigkeit und industrieller Wertschöpfung keinen unauflöslichen Widerspruch. Im Gegenteil: Für eine Welt, in der künftig mehr als zehn Milliarden Menschen gut und im Einklang mit den natürlichen Grenzen unseres Planeten leben können, braucht es intelligente industrielle Lösungen. Darin liegt eine enorme Chance auch für die Weiterentwicklung des Industriestandorts NRW. Um diese Chancen zu nutzen, brauchen wir den Mut, neue Wege zu beschreiten und die Bereitschaft, Altbewährtes in Frage zu stellen. Es gilt: Die Anforderungen nachhaltiger Entwicklung müssen Grundlage aller wesentlichen Entscheidungen in Politik und Gesellschaft werden.

 

Nachhaltiges Wirtschaften und Produzieren politisch gestalten

 

Nachhaltiges Wirtschaften und Produzieren muss sich zwangsläufig am Nachhaltigkeitsziel (SDG) „Gute Arbeit“ der Agenda 2030 orientieren. Über dieses Ziel streben wir ein dauerhaftes breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum an, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit.

 

Die drängenden ökologischen Probleme, die sich durch den Klimawandel noch verstärken, haben zu einer „Ökonomisch-ökologischen Doppelkrise“ geführt. Diese ist schon jetzt an vielen Stellen der Wirtschaft der Treiber für den Wandel in der Arbeitswelt. Diese Entwicklung erfordert für die SPD einen neuen Blick und einen anderen Zugang zu den sich verstärkenden ökonomisch-ökologischen Problemen. Ein politischer Diskurs, der weiterhin die Trennung von Wirtschafts- und Klimapolitik thematisiert, führt in die Sackgasse und wäre so wenig sinnvoll wie eine thematische Trennung von Sozial- und Wirtschaftspolitik. Ein „ja-aber-Vorbehalt“ (wir sind ja für Klimaschutz, aber …) ist folglich nicht nur ein fachlicher, sondern auch ein politischer Irrweg.

 

Die Umsetzung der Ziele des nachhaltigen Wirtschaftens und Produzierens sind im Rahmen einer Wirtschaftsdemokratie an folgenden Eckpunkten auszurichten:

 

  • Ökologische Nachhaltigkeit
  • Beschäftigungspolitische Nachhaltigkeit
  • Nachhaltige Qualität der Arbeit (Gute Arbeit)
  • Nachhaltiges Wettbewerbsmodell

 

An diesen Eckpunkten erarbeiten wir ein Konzept des nachhaltigen und sozialen Wirtschaftens und Produzierens. Dies umfasst eine Vorstellung, wie zukünftig sinnstiftende und sichere Tätigkeit erreicht werden kann. Es zeigt zugleich auf, wie Wachstum in nachhaltigen Branchen mit entsprechenden Arbeitsplätzen erzielt werden kann. Es setzt auf neue Bildungs-, Lern- und Qualifizierungsoffensiven, um den Wandel zu begleiten. Es setzt weiterhin auf Arbeitszeitmodelle und Mobilitätskonzepte, die eine nachhaltige und sozial freundliche Lebensweise ermöglichen.

 

Wir begreifen das Gelingen einer sozialverträglichen Energiewende als sehr bedeutende politisch-gesellschaftliche Herausforderung unserer Zeit. Dabei sind wir den Prinzipien der Nachhaltigkeit, der Solidarität und der Wirtschaftlichkeit gleichermaßen verpflichtet, denn sie bedingen sich gegenseitig.

 

Zur Umsetzung dieses Nachhaltigkeitsansatzes streben wir folgende Ziele an:

 

  • Wir ergänzen das Betriebsverfassungsgesetz um Aspekte der Ökologie und Nachhaltigkeit. Denn der ökologische Wandel des Unternehmens kann nur unter Einbeziehung der Arbeitenden gelingen, daher brauchen wir die Mitbestimmung auch in diesem Bereich. Nur so gelingt der nachhaltige Umbau der Wirtschaft auf soziale Art und Weise und führt zu einer breiten Beteiligung und damit auch Akzeptanz.
  • Wir stärken den öffentlichen Dienst, der die Daseinsvorsorge in den Bereichen Versorgung, Entsorgung und Mobilität auf hohem ökologischem Niveau sichert.
  • Wir verabschieden uns von Freiwilligkeitsvereinbarungen mit der Industrie und dem Handel und setzen insbesondere im Wasser- und Abfallbereich auf klare rechtliche Regeln.
  • Wir nutzen die ersten Erfahrungen und Ergebnisse des NRW-Klimagesetzes und erarbeiten eine Fortführung des NRW-Klimaschutzplans.
  • Ergänzend zum EU-Emissionshandel fordern wir eine Bepreisung von CO2 in Bereichen wie Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft. Diese müssen eine sinnvolle Lenkungswirkung entfalten, sozial verträglich sein und Anreiz für Investitionen in klimafreundliche Technologien eröffnen.
  • Wir forcieren den weiteren Ausbau der regenerativen Energien, damit wir den geplanten Ausstieg aus der Kohleverstromung schaffen. Insbesondere müssen Speichertechnologien weiterentwickelt werden.
  • Wir sichern und fördern den Biotopverbund und die Erhaltung von Grünstrukturen zwischen den Biotopen. Damit wird das Überleben von Tier- und Pflanzenarten in der intensiv genutzten Kulturlandschaft gesichert.
  • Wir begrenzen den Flächenverbrauch auf 5 Hektar pro Tag.
  • Wir stoppen die Überdüngung vieler Äcker – vor allem in den Mastregionen –und schützen so das Grundwasser.
  • Wir stehen für den nachhaltigen Ausbau der Landwirtschaft – Bioprodukte müssen zum Regelfall werden, nicht zur Ausnahme. Daher fordern wir eine für den Verbraucher nachvollziehbare einheitliche Kennzeichnung, die ihm die Kaufentscheidung erleichtert und Kriterien der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit umfasst.
  • Wir entwickeln ein Insektenschutzprogramm, dass insbesondere in Naturschutzgebieten den Einsatz von Pestiziden verbietet.
  • Wir nehmen die Automobilindustrie konsequenter in die Pflicht. Wir fordern eine Kommission Zukunft der Mobilität. Vorbild kann die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ sein, die alle relevanten Akteure an einen Tisch holt und gemeinsam Lösungen und Handlungsempfehlungen für die Zukunft der Mobilität erarbeitet.
  • Wir stehen für den Umstieg von der Straße auf die Schiene und fordern daher massive Investitionen für Schienenwege und neue Züge.
  • Wir fordern eine europaweite Kerosinsteuer und eine Fernbus-Maut. Die Erlöse müssen in ein europäisches Schienennetz investiert werden.

 

2.2 Aufstiegschancen durch Bildung. Beste Bildung NRW – ein Leben lang!

 

Unser Leitmotiv: Neue Chancen schaffen

Unser Versprechen: Chancen und Aufstieg

Unsere Ziele: Bildung und gerechter Zugang

 

Bildung und damit Aufstiegschancen waren immer schon der Kerngedanke der sozialdemokratischen Idee. Unsere Kernthemen wie Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität gehören eng zu jedem Bildungsprozess. Bildung muss daher wieder höchste Priorität in NRW bekommen.

 

Bildung ist mehr als Lernen – Lernen ist mehr als Schule

 

Vom ersten Tag unseres Lebens an lernen wir dazu und das hört nicht auf bis ins hohe Alter – jeden Tag und jede Stunde sammeln wir Erfahrungen und Wissen, erweitern Fertigkeiten und erproben uns in neuen Situationen.

 

Deshalb nehmen wir Bildung überall und im gesamten Leben von Menschen in den Blick – von Familie und Kita bis zur Weiterbildung. Für uns ist Lernen nicht nur die Aneignung von Wissen – genauso wichtig sind uns die emotionale, die soziale, die gesundheitliche und die kulturelle Entwicklung der Menschen. Dabei ist und bleibt die Schule ein zentraler und oft entscheidender Ort für das Lernen. Alle Erfahrungen im nationalen und internationalen Vergleich zeigen, dass frühe Entscheidungen über Bildungskarrieren in die Irre führen. Deshalb bleibt unser Ziel eine Schule für alle! Angesichts der unübersichtlichen Menge an Schulformen in NRW halten wir in einem ersten Schritt hier eine Reduzierung für überfällig. Den Übergang dorthin werden wir verantwortungsvoll organisieren. Damit Schulen auch Orte des gemeinsamen Lebens werden, werden wir kommunale und regionale Bildungslandschaften und die Öffnung von allen Bildungseinrichtungen in den Sozialraum fördern.

 

Konsequent für alle Menschen

 

Nicht für Institutionen, sondern für jeden einzelnen Menschen muss Bildung gelingen. Dafür müssen je nach individuellen Voraussetzungen, Möglichkeiten und Bedürfnissen der Menschen unterschiedliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Daraus folgt, dass wir offene Systeme beschreiben müssen, in denen alle Beteiligten klaren Prinzipien folgen bei einer größtmöglichen Handlungsfreiheit.

 

Eine Klarstellung zur Inklusion und Integration

 

Wir sind davon überzeugt, dass jeder Mensch Fähigkeiten und Begabungen besitzt, die er in die Gesellschaft einbringen kann. Das heißt auch, dass wir unser gesamtes Verständnis von Bildung und menschlichem Miteinander überprüfen müssen und ein Bildungssystem schaffen, in dem jeder Mensch seinen Platz findet und zwar unabhängig von seinem kulturellen oder sozialen Hintergrund und von individuellen Beeinträchtigungen. Die Herausforderungen von Inklusion und Integration und die hervorragenden Leistungen der Bildungseinrichtungen wollen wir dabei nicht vergessen und auch nicht klein reden.

 

Konsequent in den Forderungen

 

Wir haben bei den meisten Themen kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Deshalb werden wir unsere Ziele konkret und konsequent formulieren, die notwendigen Umsetzungsschritte beschreiben und mit ausreichend Geld hinterlegen. Oft genug haben wir die Schere der Umsetzungsschwierigkeiten schon im Kopf – das schwächt unsere Haltung. Klarheit und Eindeutigkeit sind aber notwendig, damit sich etwas ändert.

 

Damit Bildung letztendlich gelingt, brauchen Menschen

  1. freien Zugang zu Bildung,
  2. Spaß am Lernen und Lust am Erfolg,
  3. Anleitung und Unterstützung durch engagierte Menschen,
  4. soziale und demokratische Kompetenz,
  5. ein stabiles Fundament an Wissen und Kompetenzen,
  6. Angebote und Anreize für Spitzenleistungen,
  7. Bildung, die in der Zukunft trägt.

 

Und nicht zuletzt und vor allem:

 

Gute Bildung braucht eine gute Finanzierung!

 

Für eine bessere Chancengleichheit und höhere Qualität muss das Bildungssystem finanziell erheblich besser ausgestattet und strukturiert werden. Denn wir wissen alle: Wenn wir bei der Bildung sparen, wird sich das früher oder später rächen. Trotzdem liegt Deutschland bei den Bildungsausgaben deutlich, d.h. rund 30 Milliarden Euro pro Jahr, unter dem OECD-Durchschnitt. Und NRW liegt noch unter dem Bundesdurchschnitt. Deshalb ist unser klares Ziel, Spitzenreiter im Bundesdurchschnitt zu werden und dazu den Bildungsetat sukzessiv zu erhöhen.

 

Für mehr Handlungsfähigkeit brauchen wir ein klares Bekenntnis zur Bereitstellung zusätzlicher Finanzmittel. Hierbei gilt: Starke Schultern müssen sich daran deutlich stärker als bisher beteiligen. Dies heißt für uns, dass hohe Erbschaften und Vermögen deutlich stärker besteuert werden müssen als heute und Finanzspekulanten und globale Kapitalgesellschaften auch ihren Anteil am Steueraufkommen zahlen müssen. Gute Bildung braucht eine solide finanzielle Basis.

 

Durch die Verteilung der zusätzlichen Gelder muss Bildungsgerechtigkeit hergestellt werden. Zunächst heißt das, dass wir Bildung im gesamten Lebensverlauf beitragsfrei machen. Und es heißt, dass bei größeren Herausforderungen auch die personellen und Sachausstattungen besser sein müssen. Dabei gilt für alle Bereiche die Forderung „Ungleiches muss ungleich behandelt werden“. In diesem Zusammenhang muss auch eine sozialindexbasierte Verteilung von Mitteln in allen Bildungsbereichen geregelt werden. Noch immer ist Bildung und Teilhabe abhängig vom Geldbeutel der Eltern. Dies will die SPD ändern. Gerechtigkeit im Bildungssystem kann nur über ein beitragsfreies Bildungssystem erreicht werden. In diesem Zusammenhang müssen einheitliche Qualitätsstandards und Schulbaurichtlinien konsequent umgesetzt werden. Des Weiteren müssen Lösungen zur dauerhaften Finanzierung von Inklusion, Ganztag und Schulsozialarbeit gefunden und implementiert werden. Dazu gehört: Die Arbeit aller Pädagoginnen und Pädagogen muss wertgeschätzt und gerecht entlohnt werden. So fordern wir beispielsweise eine tarifgebundene und sozialversicherte Bezahlung für Erzieherinnen und Erzieher und A13Z als Einstiegsamt bei Lehrerinnen und Lehrern. Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter und das pädagogische Fachpersonal sollen ebenfalls besser entlohnt werden sowie Aufstiegschancen erhalten.

 

Wir brauchen einen New Deal

 

Eine neue Verantwortungsgemeinschaft zwischen Bund, Land und Kommunen ist hier gefragt. Die bildungspolitischen Finanz- und Verantwortungsverflechtungen zwischen Bund, Ländern, Kommunen und Schulen sind nicht mehr zeitgemäß. Grundgesetz, Landesverfassungen und Gesetzgebung gehen seit Jahrzehnten von einer klaren Trennung der Aufgaben im Bildungsbereich aus: Die Bundesebene ist nach der Föderalismusreform seit 2006 von Rechts wegen nicht mehr für die Bildungspolitik zuständig, den Ländern obliegt die alleinige Gestaltung der Schulpolitik. Den Kommunen kommt vor allem die Aufgabe als Schulträger vor Ort zu, was insbesondere die Instandhaltung und den Bau von Gebäuden beinhaltet.

 

Durch eine Vielzahl gesellschaftlicher Herausforderungen ist das Schulsystem seit Jahrzehnten in einem stetigen Wandel. Eine Anpassung der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen ist dabei oft nur halbherzig oder gar nicht erfolgt. Die jüngst verabschiedete Aufhebung des sogenannten Kooperationsverbotes auf Druck der SPD ermöglicht es zwar dem Bund, nun auch direkt Geld für Bildungspolitik bereitzustellen, allerdings ist diese Änderung nur ein Kompromiss und kommt deutlich zu spät.

 

Zuständigkeiten sind für Familien – aber auch für Schulen – nicht mehr durchschaubar und Strukturen so angelegt, dass sie Prozesse eher lähmen als Lösungen für akute Probleme bereitstellen, wie z.B. bei der Finanzierung des Ganztages, einer Schulbaurichtlinie oder wie aktuell bei der Finanzierung des Digitalpaktes. Ein neues System muss transparent und nachvollziehbar sein – alle Aufgaben müssen grundsätzlich auskömmlich mit finanziellen Mitteln hinterlegt sein.

 

Regionale Bildungsnetzwerke leisten hier einen wichtigen Beitrag. Sie vernetzen Schulen mit den kommunalen Schul-, Jugend- und Sozialhilfeträgern und der Schulaufsicht. Wir müssen bei vorhandenen Vernetzungen und Partnerschaften genau prüfen, wie diese zum Wohl der Kinder verbessert und ausgeweitet werden können.

 

Mit Bund, Ländern und Kommunen gilt es, eine Neustrukturierung der Aufgabenbeziehungen im Bildungsbereich und eine sich daran orientierende neue Finanzierungssystematik zu verhandeln. Es muss klar werden, wo gesamtgesellschaftliche Aufgaben liegen und wer verantwortlich für ihre Umsetzung ist. Der Grundsatz der gleichwertigen Lebensverhältnisse gilt gerade auch für den Bildungsbereich. Deshalb muss sichergestellt werden, dass Finanzmittel nicht mit der Gießkanne, sondern nach sozialen Kriterien verteilt werden. Dabei muss der Bund Aufgaben dauerhaft finanzieren und nicht nur zeitweise übernehmen. Zuständigkeiten und die Finanzierung müssen endlich klar geregelt werden.

 

2.3 Soziale Sicherheit

 

Unser Leitmotiv: Selbstbestimmtheit ermöglichen

Unser Versprechen: Teilhabe und Sicherheit

Unsere Ziele: Garantierte Teilhabe und soziale Absicherung

 

Unser Grundversprechen, niemanden „ins Bergfreie fallen zu lassen“, wenn man auf Unterstützung angewiesen ist, gilt derzeit nicht mehr. Das verunsichert viele Menschen. Dem begegnen wir mit Reparaturmaßnahmen im Kleinen, die nicht dazu beitragen Abstiegsängste und Sorgen zu nehmen. Deswegen ist es unsere Aufgabe, die derzeitigen Sozialsysteme zu einem in sich stimmigen Sicherheitssystem zukunftsfest zu verändern und das Versprechen so dauerhaft zu erneuern.

 

Wir werden Hartz IV zu Gunsten einer Arbeitsversicherung und einer bedarfsgerechten, sanktionsfreien Grundsicherung abschaffen

 

Der digitale Wandel und vor allem der Anspruch auf mehr Freiheit bei der persönlichen Lebensgestaltung erfordern auch Veränderungen bei der sozialen Sicherung. Eine neue Arbeitsversicherung muss darauf reagieren, dass es neben der Erwerbsarbeit auch Phasen der beruflichen Neuorientierung, Weiterbildung, Familienphasen oder auch Sabbaticals gibt.

 

Arbeitslosigkeit ist kein individuelles und kein einzeln zu verantwortendes Schicksal. Vielmehr muss wieder sichergestellt werden, dass die Leistungen von arbeitenden Menschen anerkannt werden. Entsprechend muss die Bezugsdauer der Versicherungsleistungen deutlich verlängert werden.

 

Außerdem werden wir der Angst, dass mit dem Arbeitsplatzverlust auch ein Verlust der selbstgeschaffenen Absicherung einhergeht, endlich konsequent begegnen. Der kleine Wohlstand, den sich Menschen für den Lebensabend aufgebaut haben, darf zukünftig nicht mehr angetastet werden.

 

Wir begrüßen den aktuellen Beschluss des Parteivorstandes zu einer umfassenden Korrektur der sog. Agenda 2010.

 

Wir lehnen ein Sozialsystem ab, das ein neoliberales Menschenbild von faulen Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfängern zu Grunde legt und staatliche Unterstützung als gnädiges Geschenk begreift, das mit erhobenem Zeigefinger gewährt wird.

 

Eine Grundsicherung muss menschenwürdiges Leben ermöglichen. Das ist mit den derzeitigen Regelsätzen schlicht nicht möglich. Nicht nur, dass die Regelsätze nicht ausreichen, sondern dass Menschen von diesen geringen Mitteln auch noch Rücklagen für häusliche Anschaffungen leisten müssen, ist nicht tragbar. Eine Grundsicherung muss für alle Lebensbereiche auskömmlich sein.

 

Derzeit werden Regelsätze anhand durchschnittlicher Ausgaben von ohnehin schon einkommensschwachen Haushalten bemessen. Eine Armutsspirale: Wer weniger Geld zur Verfügung hat, gibt schließlich auch weniger aus. Und selbst von den angegebenen Ausgaben werden wiederum längst nicht alle bei der Regelsatzbestimmung berücksichtigt: Die Anschaffung einer Brille, der Kino- oder Theaterbesuch und Ausgaben für Tierfutter werden beispielsweise nicht im Regelbedarf berücksichtigt.

 

Wir fordern deshalb für eine bedarfsgerechte Grundsicherung einen Regelsatz in Höhe von derzeit mindestens 570 Euro und eine regelmäßige Anpassung durch eine einzusetzende Sachverständigenkommission. Regelsätze sollen nicht mehr nur statistisch ermittelt werden, sondern auch normativen Ansprüchen genügen, wie zum Beispiel der Möglichkeit einer qualitativ hochwertigen Ernährung und von Ausgaben für Freizeit und Kultur. Mehraufwände für Frauen*, vor allem weibliche Hygieneprodukte und Verhütungsmittel, müssen ebenfalls berücksichtigt werden.

 

Empfängerinnen und Empfänger dürfen nicht mehr verpflichtet sein, aus den Regelsätzen Rücklagen zu bilden, um notwendige Neu- oder Ersatzanschaffungen selbst oder durch ein Darlehen zu tätigen.

 

Außerdem ist für uns klar: Das verfassungsgerichtlich festgelegte Existenzminimum ist, was man zum Leben braucht. Es muss seinen Namen verdienen. Es wird beständig gewährt, kann nicht gekürzt werden und muss die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen.

 

Über die Gewährung des Existenzminimums hinaus setzen wir auf – auch finanzielle – Anreize, sich um Arbeit zu bemühen und weiter zu qualifizieren. Dazu sorgen wir für ein gutes Weiterbildungsangebot, das Arbeitssuchende gerne und bereitwillig nutzen. Es muss echte Chancen auf einen Arbeitsplatz und brauchbare Qualifikationen bieten.

 

Bei der Bemessung dieser finanziellen Anreize dürfen allerdings nicht die geltenden Zumutbarkeitsregeln zu Grunde gelegt werden.

 

Zumutbare Beschäftigung kann nur eine solche sein, die den eigenen Qualifikationen und Neigungen nahekommt und bei der ein armutsfestes Lohnniveau gesichert ist.

 

Das System der Bedarfsgemeinschaften ist überholt. Im heutigen System werden Familienmitglieder sowie Partnerinnen und Partner für Arbeitslosigkeit in „Mithaftung“ genommen. Sie erleiden so regelmäßig Nachteile, die zu einer Verfestigung der ökonomisch benachteiligten Situation führen. Daher werden wir zu einer rein individuellen Bemessung kommen. Wir wollen, dass alle Kinder in sozialer Sicherheit aufwachsen und sie alle Teilhabe- und Bildungschancen unabhängig von ihrer Herkunft und vom Einkommen ihrer Eltern wahrnehmen können. Wir wollen eine Kindergrundsicherung einführen, um endlich die skandalöse Kinderarmut in Deutschland wirksam zu bekämpfen. Alle bisherigen mit dieser Absicht begonnenen Maßnahmen, wie z.B. das Bildungs- und Teilhabe-Paket, haben sich als nicht ausreichend, nicht wirksam, nicht geeignet und zu bürokratisch erwiesen. Die Kindergrundsicherung ist keine Sozialleistung nach Bedürftigkeitsprüfung, sondern eine sozial gerechte Förderung, die den Familienlastenausgleich vom Kopf auf die Füße stellt. Daher setzen wir uns für das vom Bündnis Kindergrundsicherung entwickelte Modell der Kindergrundsicherung ein, das die derzeitige Vielzahl von Leistungen wie Kindergeld, Kinderfreibetrag, Kinderzuschlag, Unterhaltsvorschuss oder pauschale Anteile des BuT bündelt und mit steigendem Einkommen der Eltern, z.B. um den Grenzsteuersatz, gemindert wird. Nach dem Existenzminimumbericht der Bundesregierung beträgt das Existenzminimum derzeit 408,00 Euro zuzüglich des Freibetrages für Betreuung, Erziehung und Ausbildung (BEA) in Höhe von 220,00 Euro, so dass die Kindergrundsicherung aktuell mindestens 628,00 Euro monatlich betragen muss.

 

Wir werden einen deutlich höheren Mindestlohn einführen und die Tarifbindung stärken

 

Der derzeitige Mindestlohn ist weiterhin ein Niedriglohn. Er ist weder armutsfest noch existenzsichernd. Expertinnen und Experten zufolge müssten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei derzeitigem Mindestlohnniveau etwa 65 Beitragsjahre leisten, um nicht unter die Grundsicherungsgrenze im Alter zu fallen. Auch wer heute für den Mindestlohn arbeitet, muss teilweise trotzdem noch ergänzende Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Obwohl der deutsche Mindestlohn im EU-Vergleich hoch scheint, bleibt er im Vergleich mit wirtschaftlich vergleichbaren Ländern weit zurück. Sinn des Mindestlohns muss aber sein, vor Armut und Niedriglöhnen zu bewahren. Wer nach Mindestlohn bezahlt wird, sollte sowohl während der Beschäftigung als auch nach 45 Beitragsjahren über der Grundsicherungsgrenze liegen.

 

Der Mindestlohn muss deshalb auf ein armutsfestes Niveau von mindestens 12 Euro angehoben werden. Die Mindestlohnkommission muss diese Höhe regelmäßig überprüfen und an die wirtschaftliche Lage anpassen. Ausnahmen vom Mindestlohn darf es nicht geben. Auf keinen Fall dürfen jährliche Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld in die Berechnung des Mindestlohns einbezogen werden.

 

Derzeit bieten nicht erfasste Überstunden, ungerechtfertigte Lohnabzüge und andere Tricksereien die Möglichkeit, faktisch unterhalb des Mindestlohnes zu entlohnen. Die Einhaltung des ausnahmslosen Mindestlohns muss deshalb durch umfassende Kontrolle und konsequente Ahndung von Verstößen gewährleistet werden. Dabei reicht es nicht aus, dass der Zoll als zuständige Kontrollinstanz nur säumige Sozialbeiträge nachfordert, Beschäftigte aber weiterhin ihren Lohn individuell einklagen müssen. Wir fordern, dass die Beweispflicht für die Einhaltung des Mindestlohns künftig beim Arbeitgeber und nicht bei den Beschäftigten liegt. Wird durch eine Behörde ein Verstoß festgestellt, hat diese auch die Aufforderung zur Lohnnachzahlung an den Arbeitgeber zu richten.

 

Auch ein armutsfester Mindestlohn darf nicht zur Regel bei der Beschäftigung werden. Gute Tarifverträge müssen das Hauptinstrument sein, um gerechte Gehälter zu sichern. Dafür ist die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen unabdingbar. Das Vetorecht von Arbeitgebern für tarifliche Allgemeinverbindlichkeitserklärungen ist abzuschaffen.

 

Wir erleben zunehmend die Tarifflucht der Arbeitgeber, ohne bislang ein wirksames Instrument installiert zu haben, das dem entgegenwirkt. Die Forderung, tarifgebundene Unternehmen steuerlich besser zu stellen, muss daher zeitnah umgesetzt werden und für alle Branchen gelten.

 

Wir werden die umlagefinanzierte gesetzliche Rente zukunftssicher und auskömmlich gestalten und stärken, die private Vorsorge grundlegend reformieren und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu Angeboten für betriebliche Altersvorsorge verpflichten

 

Die Absicherung im Alter ist ein zentrales Versprechen des Sozialstaats. Gerade in Zeiten des gesellschaftlichen und ökonomischen Umbruchs stellt es eine wesentliche Voraussetzung für das Vertrauen in Staat und Politik dar. Rentenpolitik ist, anders als manche glauben machen wollen, kein Konflikt zwischen Alt und Jung. Im Gegenteil: Von einer mutigen und gerechten Rentenpolitik profitieren die heute Jungen in Zukunft ebenso wie die aktuelle Rentnerinnen- und Rentner-Generation.

 

Es gilt: Die Teilhabe am Erwerbsleben ist von zentraler Bedeutung für jeden Menschen. Für seine Lebenschancen für ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben, das den unterschiedlichen individuellen und familiären Bedingungen Rechnung trägt. Eine wirksame und verlässliche Lebensstandardsicherung und Armutsvermeidung im Alter kann für die Mehrzahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Regel nicht allein durch Erwerbsarbeit, Ersparnisse oder private Versicherungen gewährleistet werden. Notwendig und historisch bewährt ist eine starke öffentliche Absicherung durch ein soziales Sicherungssystem, das auch eine wirtschaftliche Abkopplung der Rentnerinnen und Rentner vom Rest der Bevölkerung zuverlässig verhindert. Wir bekennen uns daher zur gesetzlichen Rente als der Grundlage für ein Leben in Würde nach der Erwerbstätigkeit.

 

Die Entscheidung, das Absinken des Rentenniveaus zu stoppen und bis zum Jahr 2025 eine „Sicherungslinie“ von 48 Prozent einzuziehen, war richtig und notwendig, um das Vertrauen in die Politik und in den Sozialstaat zu stärken. Wir teilen die Vorstellungen, das Niveau mittel- bis langfristig wieder auf 50 Prozent anzuheben, setzen die erste Priorität aber zunächst auf die Niveaustabilisierung. In diesem Zusammenhang sprechen wir uns für eine Reform der Rentenanpassungsformel aus. Die langfristige Finanzierung einer auskömmlichen Rente ist außerdem durch angemessene Beiträge und Steuermittel sicherzustellen.

 

Wir unternehmen konkrete Schritte zur Einführung einer Erwerbstätigenversicherung, in die alle einzahlen, auch alle Abgeordneten. Natürlich ist eine solche Reform nicht von heute auf morgen zu schaffen. Überfällig sind erste Schritte – und zwar ohne Zeitverzögerung.

 

Die steuerfinanzierte Grundrente muss zukünftig auskömmlich sein und zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen. Sie wird ohne Bedürftigkeitsprüfung gezahlt.

 

Versicherungsfremde Leistungen wie bspw. die Mütterrente werden fortgeführt, aber steuerfinanziert.

 

Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters lehnen wir ab, weil schon jetzt viele vorzeitig in Rente gehen und dabei lebenslange Abschläge in Kauf nehmen müssen. Unser Ziel ist, durch eine humane Arbeitswelt sowie mehr Prävention und Rehabilitation zu ermöglichen, dass alle das gesetzliche Renteneintrittsalter überhaupt erreichen können.

 

Die private Altersvorsorge kann das sinkende Rentenniveau nicht kompensieren und Versorgungslücken im Alter nicht schließen. Sie muss grundlegend reformiert werden. Eine Subventionierung zukünftiger Verträge lehnen wir ab. Wir schlagen vor, die Eignung öffentlich-rechtlicher Modelle, wie etwa ein Vorsorgekonto bei der Deutschen Rentenversicherung, zu prüfen.

 

Wir betonen, dass für uns die betriebliche Altersvorsorge der beste Weg ist, um die gesetzliche Rente zu ergänzen, weil sie private Vorsorge und kollektive Absicherung miteinander verbindet. Wir wollen, dass in Zukunft jeder Arbeitgeber und jede Arbeitgeberin allen Beschäftigten ein Angebot zum Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung anbieten muss und auch die Ansprüche bei Betriebsübergängen gesichert werden.

 

Wir werden die beste medizinische Versorgung und gute Pflege für alle Menschen sicherstellen und die private Krankenversicherung zu Gunsten einer Bürgerversicherung abschaffen

 

Der Gleichheitsgrundsatz muss auch beim Arzt gelten. Außerdem werden wir die Pflegevollversicherung als Pflegebürgerversicherung einführen, damit für alle eine menschenwürdige Pflege gewährleistet wird.

 

Das deutsche Gesundheitssystem weist Problemlagen auf, die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auch, aber nicht nur durch die Bürgerversicherung lösen wollen: Das System macht deutliche Unterschiede nach dem sozialem Status von Bürgerinnen und Bürgern.

 

Patientinnen und Patienten haben Anspruch auf die besten Leistungen. Dies darf nicht an der Zuständigkeitskonkurrenz der beteiligten Leistungsträger (Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung, Arbeitsagentur, Kommune) scheitern.

 

Die zweifellos in ausreichender Zahl vorhandenen Expertinnen und Experten sind nicht dort tätig, wo der größte Bedarf besteht. Viele kümmern sich um Menschen, die Leistungen in Anspruch nehmen, die sie nicht brauchen.

 

Es wird gemacht, was sich rechnet, nicht das, was medizinisch erforderlich und sinnvoll ist. Dies erzeugt Überversorgung und Unterversorgung zugleich, die Vergütungssysteme erzeugen Fehlanreize, die die bestmögliche Versorgung verhindern.

 

Innovationen stehen meist in engem Zusammenhang mit den besten Verkaufschancen, nicht mit dem größten Nutzen für Patientinnen und Patienten.

 

Wir sind davon überzeugt, dass die Private Krankenversicherung keine Impulse für die bestmögliche Versorgung erbringt. Zugleich erkennen wir mit Sorge, dass die Gesetzliche Krankenversicherung ihre Funktion als Gestalterin dieses Ziels nicht annimmt. Wir erwarten, dass hier gemeinsame Entwicklungen mit spezifischen Differenzierungsmodulen auf den Weg gebracht werden. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen für derlei Veränderungen den Rahmen setzen, um bestmögliche Versorgung zu erreichen.

 

Wir wollen ein Gesundheitswesen, das

  • niedrigschwelligen Zugang für alle, unabhängig von Einkommen und sozialem Status sichert,
  • auf Solidarität statt auf Individualisierung beruht,
  • Innovationen schnell, kontrolliert und mit der notwendigen Evaluation einführt
  • technologische Entwicklungen nutzt, aber den Menschen in den Mittelpunkt stellt,
  • als Ausgangspunkt das Versorgungsproblem – den / die PatientIn – sieht und nicht das Interesse des Leistungserbringers,
  • unabhängigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vertraut und nicht bezahltem Lobbyismus,
  • zügig durch politische Entscheidungen diesen Zielen dienende Rahmenbedingungen erhält.

 

Wir werden die Daseinsvorsorge stärken und dadurch auch die soziale Sicherheit und den Zusammenhalt verbessern

 

Nur eine starke Daseinsvorsorge garantiert einen umfassenden Zugang für alle zu allen notwendigen Gütern und Leistungen, und bekämpft soziale Ungleichheit. Wir wollen stärkeres Engagement in der Daseinsvorsorge und eine Erweiterung der Angebote (kostenloser und nachhaltiger ÖPNV).

 

Die NRWSPD steht für einen Kurswechsel in der Wohnungspolitik. Hin zu einer Gemeinwohlorientierung vor Renditeinteressen.

 

Wie wir uns diese Kursneubestimmung konkret vorstellen, seht ihr in unserem Antrag L05 „Wohnen ist ein soziales Menschenrecht und schafft Heimat für alle – Darum: Bezahlbarer und lebenswerter Wohnraum für alle Menschen in Nordrhein-Westfalen“.

 

Auch der angemessene Zugang zu den Mitteln der Digitalisierung gehört mittlerweile zu den sozialen Kernbedürfnissen und wird von uns berücksichtigt und für alle Altersgruppen garantiert.

 

Soziale Sicherheit kann nur durch einen starken und auskömmlich finanzierten Staat gewährleistet werden

 

Daher werden wir die Steuerhinterziehung konsequent verfolgen und bestrafen. Wir werden Steuerflucht verhindern, denn dies ist keine Bagatelle, sondern eine Straftat. Es ist ungerecht, dass der immer größer werdende Teil des Steueraufkommens aus Steuern auf Arbeit bestritten wird und weniger aus Kapital- und Vermögenssteuern. Wir werden den Spitzensteuersatz und die Reichensteuer erhöhen, ebenso Steuern auf Kapitalerträge, werden die Erbschaftssteuer reformieren, die Vermögenssteuer wieder erheben und eine Finanztransaktionssteuer einführen. Ziel ist ein transparentes und gerechtes Steuerrecht.

 

Wie wir uns diese Kursneubestimmung konkret vorstellen, seht ihr in unserem Antrag L03 Handlungsfähigkeit stärken – Solidarität erneuern: Für einen starken solidarischen Staat!

 

2.4 Solidarische Gesellschaft

 

Unser Leitmotiv: Zusammenhalt stärken 

Unser Versprechen: Vielfalt und Zusammenhalt

Unsere Ziele: Offene Gesellschaft und Partnerschaftlicher Staat

 

Eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit ist es, den sozialen Frieden zu sichern. Sozialer Frieden entsteht durch Solidarität. Solidarität ist die Bereitschaft, füreinander einzustehen und sich gegenseitig zu unterstützen. Für den Menschen in der Gesellschaft ist sie ein Gefühl, für den Menschen im Staat ist sie eine Tugend. Aus dieser doppelten Bestimmung heraus ist Solidarität das Leitprinzip unserer Politik.

 

Solidarität ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Sie kann staatlich nicht verordnet und erzwungen werden. Wohl aber kann und muss der Staat nach unserer Überzeugung die Voraussetzung schaffen, dass gelebte Solidarität in unserer Mitte günstige Bedingungen vorfindet. Nur wer Solidarität vorlebt, kann sie einfordern.

 

Eine solidarische Gesellschaft setzt einen starken und handlungsfähigen Staat voraus, der Würde, freie Selbstbestimmung und soziale Verantwortung des Menschen ermöglicht und vor einer Ökonomisierung aller Lebensbereiche wirksam schützt. Das heißt vor allem: Der Mensch muss wieder im Mittelpunkt stehen.

 

Gute Arbeit, ein Sicherheit bietender Sozialstaat, gleicher Zugang zu Bildung sowie Investitionen in zukunftsfähige Infrastruktur und neue wirtschaftliche Impulse sind notwendige Handlungsstränge für Chancengleichheit und Teilhabe für alle, für Inklusion und Integration, dafür, in Vielfalt eine Bereicherung und Stärke zu sehen – kurz für eine solidarische Gesellschaft.

 

Von einer gerechten und solidarischen Gesellschaft kann nur die Rede sein, wenn mindestens in grundlegenden Fragen der öffentlichen Daseinsvorsorge gleiche Bedingungen zwischen Stadt und Land, zwischen strukturstarken und strukturschwachen Regionen und zwischen den einzelnen Quartieren unserer Städte herrschen. Neben einer notwendigen Umverteilung von oben nach unten liegt in der Angleichung der Lebensverhältnisse in unserem Land der Schlüssel zum Zusammenhalt der Gesellschaft.

 

Wir dürfen jedoch nicht den Fehler begehen und Anerkennung – die Bedingung von Solidarität – auf eine ökonomische Größe reduzieren. Die Stärkung ökonomischer Verteilungsgerechtigkeit ist eine notwendige Bedingung einer solidarischen Gesellschaft, aber keine hinreichende und nicht mit ihr zu verwechseln. Eine solidarische Gesellschaft braucht mehr, und ein solidarischer Staat tut mehr.

 

Eine solidarische Gesellschaft braucht handlungsfähige Kommunen

 

In unseren Städten und Gemeinden haben die Menschen die meisten Berührungspunkte mit Staat und Politik. Auf kommunaler Ebene hat jeder und jede Einzelne die größten Gestaltung- und Einflussmöglichkeiten. Deshalb müssen die 396 Städte und Gemeinden in unserem Land an 365 Tagen im Jahr für ein lebenswertes Nordrhein-Westfalen sorgen. Das sicherzustellen, wird für viele Kommunen von Tag zu Tag schwerer. In zu vielen Städten erleben Menschen, dass Kultur- und Sportangebote zurückgefahren und Förderungen der Jugendarbeit gestrichen werden, öffentliche Infrastruktur verfällt und die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger sinkt. Verlust von Vertrauen und steigende Unzufriedenheit finden sich vor allem dort, wo sich Menschen – unabhängig vom eigenen sozialen Status – von Politik und Staat verlassen fühlen. Gerade in einer Gesellschaft, in der traditionelle Orte der Gemeinschaft an Bedeutung verlieren, müssen wir deshalb den Städten und Gemeinden und damit in erster Linie den Bürgerinnen und Bürgern wieder Handlungsfelder eröffnen und Gestaltungsraum geben.

 

Wir haben die Kommune, das Basiscamp der Demokratie, in den vergangenen Jahrzehnten überfordert. Die Hälfte der sozialen Leistungen wird heute auf kommunaler Ebene getragen. Das Konnexitätsprinzip hieß am Ende zu oft: „Den letzten beißen die Hunde!“ Heute befinden sich finanzschwache Kommunen deshalb in einem Teufelskreis. Sie sind nicht mehr in der Lage, aus eigener Kraft für ihre Bevölkerung vergleichbar gute Lebensbedingungen und Zukunftsperspektiven zu ermöglichen. Weil Steuern gesenkt wurden und der Bund die Lasten der Sozialgesetzgebung stärker den Kommunen aufgebürdet hat, ohne für eine ausreichende Finanzierung zu sorgen, haben wir zugelassen, dass sich unter den Städten Globalisierungsverlierer ausgebildet haben. Durch strukturelle Krisen sanken Wirtschaftsleistungen und damit auch die Steuerkraft. Die soziale Folge: Auch die Soziallasten stiegen, weshalb Geld für Investitionen und den Erhalt fehlten.

 

Der Stärkungspakt Stadtfinanzen war eine richtige und erfolgreiche Maßnahme, um hier gegenzusteuern. Nun müssen aber kurzfristig weitere Schritte folgen: Um Kommunen wieder handlungsfähig zu machen und so den Menschen wieder die Möglichkeit zu geben, das Leben auch in ärmeren Städten zu gestalten, sind drei Schritte notwendig: Zuerst müssen alte Kassenkredite, die Kommunen in der Regel nicht selbst verschuldet haben, in einen Altschuldenfonds unter Beteiligung von Bund und Land überführt werden. Zweitens muss verhindert werden, dass neue Kassenkredite auflaufen. Dafür müssen die Haushalte der Kommunen ausgeglichen werden. Sie müssen aber vor allem substanziell von Soziallasten befreit werden. Drittens benötigen wir zielgerichtete Hilfe für jene Kommunen, die über Jahre negativ von einem Strukturwandel geprägt wurden.

 

Auch die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ hat Maßnahmen entwickelt, die den Kommunen mit Altschulden und hohen Kassenkrediten helfen, dauerhaft auf eigenen Füßen zu stehen. Klar ist, dass der Bund hier seiner finanziellen Verantwortung nachkommen muss, um die zu großen Teilen durch den Bund verursachte Anhäufung von Kosten bei den Kommunen zu beseitigen.

 

Bund, Länder und Gemeinden haben gemeinsam die Aufgabe, für gute Lebensbedingungen der Bürgerinnen und Bürger in ihrer Stadt, ihrer Gemeinde und ihrer Region zu sorgen.

 

Eine solidarische Gesellschaft ist eine freie Gesellschaft – Deshalb sorgen wir für Sicherheit für alle

 

Die SPD ist die Partei der Freiheit. Wir kämpfen für Freiheitsrechte und politische Teilhaberechte, aber auch für eine staatliche Gemeinschaft, die durch aktives Tun die Voraussetzungen für ein freiheitliches Leben aller schafft. Eine Abwägung von Freiheit gegen Sicherheit kann es nie geben, denn wir streben Sicherheit nicht als Selbstzweck an, sondern als ein Mittel, um Freiheit zu ermöglichen.

 

Hieraus folgt, dass sicherheitspolitische Maßnahmen in möglichst schonenden Ausgleich mit Bürgerrechten zu bringen sind. Dieser Grundsatz ist in den letzten Jahren durch politische Entscheidungen eklatant missachtet worden. Wir lehnen es daher ab, alle Bürgerinnen und Bürger unter einen Generalverdacht zu stellen und tatverdachtsunabhängig zu Adressaten polizeilicher Maßnahmen zu machen. Menschen, die sich rechtmäßig verhalten, müssen vor Grundrechtseingriffen allein aufgrund vermuteter böser Gedanken geschützt werden. Die Unschuldsvermutung sowie das Recht auf Privatheit und Datensouveränität müssen umfassend gewährleistet werden. Das Strafrecht als schärfstes Schwert des Rechtsstaats darf nur als allerletztes Mittel eingesetzt werden und darf nur an Handlungen anknüpfen.

 

Sicherheit darf nicht zum Privileg für Reiche werden, sondern muss von einem handlungsfähigen Staat flächendeckend gewährleistet werden. Sozialdemokratische Sicherheitspolitik setzt daher nicht auf markige Sprüche, öffentlichkeitswirksame Razzien oder eine Abschaffung von Freiheitsrechten. Wir bieten Schutz vor Straftäterinnen und Straftätern durch eine ausreichende Anzahl gut ausgebildeter und ausgestatteter Polizistinnen und Polizisten sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Justiz. Auch wenn die Kriminalität insgesamt sinkt, müssen wir Gefühle der Unsicherheit ernst nehmen. Angsträume müssen umgestaltet werden und im Bedarfsfall muss die Polizei schnell und verlässlich zur Stelle sein und das Recht effektiv durchsetzen. Rechtsfreie Räume darf es nicht geben.

 

Strafen und unmittelbarer Zwang sind für uns nur das allerletzte Mittel einer erfolgreichen Kriminalpolitik. Wir setzen auf Vorbeugung. Die beste Kriminalpolitik ist eine gute Sozialpolitik. Wir brauchen Investitionen in den gesellschaftlichen Zusammenhalt, z.B. in Integration, gute Bildung und Arbeit.

 

Wir wollen Gefängnisstrafen möglichst vermeiden, insbesondere Ersatzfreiheitsstrafen für Menschen, die nur deshalb eingesperrt werden, weil sie die Geldstrafe nicht bezahlen können. Stattdessen wollen wir andere Sanktionsformen etablieren, die schuldangemessen sind und neben einem Strafübel auch Unterstützungsangebote beinhalten. Auch bei Bewährungsstrafen schaffen wir die Voraussetzungen, dass mehr Bewährungsauflagen verhängt werden können, die ein spürbares Strafübel mit flankierenden Unterstützungsangeboten kombinieren. Bei der Vollstreckung von Gefängnisstrafen sollen Gefangene dazu befähigt werden, sich nach ihrer Strafe in unsere Gesellschaft zu (re)integrieren und ihr Leben künftig straffrei zu führen.

 

Wir schaffen alle Ansätze von Klassenjustiz ab: Reiche und superreiche Kriminelle dürfen sich nicht durch Zahlung hoher Geldbußen ihrem Strafverfahren entziehen können. Zur wirksamen Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität führen wir ein Unternehmensstrafrecht ein.

 

Bei Bagatell-Kriminalität wie Schwarzfahren setzen wir hingegen auf Entkriminalisierung, weil Freiheitsstrafen hier unverhältnismäßig sind und Polizei und Justiz sich auf wirkliches Kriminalunrecht konzentrieren sollen.

 

Sicherheit für jeden und jede bedeutet mehr als nur formale Gleichheit vor dem Gesetz. Alle Menschen müssen unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Geldbeutel und Bildungsstand zu ihrem Recht kommen. Die Justiz muss besser ausgestattet werden, um jedem Einzelfall gerecht zu werden und dennoch lange Verfahrensdauern zu vermeiden. Wir schaffen die Voraussetzungen, dass Menschen auch real den gleichen Zugang zum Recht erhalten. Wir wollen ein flächendeckendes und niedrigschwelliges Rechtsberatungsangebot sowie einen Ausbau von Beratungsstellen für Schuldnerinnen und Schuldner und allgemeiner Sozialberatung. Außerdem fordern wir einen massiven Ausbau von Beratungs- und Prozesskostenhilfe, damit alle Menschen ihr Recht auch tatsächlich durchsetzen können.

 

Eine solidarische Gesellschaft braucht ehrenamtliches Engagement

 

Unsere Demokratie lebt von den Menschen, die sie tragen. Das sind in besonderem Maße die vielen ehrenamtlich Aktiven aller Altersgruppen, die sich in Vereinen, Verbänden, Religionsgemeinschaften, Gewerkschaften, Parteien, Initiativen und Projekten engagieren. Wer seine Zeit und seine Kraft in den Dienst anderer und der Allgemeinheit stellt, dem gebührt unser Respekt und unsere Anerkennung. Sich ehrenamtlich zu engagieren bedeutet andererseits ein besonderes Maß an Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und persönliche Entfaltungsmöglichkeiten. Daher darf ehrenamtliches Engagement kein Privileg sein, dass von Herkunft oder Geldbeutel abhängt. Auch Menschen mit Beeinträchtigungen oder in besonderen Lebenslagen müssen ein Ehrenamt ihrer Wahl ausüben können. Wertschätzung und Öffnung von Ehrenamt für alle sind die Leitgedanken, denen unser politisches Handeln auch in Zukunft folgen wird.

 

Wer sich ehrenamtlich z.B. in einem Jugendverband oder Sportverein engagiert, will seine Zeit dort mit Tätigkeiten und Aufgaben verbringen, die Kern genau dieses Engagements sind und nicht mit langwierigen Antrags- und Nachweisverfahren. Außerdem entstehen durch vermeidbaren Verwaltungsaufwand Hürden, die Menschen davon abhalten, ehrenamtlich Verantwortung zu übernehmen. Wir setzen uns daher für die Vereinfachung und – wo möglich und sinnvoll – für die Digitalisierung von Antrags- und Nachweisverfahren ein. Überall dort, wo fachbezogene Pauschalen möglich sind, sollen diese auch zum Tragen kommen. Ein Übergangsschritt könnte sein, Projekte über den gesamten Programmzeitraum zu bewilligen und dadurch keine jährlich befristeten Verträge und jährliche Antragsstellungen notwendig zu machen. Ziel müssen jedoch Regelfinanzierungen sein. Wir wollen außerdem den Verwaltungsballast bei der Vereinsführung reduzieren und das Steuerrecht für Vereine vereinfachen.

 

Für ehrenamtliches Engagement investieren unzählige Menschen viel – ihre Zeit, ihre Energie, ihre Fähigkeiten und ihr Wissen. Wir sind der Auffassung, sie sollten als Zeichen der Wertschätzung ihrer Leistung an anderer Stelle von der Solidargesellschaft etwas zurückbekommen. Gleichzeitig wollen wir dafür sorgen, dass ehrenamtliches Engagement z.B. nicht an den Kosten für den Weg zum Ehrenamt scheitert. Wir werden daher die Ehrenamtskarte NRW „Ehrensache“ aufwerten, in dem wir für ein landesweit einheitliches Angebot sorgen, dass kostenlosen Eintritt in alle staatlichen und staatlich geförderten Kultur, Sport- und Freizeiteinrichtungen, ein Anrecht auf kostenfreie öffentliche Weiterbildungsangebote und ein landesweites ÖPNV-Ticket beinhaltet. Außerdem wollen wir uns dafür einsetzen, dass Studierende ihr Engagement auf ihre Studienleistungen anrechnen lassen können und ehrenamtliches Engagement in Bewerbungsverfahren stärker wertgeschätzt wird. Auch eine positive Anrechnung von Ehrenamt auf die individuelle Rente halten wir für erstrebenswert.

 

Mit Sorge beobachten wir hingegen, wenn demokratische Haltung und Beiträge zum politischen Diskurs als Anlass genommen werden, um Vereinen und Verbänden die Gemeinnützigkeit in Abrede zu stellen. Vermeintliche politische Neutralität darf nicht gegen eine klare Haltung für Menschenrechte und Demokratie ausgespielt werden. Sie darf nicht als Alibi zur Verhinderung von Engagement missbraucht werden. Politisches Engagement, das unsere Demokratie stützt, ist aus unserer Sicht Dienst an der Allgemeinheit im eigentlichen Sinne. Ehrenamtlich Engagierte müssen vor Übergriffen und Gewalt geschützt werden.

 

Eine solidarische Gesellschaft setzt auf Kulturoptimismus

Menschen sind kulturelle Wesen. Wir erheben den Anspruch, unsere Beziehungen als Menschen untereinander und unsere Umgebung zu gestalten. Unser Selbstverständnis folgt stark beeinflussenden Denk-Konstrukten und Überzeugungen, die in einer Gemeinschaft und für den Einzelnen eine Relevanz entfalten konnten.

 

Derzeit befinden wir uns mitten in vor allem kulturell geprägten Auseinandersetzungen. Das Bild vom Menschen, die Vorstellung einer guten Gesellschaft, die Aufgaben und Reichweiten des Staates, die Rolle von Sprache und Kommunikationsmitteln, das Bild von Arbeit und Technik und vieles mehr werden, mitunter gegensätzlichen, Auslegungen und Erzählungen unterworfen. Der Kampf um die Deutungshoheit ist in seinem Ausgang offen.

 

Wir denken Kunst und Kultur dynamisch und notwendig in einer Rückkopplung zum freien, selbstbestimmten und mündigen Menschen, zur demokratischen Verfasstheit unseres Staates und zum Gedanken eines solidarischen Gemeinwesens, das reale Mitmachmöglichkeiten eröffnet und jedem, jeder Einzelnen einen Wert an sich beigibt. Der Wille und die Lust zur Aneignung von Kunst als Empfängerin und Empfänger und die Möglichkeit des und der Einzelnen sich künstlerisch auszudrücken sind zutiefst menschliche Bedürfnisse.

 

Kulturpolitik ist Zukunftspolitik, wenn sie sich den Fragestellungen der Zeit und den universellen Bedürfnissen zuwendet und den Künsten Spielräume zur Auseinandersetzung eröffnet. Kunst und Kultureinrichtungen unterstützen uns wesentlich, sowohl bei der Begründung einer stabilen und positiven Identität als auch dabei, einen Zukunftsentwurf mittels umfassender und differenzierter Blickpunkte und Aushandlungsprozesse aufgrund eines Verständnisses von der Vielschichtigkeit und des Facettenreichtums menschlicher Existenz zu wagen.

 

Soziale Ungleichheit ist ein der kapitalistischen Gesellschaft innewohnendes Übel. Ungebremster Kapitalismus führt zur Enteignung von Lebens- und Zukunftsentwürfen. Hier ist auch die Kunst herausgefordert. Kulturpolitik muss die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Künstlerinnen und Künstlern in den Blick nehmen und für Verbesserung sorgen. Die Rechte von Künstlerinnen und Künstlern müssen gewahrt bleiben, ihre – in mehrfacher Hinsicht – häufig prekäre Situation muss verbessert werden.

 

Menschen ist eigen, dass sie Orte der Begegnung, des Austausches und der Betätigung brauchen. Kulturorte sind neben ihrer jeweiligen inhaltlichen Angebotsstruktur besonders in diese Richtung zu entwickeln. Kultureinrichtungen sind zentraler Bestandteil von Daseinsvorsorge und Treiber im Bereich der Inklusion. Kunst- und Kultureinrichtungen bedürfen für Produktionen und Betrieb einer perspektivisch sicheren Finanzierung. Der Zustand bei Technik, Infrastruktur, Verwaltung und Personal muss dringend verbessert werden. Kultureinrichtungen sind aber auch Bildungseinrichtungen und müssen ähnlich behandelt werden, so z.B. beim Anschluss an die digitale Welt. Kultureinrichtungen müssen für alle offen sein. Kulturelle Bildung ist Teil des Fundaments der persönlichen Entwicklung eines Menschen. Allen, aber insbesondere jungen Menschen, muss sie frei zugänglich sein.

 

Eine solidarische Gesellschaft kämpft um jede und jeden Einzelnen, macht ihren Feinden aber keine Zugeständnisse

 

Wir lassen nicht zu, dass Antisemitismus, religiöser und weltanschaulicher Extremismus, Radikalismus und Rassismus oder kurzum gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu einer akzeptierten Position werden. Den Rechtsradikalen, die inzwischen im Bundestag, in Landtagen und auch in vielen kommunalen Parlamenten sitzen, bieten wir die Stirn.

 

Damit es nicht vermehrt rechte Menschenfänger sind, die Angebote für Kinder und Jugendliche schaffen, um diese so für ihre Zwecke zu missbrauchen, werden wir die Jugendsozialarbeit weiter stärken und ausbauen. Jugendsozialarbeit ist in allen Belangen wertvolle präventive Arbeit und muss zugänglich für alle jungen Menschen sein.

 

Doch junge Menschen benötigen nicht nur die richtigen Angebote, sondern auch die notwendige Zeit, um diese Angebote nutzen zu können. Für uns ist es daher ein notwendiger Auftrag, die Zeiten in den Schulen, der Ausbildung, im Studium aber auch im Beruf auf den Prüfstand zu stellen und allen Menschen ausreichend Raum für Freizeit und Engagement zu verschaffen. Außerdem müssen wir Jugendliche ernster nehmen. Wir setzen uns weiter dafür ein, das Wahlalter in NRW und langfristig auch auf anderen Ebenen auf 16 Jahre zu senken.

 

Darüber hinaus wollen wir, dass die schon bestehenden Projekte, aber auch zukünftige Programme zur Demokratiestärkung und gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit finanziell dauerhaft auf sicherere Füße gestellt werden. Menschen, die dort wichtige Arbeit leisten, brauchen Planbarkeit für ihre Arbeit. Sie dürfen sich nicht durch fortgesetzte Befristung und bürokratische Hürden stets neuer Antragsstellungen in ihrer Existenz bedroht sein. Die persönliche Sicherheit von Menschen, die an der Thematik arbeiten oder sich engagieren ist uns besonders wichtig. Meldeauskunftssperren, andere ladungsfähige Adressen als die persönliche Anschrift und der Opferschutz sind hierzu notwendige Bausteine. Behörden müssen hierfür sensibilisiert und ertüchtigt werden im Sinne der betroffenen Menschen zu handeln.

 

Wir wollen uns dafür einsetzen, dass jede Schülerin und jeder Schüler einmal eine Holocaust-Gedenkstätte besucht. Diese Besuche müssen tiefgehend vor- und auch nachbereitet werden. Dazu bedarf es entsprecht geschulter Lehrerinnen und Lehrer. Hierzu wollen wir die Curricula der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern, aber auch die Lehrpläne anpassen. Die schon existierenden, sehr guten Angebote von außerschulischen Bildungseinrichtungen sollen hierzu ausdrücklich mit einbezogen werden.

 

Letztlich müssen wir auch uns selbst weiter in die Pflicht nehmen. Wir werden ein stärkeres Bewusstsein für Sprache als politisches Macht- und Gestaltungselement entwickeln und sensibel mit Begrifflichkeiten in unserem Sprachgebrauch umgehen. Es gilt uns so zu positionieren, dass nicht rechte Deutungen durch unbedachte Übernahme ihrer Themensetzung oder ihrer Sprache adaptiert werden, im Gegenteil, dass diese entlarvt werden. Hierzu werden wir Konzepte erarbeiten, um Mitglieder auf allen Ebenen – vom Ortsverein bis zur Bundesebene – die für und durch unsere Partei leitende Positionen einnehmen, in dieser Thematik zu schulen. Außerdem werden wir größere Klarheit und Konsistenz in unserer Sprache und unsere Forderungen bringen. Wir müssen sagen, was wir tun und tun, was wir sagen.

 

Eine solidarische Gesellschaft schließt alle ein

 

Herkunft, Religion, Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung oder Identität, Beeinträchtigung oder Aussehen dürfen keine Gründe sein, um Menschen eine gesellschaftliche oder politische Teilhabe vorzuenthalten oder diese zu erschweren. Denn sozialer Frieden und Zusammenhalt funktionieren nur, wenn Menschen nicht gegeneinander ausgespielt werden und Chancengleichheit gewährleistet ist. Keinem Menschen, egal ob neueingewandert oder in Deutschland geboren, darf der Zugang zu Bildung erschwert oder verweigert werden. Denn gute Bildung ist der Schlüssel für eine tragfähige Demokratie und für eine solidarische Gesellschaft. Der Blick muss sich also zukünftig statt auf defizitorientiertes Denken und Handeln auf Ressourcenwahrnehmung und Wertschätzung richten.

 

Die Sensibilisierung rund um die Thematik der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit ist für uns ein hohes Ziel. Daher muss sie von der Kita, über Schule, Hochschule und Ausbildung bis in den Berufsalltag thematisiert werden. Ein Brückenschlag in die Praxis sind für uns flächendeckende Schulungen (Diversity-Trainings).

 

Vorurteile und Stereotype müssen sowohl in der Mehrheitsgesellschaft als auch in den diversen Minderheitsgesellschaften abgebaut werden. Hierfür muss Politik mit gutem Beispiel vorangehen und eine Öffnung der eigenen Strukturen ernsthafter und zielgerichteter vorantreiben.

 

Alle hier formulierten Ziele und Maßgaben gelten für alle Menschen, egal ob mit oder ohne Einwanderungsgeschichte, unabhängig davon, ob sie in Deutschland geboren sind, schon lange hier leben, neu eingewandert sind oder dies in Zukunft tun werden. Deshalb müssen wir, um die integrationspolitischen Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen und um den Zusammenhalt der Gesellschaft zu sichern, in der Migrations- und Geflüchtetenpolitik umsteuern.

 

Wir brauchen eine menschenwürdige Asylpolitik ohne „Lager“ und Transitzentren sowie ein individuelles Asylrecht mit Einzelfallprüfung. Wir brauchen Integrations- und Sprachkurse für alle Menschen, die den Bedarf haben. Außerdem wollen wir den Austausch zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen fördern, indem wir Vereine und Verbände, die sich öffnen und Kooperationen eingehen, besonders unterstützen.

 

Die solidarische Gesellschaft ist international

 

Internationale Solidarität bedeutet, dass Miteinander und Geschwisterlichkeit nicht an nationalstaatlichen Grenzen oder den EU-Grenzen enden. Es bedeutet, nationale Standort- und Wettbewerbspolitik im Geiste eines fairen Miteinanders zu überwinden. Wir sind heute mehr als zuvor aufeinander angewiesen, wir bewohnen einen Planeten mit seinen begrenzten Ressourcen. Somit ist die soziale Frage eine internationale. Deswegen muss Solidarität global sein. Unsere Aufgabe ist es, ökonomische und demokratische Strukturen so zu verändern, dass für alle Menschen ein gutes Leben möglich ist. Wir müssen die neoliberale Ausrichtung der Globalisierung bekämpfen, die einseitig Konzerninteressen bedient, während die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die den Reichtum erwirtschaften, zunehmend auf der Strecke bleiben.

 

Es geht also nicht um weniger als um die Frage nach einer sozial gerechten Weltordnung, nach einer solidarischen Weltgesellschaft, die auf Verteilungsgerechtigkeit beruht. Unsere Aufgabe in den kommenden Jahren wird darin bestehen, eine neue Solidarität unter vermeintlich unversöhnlichen Akteurinnen und Akteuren herzustellen. Wir im globalen Norden stehen mit unserer Handelspolitik, unserer Produktions- und Lebensweise in direktem Zusammenhang mit denen im globalen Süden, die für uns Produkte – meist zu ihren Lasten und mit immensen ökologischen Kosten – herstellen. Wir müssen Antworten auf die zentrale Frage finden, wie wir gut leben können, ohne dass andere für uns unter erbärmlichen und menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten müssen. Hierzu gehören zuvorderst eine faire Handelspolitik der EU und eine faire weltweite Steuerpolitik gegenüber dem globalen Süden sowie deutliche Regulierungsschritte hin zu einer ressourcenschonenderen Produktionsweise. Eine international solidarisch gestaltete Politik, die allen Menschen eine lebenswerte Zukunft eröffnet, ist gleichzeitig die beste Bekämpfung von Fluchtursachen.

 

Ein Wort zum Schluss

 

Eine Zukunft unter dem Titel „Rot Pur!“ orientiert sich nicht an Ressortgrenzen, sondern an starken Werten. Deshalb denkt die Sozialdemokratie Strukturpolitik und Kulturpolitik, Kriminal- und Sozialpolitik, Bildungs- und Integrationspolitik zusammen – von der Kommune bis zur Weltgemeinschaft. Einer dieser Werte ist die Solidarität, zur Ermöglichung von Freiheit.

 

Unsere Politik für eine solidarische Gesellschaft zielt deshalb auf drei Dimensionen, die wir nicht an den politischen Institutionen, sondern am Alltag der Menschen orientieren. Denn jeder Mensch ist ein Teil der solidarischen Gesellschaft. Deshalb…

 

…bauen wir auf solidarische Orte. Wir stärken die Kommunen, um sie als nötiges Korrektiv in einem föderativen Bundesstaat zu erhalten und sie zugleich als den hervorragenden Ort politischer Bildung anzuerkennen.

 

…denken wir den Menschen als solidarisches Individuum. Wir setzen Rechte und Pflichten zwischen Staat und Gesellschaft wieder in ein gutes Verhältnis, um für Freiheit und Sicherheit zu sorgen.

 

…schätzen wir solidarisches Handeln wert. Wir stärken Ehrenamt und Engagement vor Ort. Wir stärken Jugendsozialarbeit weiter und intensivieren Integrationsbemühungen.

 

…fördern wir, was solidarisches Handeln fördert. Wir sichern Kultureinrichtungen ab und stärken die Rechte der Künstlerinnen und Künstler.

 

…geht unsere Solidarität über Grenzen hinaus. Wir machen solidarisches Handeln zum Leitprinzip internationaler Politik.

 

3. Fazit

 

Die NRWSPD ist sich bewusst: Vor uns liegt ein langer Weg und wir sind erst ein Stück des Weges gegangen. Aber wir wissen, dass es gemeinsam gelingen kann. Hierfür muss sich die deutsche Sozialdemokratie ihrer Stärken besinnen und ihrer Aufgaben für die Gesellschaft erinnern. Wir wollen die bevorstehende Umwälzung unserer Partei und bevorstehende Umbrüche in unserer Gesellschaft endlich als Chance und Pflicht zum konsequenten Handeln begreifen. Die Sozialdemokratie war nie Selbstzweck und dann stark wie geeint, wenn sie für andere Hoffnung und Versicherung in Zeiten des Umbruchs war. Diese Themen, Zusammenhalt in der Gesellschaft, handlungsfähiger Staat, bezahlbares Wohnen, Aufstieg durch Bildung und eine Arbeit, die sich lohnt in einem sozialen Europa stellen wir als NRWSPD in den Mittelpunkt unserer Politik und erneuern so unsere sozialdemokratischen Zukunftsversprechen. Auf dem Parteitag vor einem Jahr haben wir diesen Kurs als Jahrzehnt der sozialen Investitionen und Innovationen, ja als sozialdemokratisches Jahrzehnt bezeichnet. Denn der Staat, den wir uns vorstellen, wird wieder in der Lage sein, für gleichen und gerechten Zugang zu Bildung und Arbeit zu sorgen, er wird wieder dafür sorgen können, dass genügend bezahlbare Wohnungen gebaut werden und endlich die vielerorts verrottete Infrastruktur repariert wird: Schulen, Schwimmbäder, Brücken, Straßen, Schienen, das heißt Daseinsvorsorge, Mobilität und Gigabit für alle – in Stadt und Land, öffentliche Sicherheit in jedem Viertel.

 

Auf diese Weise schreiben wir einen neuen, modernen, fortschrittszuversichtlichen und sozial gerechten Entwurf für die Zukunft unseres Landes. Dabei orientieren wir uns an einem Gesellschafts- und Menschenbild, das anerkennt, dass Freiheit für jede Einzelne und jeden Einzeln nur durch Solidarität aller möglich ist.

L-06 Kommunen in Nordrhein-Westfalen stärken – So wollen wir in Zukunft leben!

11.07.2019

I. Von Thesen zu Positionen – Unser Weg

 

Die NRWSPD fasste im Juni 2018 den Beschluss Kernthesen sozialdemokratischer Kommunalpolitik und beauftragte zugleich den Landesvorstand, mit relevanten gesellschaftlichen Gruppen sowie interessierten Bürgerinnen und Bürgern eine Debatte über die Thesen und die Herausforderungen zukunftsfähiger Kommunalpolitik zu führen. Die vom Landesvorstand eingesetzte Arbeitsgruppe „Kommunalkampa“ führte in der Zeit von Februar 2019 bis April 2019 vier Veranstaltungen in den vier Regionen NRWs zu den Schwerpunktthemen Wirtschaft, Mobilität, Soziales und Wohnen durch. 22 externe Expertinnen und Experten bewerteten die Thesen und diskutierten mit insgesamt ca. 120 Genossinnen und Genossen, setzten zusätzliche Akzente und gaben Anregungen, die aus ihrer fachlichen Sicht zum Gelingen zukunftsfähiger Kommunalpolitik notwendig sind. Die NRWSPD dankt an dieser Stelle allen an diesen Diskussionen Beteiligten herzlich.

 

Ein Jahr vor der Kommunalwahl 2020 bekräftigen wir die in den Kernthesen sozialdemokratischer Kommunalpolitik dargelegten Positionen.

 

II. Handlungsspielräume für Kommunen schaffen

 

Unsere Kommunen sind Orte mit Zukunft. Sie sind Heimat, Zuhause, Wohnorte, Orte der Teilhabe und Teilnahme, Orte zum Lernen, Arbeiten und Erholen. Sie sind Orte für Junge und Alte, für Nachbarinnen und Nachbarn, für Alteingesessene und Neubürgerinnen und Neubürger.

 

Unsere Kommunen erfüllen als unmittelbare Ebene unserer Demokratie viele Funktionen und Aufgaben, um Lebensqualität, Bildung, Sicherheit und Mobilität für alle Generationen angemessen und einfach zugänglich zu gewährleisten.

 

Und dennoch müssen wir feststellen: Auch in vielen unserer Kommunen spiegelt sich die soziale Spaltung unserer Gesellschaft wider: Gegensätze werden sichtbar, das Gemeinsame schrumpft. Wir wollen dieser Entwicklung entgegenwirken. Wir streben gleichwertige Lebensverhältnisse an. Wir wissen, dass die Kommunen dies nur im Verbund mit Bund und Land schaffen können. Diese Aufgabe nehmen wir auf jeder staatlichen Ebene wahr. Auch in der gegenwärtigen Bundesregierung hat die SPD viel zur Unterstützung der Städte, Gemeinden und Kreise erreicht. Mit der Übernahme der Kosten der Grundsicherung im Alter, der Entlastung beim Gemeindeanteil an den Kosten der Unterkunft, der Erhöhung des Gemeindeanteils bei der Umsatzsteuer und mehreren milliardenschweren Investitionsprogrammen des Bundes ist die Freiheit der kommunalen Selbstverwaltung gestärkt worden. „Wer bestellt, bezahlt“, dieser Grundsatz muss auch für den Bund gelten.

 

Zugleich sind mit dem Stärkungspakt Stadtfinanzen der SPD-geführten Landesregierung bis 2017 auch seitens des Landes erhebliche finanzielle Unterstützungsleistungen für unsere Kommunen erbracht worden. Das Förderprogramm „Gute Schule 2020“ wirkt, ebenso die Wohnungsbauförderprogramme des Landes. Leider verlässt die schwarz-gelbe Landesregierung diesen Pfad zur Schaffung von mehr sozialem Wohnraum wieder.

 

Die finanzielle Lage mancher Kommunen bleibt schwierig.

 

In unseren Städten und Gemeinden haben die Menschen die meisten Berührungspunkte mit Staat und Politik. Auf kommunaler Ebene hat jeder und jede Einzelne die größten Gestaltung- und Einflussmöglichkeiten. Deshalb müssen die 396 Städte und Gemeinden in unserem Land an 365 Tagen im Jahr für ein lebenswertes Nordrhein-Westfalen sorgen. Das sicherzustellen, wird für viele Kommunen von Tag zu Tag schwerer. In zu vielen Städten erleben Menschen, dass die Kultur- und Sportangebote zurückgefahren und Förderungen der Jugendarbeit gestrichen werden, öffentliche Infrastruktur verfällt und die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger sinkt. Verlust von Vertrauen und steigende Unzufriedenheit finden sich vor allem dort, wo sich Menschen – unabhängig vom eigenen sozialen Status – von Politik und Staat verlassen fühlen. Gerade in einer Gesellschaft, in der traditionelle Orte der Gemeinschaft an Bedeutung verlieren, müssen wir deshalb den Städten und Gemeinden und damit in erster Linie den Bürgerinnen und Bürgern wieder Handlungsfelder eröffnen und Gestaltungsraum geben.

 

Wir haben die Kommune, das Basiscamp der Demokratie, in den vergangenen Jahrzehnten überfordert. Die Hälfte der sozialen Leistungen wird heute auf kommunaler Ebene getragen. Das Konnexitätsprinzip hieß am Ende zu oft: „Den Letzten beißen die Hunde!“ Heute befinden sich finanzschwache Kommunen deshalb in einem Teufelskreis. Sie sind nicht mehr in der Lage, aus eigener Kraft für ihre Bevölkerung vergleichbar gute Lebensbedingungen und Zukunftsperspektiven zu ermöglichen. Weil Steuern gesenkt wurden und der Bund die Lasten der Sozialgesetzgebung stärker den Kommunen aufgebürdet hat, ohne für eine ausreichende Finanzierung zu sorgen, haben wir zugelassen, dass sich unter den Städten Globalisierungsverlierer ausgebildet haben. Durch strukturelle Krisen sanken Wirtschaftsleistungen und damit auch die Steuerkraft. Die soziale Folge: Auch die Soziallasten stiegen, weshalb Geld für Investitionen und den Erhalt fehlten.

 

Der Stärkungspakt Stadtfinanzen war eine richtige und erfolgreiche Maßnahme, um hier gegenzusteuern. Nun müssen aber kurzfristig weitere Schritte folgen: Um Kommunen wieder handlungsfähig zu machen und so den Menschen wieder die Möglichkeit zu geben, das Leben auch in ärmeren Städten zu gestalten, sind drei Schritte notwendig:

 

  1. Zuerst müssen alte Kassenkredite, die Kommunen in der Regel nicht selbst verschuldet haben, in einen Altschuldenfonds unter Beteiligung von Bund und Land überführt werden.
  2. Zweitens muss verhindert werden, dass neue Kassenkredite auflaufen. Dafür müssen die Haushalte der Kommunen ausgeglichen werden. Sie müssen aber vor allem substanziell von Soziallasten befreit werden.
  3. Drittens benötigen wir zielgerichtete Hilfe für jene Kommunen, die über Jahre negativ von einem Strukturwandel geprägt wurden.

 

Folgende Punkte müssen dabei unabhängig von der Umsetzung im Detail berücksichtigt werden:

 

–           Es muss eine Entschuldung der Liquiditätskredite innerhalb eines vermittelbaren Zeitraums erfolgen. Ein Prozess, der länger als 30 Jahre dauert, wird weder der Politik noch den Bürgerinnen und Bürgern vermittelbar sein.

 

–           Egal in welcher Form die Kommunen an der Finanzierung der Lösung beteiligt werden, es müssen Spielräume entstehen, die verhindern, dass die Hebesätze bei Gewerbe- und Grundsteuern weiter steigen. Besser wäre sogar, dass sie in absehbarer Zeit auch wieder sinken könnten, um im Wettbewerb mit anderen Kommunen nicht noch weiter zurückzufallen.

 

–           Es müssen Möglichkeiten zu kommunalen Investitionen eröffnet werden, um die Funktionsfähigkeit der Kommunen und der öffentlichen Infrastruktur sicherstellen zu können.

 

–           Der gesamte Prozess muss mit einer Entlastung bei den Soziallasten durch eine Übernahme der Kosten der Unterkunft im SGB II durch den Bund begleitet werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass dieser Prozess nachhaltig gesichert werden kann und nicht neue Schulden bei sich verschlechternder wirtschaftlicher und sozialer Lage wieder aufgebaut werden.

 

–           Die Kommunen müssen gemeinsam mit der Kommunalaufsicht bereit sein zu einem umfassenden Ergebniscontrolling. Dabei wird es darum gehen, flexibel und lösungsorientiert Handlungsperspektiven zum Erhalt des Haushaltsausgleichs zu entwickeln.

 

Die Strukturkrisen der Vergangenheit und die Überwindung der strukturellen Probleme heute dürfen nicht die Zukunftsperspektiven der Menschen in den betroffenen Städten zerstören. Die Menschen müssen wieder Vertrauen in die Problemlösungskompetenz der demokratischen Institutionen gewinnen. Deshalb müssen die aktuelle wirtschaftliche Lage und die Niedrigzinsphase zur Entschuldung der Kommunen genutzt werden.

 

Auch die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ wird Maßnahmen entwickeln, die den Kommunen mit Altschulden und hohen Kassenkrediten helfen, dauerhaft auf eigenen Füßen zu stehen. Klar ist, dass der Bund hier seiner finanziellen Verantwortung nachkommen muss, um die zu großen Teilen durch den Bund verursachte Anhäufung von Kosten bei den Kommunen zu beseitigen.

Bund, Länder und Gemeinden haben gemeinsam die Aufgabe, für gute Lebensbedingungen der Bürgerinnen und Bürger in ihrer Stadt, ihrer Gemeinde und ihrer Region zu sorgen.

 

III. Einladung zum Mitmachen – Die Städte sind für Dich gebaut…

 

Wie wollen wir, wie wollen Sie, willst Du in Zukunft leben? Ist die Stadt, die Gemeinde, Deine Heimat nur noch ein globales Dorf, weil Informationen überall vorhanden und jeder mit jedem verbunden sein kann? Sind Städte und Gemeinden nicht mehr als das? Wie soll sie aussehen, die Stadt der Zukunft? Wollen Sie, willst Du dabei sein, wenn es um die Zukunft Ihrer und Deiner Heimat geht? Was ist denn Heimat, was macht sie aus, ist sie überhaupt wichtig?

 

Für uns ist sie ein Ort der Freiheit, an dem Menschen gerne leben wollen. Wir beteiligen unsere Bürgerinnen und Bürger an der Gestaltung ihrer Heimat. Demokratie und Bürgerbeteiligung gehören zur Heimat, in der wir gerne leben.

 

Anstatt die Entwicklungen in unseren Quartieren und Nachbarschaften wirtschaftlichen Interessen privater Unternehmen unterzuordnen, wollen wir sie aktiv selbst gestalten. Wer bei uns lebt, soll bezahlbare Wohnungen finden, gebührenfreie Kindertagesbetreuung, gute Schulen, einen guten Arbeitsplatz und vielfältige Einkaufsmöglichkeiten.

 

Für uns ist die Gesundheit ein hohes Gut. Deshalb wollen wir in unseren Kommunen im Einklang mit der Natur leben. Wir nutzen erneuerbare Energien und wollen sie ausbauen, wir brauchen weder Glyphosat noch grüne Gentechnik – wir suchen eine gute Zukunft, für uns und unsere Kinder.

 

In vielen Regionen stellt das Auto für die Menschen das Transportmittel der Wahl dar, aber nachhaltige und zukunftsfähige Mobilitätskonzepte erfordern einiges mehr: gute Radwege, Elektrobusse, vernetztes Carsharing oder Mitfahrangebote und ein attraktives ÖPNV-Angebot. Für uns ist die Heimat nicht rückwärtsgewandt, sondern zeigt nach vorn: Wir setzen überall auf Glasfaser: mit „smart cities“ und „smart regions“ werden wir überall gleiche Chancen zur Information, Kommunikation und guter Arbeit schaffen.

 

Unsere Kinder sind unsere Gegenwart und unsere Zukunft. Wir wollen, dass sie in beste Schulen gehen. Bildungswege in die Zukunft dürfen nicht allein vom Geldbeutel abhängen und sollen allen Generationen offenstehen.

 

Unsere Heimat ist weltoffen, tolerant und friedensstiftend. Wir helfen Menschen in materieller Not, die Opfer von Flucht und Vertreibung sind und wir zeigen Grenzen auf, damit Sicherheit und Freiheit nicht gefährdet werden. Wir sind Partner von Kirchen, Gewerkschaften und sozialen Organisationen und fördern zivilgesellschaftliches Engagement.

 

In unserer Kommune gibt es eine hohe Lebensqualität: Sport, Freizeit, Kultur sind Ausdruck von Lebensfreude, Vielfalt und Zusammenhalt. Unsere Sportstätten müssen deshalb in gutem Zustand sein und allen zur Verfügung stehen. Unsere kommunale Kultur trägt zu unserer Identität bei. Unsere Einrichtungen und unsere Aktivitäten sind unverzichtbar und deshalb keine stille Finanzreserve im städtischen Haushalt.

 

Wir wollen durch unsere vorbeugende Sozialpolitik niemanden zurücklassen und Fehlentwicklungen vorbeugen. Quartiere und Nachbarschaften müssen gute Bedingungen für eine hohe Lebensqualität bieten. Was für die junge und aktive Generation gilt, soll auch für ältere Menschen gelten. Denn bei aller Unterschiedlichkeit und trotz Meinungsverschiedenheiten: Wir gehören zusammen.

 

Unsere Kommunen sind Orte mit Zukunft. Wir wissen, dass globale Herausforderungen lokale Antworten verlangen. An dieser Politik wollen wir Sie und Dich beteiligen.

 

Wir laden alle herzlich dazu ein.

 

IV. Zwanzig zentrale kommunalpolitische Positionen der NRWSPD

 

1. Kommunale Selbstverwaltung bedeutet für uns die Freiheit, vor Ort selbst über die Lebensbedingungen und Lebensqualität der Menschen in ihrem Heimatort entscheiden zu können. Als Teil des demokratischen und sozialen Rechtsstaates der Bundesrepublik Deutschland erwarten wir die notwendige finanzielle und rechtliche Unterstützung durch Bund und Land bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe. Kommunale Selbstverwaltung ist für uns die Basis, nicht das Kellergeschoss der Demokratie. Diesem Grundverständnis folgend, setzen sich Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auf allen Ebenen für handlungsfähige Kommunen ein. Wir wollen lebendige, lebens- und liebenswerte Kommunen in NRW, in denen sich die Menschen wohl fühlen, die sie als ihre Heimat wahrnehmen und in denen sie sich selbst einbringen.

 

2. Wir stehen zur öffentlichen Verantwortung bei zentralen Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge. Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger müssen wirtschaftlich er bracht werden und sind unser Ziel, nicht das privatwirtschaftliche Gewinnstreben. Wir wollen starke Kommunen mit handlungsfähigen, demokratisch legitimierten Stadt- und Gemeinderäten sowie Kreistagen. Die wirtschaftsliberale Devise „Privat vor Staat“ lehnen wir ab. Wir bekennen uns zu interkommunaler und regionaler Zusammenarbeit. Das Wohl ergehen der eigenen Kommunen darf nicht durch ruinösen Wettbewerb auf dem Rücken der Nachbarn aufbauen.

 

3. Der Mensch steht im Mittelpunkt. Für ihn brauchen wir eine effiziente, moderne und bürgernahe Verwaltung. Für ihn brauchen wir eine funktionierende kommunale Demokratie. Sie ersetzt nicht die Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger, sondern bringt sie zur Geltung. Unsere Kommunalpolitik will die Menschen zum Engagement motivieren. Deshalb benötigen wir eine stabile kommunale Demokratie. Unsere Kommunalpolitik will die Menschen gewinnen, ihre Kommune zu gestalten, mitzuwirken und erlebbar zu machen. Des halb schätzen und fördern wir das Ehrenamt. Es ist für uns Unterstützung, kein Ersatz notwendiger Arbeit am Gemeinwesen.

 

4. Kommunale Selbstverwaltung, verstanden als Freiheit, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu behandeln, braucht eine auskömmliche Finanzierung. Wir erwarten, dass Bund und Land diese Grundlage sichern, bevor lokale Steuern und Abgaben für Aufgaben, die Bund und Land finanzieren müssen, erhoben werden. Wir fordern, dem Grundsatz „wer bestellt, bezahlt“ Geltung zu verschaffen. Wir stehen aber auch zur eigenen finanziellen Verantwortung und wollen keine Verschuldung zu Lasten nachfolgender Generationen. Kommunale Steuern, Gebühren und Abgaben müssen sich daran orientieren, dass die kommunale Infrastruktur insgesamt langfristig erhalten bleibt und die Kommune eine hohe Lebensqualität sichert. Es gilt der Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, und zwar ohne Beteiligung an zweifelhaften Steuersparmodellen, Finanzierungskonzepten oder Sozial- und Lohndumping.

 

5. Zu den Grundbedürfnissen, die eine Kommune erfüllen muss, gehört das Wohnen. Wohnraum muss ausreichend vorhanden und für breite Bevölkerungsschichten bezahlbar sein. Wir wollen eine aktive Rolle der Kommunen in der Wohnungspolitik. Angefangen von der Bodenbevorratung, Mobilisierung und Reaktivierung kommunaler Flächen wollen wir Raum für neue Wohnungen schaffen. Wir folgen dem Grundsatz der „Innen- vor Außenentwicklung“. Unsere Wohnungspolitik folgt ebenso gemeinwohlorientierten, sozialen Zielen wie den Prinzipien der Nachhaltigkeit. Wohnungspolitik und Quartiersentwicklung gehören für uns eng zusammen. Mehr und mehr Stadtteile sind von Gentrifizierung betroffen. Der Verdrängung finanziell schlechter gestellter Menschen an die Stadtränder stellen wir uns entgegen. Wir wollen Quartiere in der ganzen Stadt, die für alle bezahlbar und daher sozial durchmischt sind. Nur so werden auch unterschiedliche Stadtteilkulturen gepflegt. Dafür wollen wir auch weiterhin das Instrument der Milieuschutzsatzung nutzen. Deshalb ist der Wohnungsbau integrierter Bestandteil der Stadtentwicklung, die eine gute Lebensqualität schaffen muss.

 

Die wichtige Errungenschaft des sozialen Wohnungsbaus ist unverzichtbar und muss wieder mehr in den Vordergrund kommunaler Gestaltungsmöglichkeiten rücken. Für breite Bevölkerungsschichten ist der soziale Wohnungsbau der einzige Weg, wieder erschwinglichen Wohnraum zu erhalten. Kommunen fehlen häufig Grundstücke, um Neubauten zu errichten oder aber es fehlen die finanziellen Möglichkeiten, um vorhandene Grundstücke wirksam zu entwickeln. Deshalb wollen wir einen kostenfreien und unbürokratischen Landesfonds für die Kommunen zur Entwicklung, Wiederherstellung und Neubebauung von Brachflächen, ungenutzten Grundstücken und Immobilien schaffen.

 

6. Mobilität bedeutet Freiheit. Anders als in der Vergangenheit ist sie aber nicht mehr vor wiegend an den PKW gebunden. Wir stellen aber fest, dass statt Mobilität in NRW allzu oft Stillstand angesagt ist. Ob Stau oder mangelhaftes ÖPNV-Angebot, beides bringt nicht voran. Wenn wir die Kommunen stärken, können sie eine entscheidende Rolle bei der Mobilitätswende spielen. Viele haben bereits erfolgreich mit Veränderungen im Verkehrsmix begonnen und realisieren umweltverträglichere Lösungen. Wir wollen Mobilität fördern, indem wir den Umweltverbund aus öffentlichem Verkehr, Fahrrad- und Fußgängerverkehr fördern. Fahrgastzahlen, Komfort, Pünktlichkeit und Umweltverträglichkeit wollen wir verbessern und dennoch die Preise für Verbraucherinnen und Verbraucher senken. Wir werden neue technische Antriebe (Elektromotoren, Gas- und Wasserstoffantriebe) im öffentlichen Verkehrssektor unterstützen und Busse und Bahnen sowie kommunale Fahrzeuge zeitnah umrüsten bzw. ersetzen. Ein kostenloser öffentlicher Nahverkehr ist für uns eine visionäre Perspektive, die wir weiterverfolgen. Zur Stärkung von regionalen Verkehren brauchen wir Mobilitätskonzepte, die von Mitfahrgelegenheiten bis zum Bürgerbus die Angebotsstruktur verbessern. Um die Bedingungen von Pendler*innen zu verbessern, fordern wir eine flächendeckende Park-and-Ride-Struktur.

 

Auch hier gilt: Vieles ist aus eigener Kraft möglich, vieles müssen aber Bund und Land beisteuern. Die Verdreifachung der Bundesmittel aus dem GVFG bis 2021 für z.B. U- und Straßenbahnen und die deutlich verbesserte Bundesförderung für den Radverkehr sind wichtige Schritte, um vor Ort Bewegung zu schaffen. Unser Ziel ist, vor allem die umweltverträglichen Verkehrsträger so zu ertüchtigen, dass ein Umstieg vom Auto auf z.B. Rad und ÖPNV möglich und attraktiv ist.

 

Den öffentlichen Nahverkehr wollen wir als zentrales Element der Daseinsvorsorge und der Mobilitätswende stärken. Die Nutzung muss unkompliziert und kostengünstig sein. Tarifwirrwarr und Preise, die keine Alternative zum PKW sind, müssen der Vergangenheit angehören.
Unser Ziel ist deshalb: Ein Ticket für ganz NRW für 1 € pro Tag. Wir wollen ein 365-Euro-Ticket.

 

7. Eine gute Allgemeinbildung ist die beste Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Bildung ist aber auch notwendige Bedingung einer sozialen Gesellschaft und einer erfolgreichen Volkswirtschaft. Bildung ist der Schlüssel für die Teilhabe in allen Lebensbereichen. Deshalb wollen wir alle Kraft darauf verwenden, unsere Bildungseinrichtungen auf höchstem Niveau zu erhalten. Dazu gehören selbstverständlich die Versorgung mit Glasfaser und eine moderne digitale Ausstattung aller Bildungseinrichtungen. Bildung ist nicht auf die erste Lebensphase beschränkt. Lebenslanges Lernen verlangt Angebote entlang der gesamten Bildungskette bis zum Lernen im Alter. Wir unterstützen das Ziel, allen Menschen unabhängig vom Geldbeutel gleich gute Bildungsvoraussetzungen zu schaffen, denn noch immer entscheiden in Deutschland Herkunft und Wohnort in einem großen Maß über Teilhabe- und Bildungschancen von Kindern. Unser Ziel bleibt die Chancengleichheit beim Zugang zu Bildung, unabhängig von Herkunft und Elternhaus. Unser Ziel ist, Kita und OGS kostenfrei für alle Kinder anzubieten. Zugleich fordern wir verbindliche Standards für die OGS, um überall gleichermaßen die Qualität des Angebotes sowie die Fachlichkeit des Personals und seine angemessene Bezahlung sicherzustellen. Gebührenfreiheit kann allerdings nur dann erreicht werden, wenn Bund und Land den Kommunen die Einnahmeausfälle erstatten.

 

8. Verantwortliche Kommunalpolitik leistet ihren Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende. Starkregen, Sturm, Unwetter und Hochwasserereignisse zeigen, dass Schutzmaßnahmen erforderlich sind, um auf größere Gefahrenlagen vorbereitet zu sein. Kommunen müssen Konzepte entwickeln, um den Schutz der Bevölkerung zu sichern. Unterlassener Klimaschutz kostet, vorbeugender spart Geld und sichert unsere Lebensbedingungen. Wir unterstützen aktiv das Ziel des Bundes, den Anteil der regenerativen Energien bis 2035 auf 60% zu erhöhen. Wir stehen zur öffentlichen Verantwortung in der Umwelt- und Klimapolitik. Wir brauchen eine neue Mobilität in der Stadt. Wir wollen weder grüne Gentechnik noch Pflanzenschutzmittel wie Glyphosat im öffentlichen Bereich einsetzen.

 

9. Gute Sozialpolitik ist darauf ausgerichtet, gesellschaftliche Fehlentwicklungen vorbeugend zu vermeiden. Sie stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt durch gute Rahmenbedingungen für die verschiedenen Gruppen in einer Kommune. Kinder- und Jugendpolitik fördert Chancen und sichert Zukunft. Zum eigenen Quartier gehören generationenüber greifende Sportstätten, Jugendräume und Spielplätze. Vorsorgende Sozialpolitik beginnt mit Besuchen bei jungen Eltern, verlangt gute Familienberatung, eine emanzipatorische Kinder- und Jugendpolitik mit hohen Freizeitwerten und endet bei einer Seniorenarbeit, die die älteren Menschen nicht nur als Pflege- oder Betreuungsfälle versteht. Dennoch muss qualifizierte Hilfe vorhanden sein, wo sie nötig ist und gebraucht wird. Dafür muss auch die Ausbildung für den Pflegeberuf attraktiver gestaltet werden.

 

10. Die moderne Stadt und Gemeinde ist weltoffen, tolerant und friedensstiftend. Sie hilft Menschen in materieller Not, die Opfer von Flucht und Vertreibung geworden sind. Wir stärken dazu auch das zivilgesellschaftliche Engagement, sind Partner von Kirchen, Gewerkschaften und sozialen Organisationen. Wir hetzen Menschen nicht gegeneinander auf, um der Stammtischhoheit willen oder um kurzfristige Prozentgewinne bei Wahlen zu erzielen. Wir wollen den Menschen gute Perspektiven bieten. Wir wenden uns allerdings auch dagegen, Verantwortlichkeiten auszuweichen oder Zuständigkeiten zu verwischen. Die Asyl- und Flüchtlingspolitik ist eine Aufgabe des Bundes und ebenso der Länder. Die Kommunen dürfen weder für die finanziellen Folgen noch für administrative Vollzugsdefizite in die Verantwortung genommen werden.

 

11. Kommunen produzieren Standorte. Moderne Wirtschaft schafft gute Arbeit. Kommunale Wirtschaftspolitik stärkt kleine und mittlere Betriebe und ist Partner großer Unternehmen. Kommunale Wirtschaftspolitik schafft gute Bedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und hilft mit den Berufskollegs bei der Sicherung der dualen Ausbildung im Handwerksbereich. Gleiches gilt für den Zugang zum Dienstleistungssektor und die akademische Ausbildung. Kommunen sind als Arbeitgeber selbst gefordert und müssen ihrer Vorbildfunktion gerecht werden, wenn es um familiengerechte Arbeitszeiten, Ausbildungsplätze und Begrenzung befristeter Beschäftigungsverhältnisse geht. Die Arbeit der Zukunft wird maßgeblich durch die Digitalisierung aller Lebensbereiche geprägt. Kommunale Wirtschaftsdialoge mit den Unternehmen vor Ort, Gewerkschaften und Kammern sollen eine konzertierte kommunale Wirtschaftsförderung sichern, die den Herausforderungen des digitalen Zeitalters gewachsen ist.

 

Kommunen können, wenn es ihre finanzielle Lage erlaubt, als Investoren in öffentliches Eigentum – z. B. Kitas, Schulen, Straßen, Brücken, Verwaltungsgebäude – agieren und so einen vielerorts bedeutenden Beitrag zur Auftragslage des regionalen Handwerks und zugleich zum Werterhalt kommunalen Besitzes leisten. Häufig hindern praxisferne Vergaberichtlinien zügiges und unkompliziertes Handeln. Wir wollen Vergabevorschriften, die einen fairen Wettbewerb fördern und zugleich für die Infrastruktur der Kommunen notwendige Sanierungs- und Baumaßnahmen beschleunigen, statt sie zu verzögern. Selbstverständlich müssen Antikorruptions-Vorschriften und ihre Handhabung davon unberührt bleiben.

 

12. Kommunalpolitik ist Verbraucherpolitik. Wir wollen einen florierenden Einzelhandel in lebendigen Innenstädten. Dazu gehören neben dem Einzelhandel auch ausreichend Grünflächen und Zonen zur Erholung für die Bürger*innen. Wir brauchen keine Aufhebung der Sonntagsruhe durch immer mehr verkaufsoffene Sonntage. Wir wollen eine gesunde Ernährung mit regionalen Produkten und einer umweltverträglichen Landwirtschaft. In Zeiten von Lebensmittelskandalen, Umweltgiften und immer wachsender Verletzlichkeit unserer Gesellschaft durch die Digitalisierung brauchen Verbraucherinnen und Verbraucher Beratung und Aufklärung durch die Verbraucherzentralen.

 

13. Der demografische Wandel ist kein Zukunftsszenario. Eine älter werdende Gesellschaft bringt neue Aufgaben mit sich. Eine ausreichende Betreuung, eine qualitativ hochwertige Pflege und die Ermöglichung von Mobilität durch einen erreichbaren ÖPNV spielen eine wichtige Rolle. Auch der Vereinsamung älterer Menschen muss vor Ort durch Angebote und Projekte begegnet werden. Wir begreifen die alternde Gesellschaft als ein generationenüber greifendes Gesamtkonzept, in der jeder von jedem profitieren kann.

 

14. Dorf- und Stadtentwicklungspolitik hat die Kommunen insgesamt im Blick. Wie in einem Brennglas sind gesellschaftliche Herausforderungen in unseren Gemeinwesen konzentriert. Konzepte, die die Aufgaben der Gegenwart erfassen, die Zukunft der eigenen Heimat beschreiben und Ziele einer zukunftsfähigen und lebenswerten Kommune entwickeln, sind für uns unverzichtbar. In den Prozess der Erarbeitung dieser Konzepte beziehen wir die Bürgerinnen und Bürger aktiv ein. Wir wollen die teilhabenden und mitbestimmenden Bürgerinnen und Bürger.

 

15. Die Digitalisierung der Gesellschaft schreitet weiter voran und wird auch das öffentliche Leben in den Städten und Gemeinden durchdringen. Kaum ein Lebensbereich dürfte in den kommenden Jahren unberührt bleiben. Um die Chancen in allen Teilen des Landes nutzen zu können, werden wir dem Recht auf Glasfaser Geltung verschaffen und schnellst möglich die notwendige Infrastruktur schaffen. Wir brauchen eine digitale Agenda in jeder Kommune. Deshalb werden wir auch die demokratisch legitimierten Gremien mit dieser Aufgabe befassen und einen Bürgerdialog initiieren, um Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken in Erfahrung zu bringen und zu gestalten.

 

16. Unsere Kommunen sollen generationengerecht und integrativ sein. Demografischer Wan del ist selbstverständlicher Teil des gesellschaftlichen Wandels. Er begleitet uns von der Kita bis zum Pflegeheim und in den jeweils unterschiedlichen sozialen Lebenslagen. Die Teilhabe am kommunalen Geschehen darf nicht durch physische Barrieren oder Diskriminierung gleich welcher Art eingeschränkt oder verhindert werden. Die Stadt der Zukunft ist inklusiv, barriere- und diskriminierungsfrei und ermöglicht die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für jeden Einwohner und jede Einwohnerin. Eine gute Beobachtung des demografischen Wandels ist unverzichtbar. Deshalb wollen wir Betroffene zu Beteiligten machen und ihnen in jeder Lebensphase die Mitwirkung am kommunalen Leben sichern und Hindernisse, wie zum Beispiel an Bahn- und Busstationen, abbauen.

 

17. Sport ist nicht nur Ausdruck von Lebensfreude, sondern leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Gesundheit der Bevölkerung. Sport ist ein Schlüssel zu gesellschaftlicher Teilhabe und Integration. Sport ist auch Teil einer vorsorgenden Sozialpolitik und Aus druck guter Lebensqualität. Unsere Sportstätten müssen deshalb in gutem Zustand sein und der Bevölkerung insgesamt zur Verfügung stehen. Spitzen- und Breitensport sind gemeinsam Elemente guter, lokaler Sportpolitik. Deshalb muss insbesondere die finanzielle Unterstützung des Breitensports von den Kommunen angegangen werden. Ebenso leisten wir Unterstützung bei Inklusion und Integration von Menschen mit Einschränkungen in die Vereine und erleichtern den finanziellen Zugang von Kindern und Jugendlichen zu Sportangeboten.

 

18. Unsere Städte sind Teil der Natur und Produkt der Kultur. Die Kultur einer Stadt hat viele Ausdrucksformen, darunter sind unsere Theater, Konzerthäuser und viele verschiedene Bühnen, die uns die Welt näherbringen, im Guten wie im Schlechten. Mit ihren viel seitigen Aktivitäten tragen die Kulturschaffenden in den verschiedenen Spielorten zur Weltoffenheit unserer Kommunen bei. Sie sind nicht nur Teil der Daseinsvorsorgen, sie tragen zur Identität einer Stadt bei, prägen ihren Charakter und sind deshalb unverzichtbar Bestandteil unserer politischen Kultur. Kulturelle Bildung ist ein wichtiger Baustein der Erziehung von Kindern und Jugendlichen. Vom Zugang zum Musikunterricht bis zu kulturellen Großveranstaltungen müssen kulturelle Orte und Veranstaltungen auf finanziell stabilen Säulen stehen, ohne die kommunalen Haushalte zu überfordern. Für uns ist die lokale Kulturpolitik weder eine disponible freiwillige Leistung noch eine stille Reserve im städtischen Haushalt. Wir wollen Kultur für alle und Kultur von allen.

 

19. Zur kommunalen Daseinsvorsorge gehört auch die Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung. Wir wissen, gute Familien- und Sozialpolitik ist die beste Kriminalprävention. Darum heißt es bei uns „Prävention vor Repression“. Wir nutzen unsere kommunalen Einrichtungen, um dies zu gewährleisten, ohne dabei die Aufgaben und Befugnisse der Polizei zu übernehmen. Deutliche Grundrechtseingriffe, wie etwa durch Videoüberwachung des öffentlichen Raums, bleiben in Verantwortung und Finanzierung eine polizeiliche Aufgabe, die wir im Rahmen unserer Kapazität unterstützen. Jede Grundrechtseinschränkung zur Kriminalitätsprävention und Strafverfolgung muss mit einem überwiegenden Nutzen zu rechtfertigen sein. Für uns gilt: Im Zweifel für die Freiheit!

 

20. Europa hat eine wichtige Bedeutung für die Kommunen, nicht nur im Hinblick auf Förder- und Entwicklungsprogramme. Viele europäische Entscheidungen haben direkten positiven Einfluss auf die Menschen vor Ort und sichern insgesamt den Frieden in Europa. Die grenzüberschreitende Freiheit innerhalb der EU bietet den Menschen Chancen. Diese positiven Chancen gilt es zu sichern und die Stellung der kommunalen Selbstverwaltung in Europa zu stärken.

L-05 Wohnen ist ein soziales Menschenrecht und schafft Heimat für Alle – Darum: Bezahlbarer und lebenswerter Wohnraum für alle Menschen in Nordrhein-Westfalen

1.07.2019

Unser Politischer Grundsatz lautet: Wohnen ist kein Wirtschaftsgut, es ist Heimat, es ist Zuhause. Gemeinwohlorientierung vor Renditeorientierung!

 

Unser Ziel lautet: Die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen sollen maximal 30 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für die Miete ausgeben müssen.

Aufgrund der Verfehlungen der letzten Jahrzehnte ist dieses Ziel nur langfristig zu erreichen, aber: Dafür muss die öffentliche Wohnungspolitik in den Kommunen, im Land und im Bund endlich und konsequent umsteuern!

 

I. Aktuelle Lage

In Deutschland wohnt der weit überwiegende Teil der Menschen zur Miete, in NRW sind es knapp 57,5 Prozent. Junge Familien haben es immer schwerer eine geeignete und bezahlbare Wohnung in unseren Städten zu finden. Das Versprechen, dass der, der hart arbeitet, sich irgendwann eine kleine Wohnung oder gar ein Eigenheim leisten kann, gilt nicht mehr. Mehr noch: Wohnen ist die Soziale Frage unserer Zeit. Viele Menschen können sich Städte wie Düsseldorf, Köln, Bonn oder Münster schlicht weg nicht mehr leisten.

 

Es ist diskriminierend, wenn nicht alle Bürgerinnen und Bürger in bestimmte Städte ziehen können. Damit verliert die Stadt ihren offenen Charakter als Ort, an dem alle ihre Chance suchen können.

Dies trifft nicht nur die prosperierenden Großstädte. Es gibt viele, gerade ältere Menschen, die in ländlichen Räumen leben, für die die alte Wohnung zu groß geworden ist und die keine bezahlbare und barrierefreie Wohnung finden.

 

Unter der Annahme, dass Menschen nicht mehr als 30 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Wohnen ausgeben sollten, fehlen in NRW je nach Untersuchungen bis zu 550.000 bezahlbare Wohnungen.

Probleme haben längst nicht nur Menschen mit geringen Einkommen, sondern ebenfalls die Mittelschicht.

Neubaumieten sind in NRW seit 2010 um 29 Prozent gestiegen. Wiedervermietete Bestandswohnungen verteuerten sich um 23 Prozent. Im gleichen Zeitraum nahm die allgemeine Preissteigerung um 11,5 Prozent und die Reallohnentwicklung um 11 Prozent zu.

 

Die schwarz-gelbe Landesregierung verschärft die soziale Notlage im Wohnungsbau, anstatt sie zu lösen, indem sie

  • die Mittel für die Förderung des Mietwohnungsbaus gegenüber der Zeit der SPD-Landesregierung nicht bedarfsgerecht weiter erhöht hat und stattdessen einseitig in der Eigentumsförderung Schwerpunkte gesetzt hat und diese für Gutverdiener über die Wohnraumförderung hinaus noch ausgebaut hat.
  • angetrieben durch eine neoliberale „Entfesselungsideologie“ Regelungen beseitigen will, die Mieter vor weiteren Mieterhöhungen und Wohnraumverlust schützen und die Umwandlung von Wohnraum in Eigentumswohnungen behindert.

 

Das ist keine Entfesselung, das ist ein Brandbeschleuniger für die Spaltung unserer Gesellschaft.

Das Mantra „Privat vor Staat“ oder der Glaube in den Markt, „der das schon regelt“, wird weiter wie eine Monstranz vor sich hergetragen. Die Wahrheit ist aber: Der Markt allein regelt gar nichts.

 

Die SPD in NRW hat dieses Problem rechtzeitig erkannt. Unter Bauminister Mike Groschek wurden seit 2015 die Mittel für den öffentlich geförderten Mietwohnungsbau auf 1,1 Mrd. Euro drastisch erhöht und die Programme durch Tilgungszuschüsse attraktiver gemacht. So wurden 2016 Fördermittel für den Neubau von gut 7.600 Mietwohnungen bewilligt. 2017 auf der Grundlage des noch von der rot-grünen Landesregierung beschlossenen Programms wurde die Förderung von insgesamt 7.230 Wohnungen zugesagt. Damit stieg die Förderung wieder auf das historisch hohe Niveau der 1990er Jahre.

Aber: Wir sehen nun, dass diese Anstrengungen allein nicht ausreichen.

 

Nach Angaben des Deutschen Städtetages haben in den Großstädten 35-50 Prozent der Haushalte einen Anspruch auf eine öffentlich geförderte Wohnung. Bundesweit erhalten diesen aber nur 6 Prozent aller Berechtigten.

Und das Schlimmste steht uns noch bevor: In NRW fallen in den nächsten sechs Jahren 27 Prozent der preisgebundenen Mietwohnungen aus der Bindung – bis 2040 werden es 42 Prozent sein. Das bedeutet eine zusätzliche Verschärfung eines Problems, dass aktuell schon brennt.

 

 

I.1 Historische Entwicklung

Schaut man auf die Wohnungspolitik in Deutschland und Nordrhein-Westfalen, ist die Frage von Grund und Boden der zentrale Dreh- und Angelpunkt. Die Wohnungsfrage ist ohne Bodenpolitik nicht lösbar. Wenn in manchen Städten die Bodenpreise die Baupreise übersteigen, macht das die Dimension vor der wir stehen deutlich.

 

In Art. 14: Abs. 2 GG heißt es: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“.

Dies ist gerade in der Frage von Grund und Boden elementar, denn Boden ist keine beliebig vermehrbare Ware, er ist vielmehr als nahezu einziges Gut unvermehrbar, unverzichtbar und unzerstörbar.

Dementsprechend entbrennt die Debatte auch um die Frage: Ist der Grund und Boden Ware oder Gemeingut?

 

Seit über 100 Jahren ist die Bodenfrage Gegenstand einer Debatte, die sich um staatliche Eingriffe in das Privateigentum von Grund und Boden dreht.

„Die Bearbeitung und Ausnutzung des Bodens ist eine Pflicht des Grundbesitzers gegenüber der Gemeinschaft. Die Wertsteigerung des Bodens, die ohne eine Arbeits- und Kapitalaufwendung entsteht, ist für die Gemeinschaft nutzbar zu machen“ heißt es in Art. 155 Abs.3 der Weimarer Reichsverfassung von 1919.

In einigen Länderverfassungen waren ausdrücklich starke Interventionen des Staates vorgesehen, am schärfsten in der von Bayern: Art 161 Abs.2: „Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen“.

 

Die Zuspitzungen in der Wohnungsfrage zu jener Zeit führten dazu, dass in einigen Nachbarländern, insbesondere in Wien aber auch in der Schweiz, ein großer Teil des Wohnungssektors dem Markt entzogen wurde; bis heute garantiert dort ein großer Teil dauerhaft öffentlichen Wohnungsbaus bzw. genossenschaftlichen Wohnungsbaus sozial verträgliche Mieten und verhindert eine sozialräumliche Spaltung der Gesellschaft.

 

In den Nachkriegsjahrzehnten der jungen Bundesrepublik Deutschland waren Bemühungen um eine gemeinwohlorientierte Bodenpolitik regelmäßig auf der Agenda; ein allgemeiner Planungswertausgleich im Planungsrecht scheiterte – obwohl weit fortgeschritten – in den 1970er Jahren im Bundesrat; hingegen wurden staatliche Eingriffe in Preisbildung und Verfügungsrechte über Grund und Boden im Interesse des Gemeinwohls im Städtebauförderungsgesetz von 1971 (später besonderes Städtebaurecht) eingeführt.

 

Lagewerte werden durch Staat und Gemeinden geschaffen (Planungsrecht, Infrastruktur); die Entwicklung deutscher Städte, die sich durch Vielfalt, Nutzungsmischung, soziale und räumliche Durchlässigkeit und bis 1990 auch einen starken Gemeinnützigkeitssektor im Wohnungswesen auszeichnen, wäre ohne ausgleichende staatliche Intervention, gerade auch im Planungsrecht, nicht möglich gewesen.

 

Hinzu kommt, dass der Staat, also alle Ebenen des Staates – Kommunen, Land und Bund – teils dem neoliberalen Zeitgeist geschuldet, teils aus haushälterischen Zwängen heraus – die Wohnungsbaugesellschaften in staatlicher Hand privatisiert haben und damit weiterer Zugriff auf Wohnungen sowie den Grund und Boden vom Staat auf Private übergegangen ist. Im Ergebnis sprechen große Teile der Wissenschaft auch von einer Enteignung des Staates – mangels Handlungs- und Steuerungsmöglichkeiten.

 

Zudem galt das Thema Wohnen Anfang der 2000er Jahre als gelöst, da in der Zeit das dominierende Thema des Demographischen Wandels das Problem schon allein lösen wird.

 

 I.2 Kapital und Wohnen

Gab es in den ersten Jahrzehnten der bundesrepublikanischen Geschichte noch eine allgemein gesellschaftlich anerkannte kulturelle Leitvorstellung, dass Marktwirtschaft neben der privaten, gerade auch der öffentlichen Wohlstandmehrung dienen muss, so hat sich in den letzten Jahrzehnten der Fokus dieser Leitvorstellung verschoben. Immer weitere Bereiche der Daseinsvorsorge – so vor allem auch das Wohnen –  wurden ökonomisiert, beispielsweise im Zuge des Verkaufs großer kommunaler oder landeseigener Wohnungsbestände an börsennotierte Unternehmen.

 

Dies hat zumindest in den Städten mit großer wirtschaftlicher Dynamik zu einer besonderen Belastung gerade kleinerer und mittlerer Einkommensbezieher geführt.

In diesem Kontext spielt die Bodenpolitik eine bedeutende Rolle!

In den wachsenden (und auf der Gegenseite in den schrumpfenden) Städten kollidieren Anlageinteressen (oder Desinvestitionen) des Finanzkapitals einerseits und die Anforderungen an sozialstaatlichen Schutz von Stadtbewohnern (Mietern, Kleineigentümern, mittelständischen Unternehmen und Gewerbetreibenden) sowie der öffentlichen Hand als Garant von öffentlicher Infrastruktur andererseits. Die räumlichen Lagen, welche eine hohe zahlungskräftige Nachfrage erwarten lassen, versprechen eine hohe Anlagerendite. Insbesondere in der aktuellen Dekade werden Immobilien als Alternative zu Aktien zunehmend als abstrakte Finanzderivate gehandelt. Lage ist aber immer singulär und kann nur begrenzt staatlich oder privat beliebig hergestellt werden. Solange aber zahlungskräftige Nachfrage besteht, bestimmt ohne regulierenden Eingriff ausschließlich der Preis die Verfügbarkeitschancen von Grundstücken in begehrten Lagen.

Niedrige Zinsen und Renditen auf Finanzanlagen haben zu einer Explosion der Immobilienpreise geführt.

 

Die Renditelogik internationaler Pensionsfonds und börsennotierter Aktiengesellschaften lässt sich so lange umsetzen, wie noch zahlungskräftige Nachfrage besteht. Auf die Lebensinteressen gerade von Menschen mit geringen oder durchschnittlichen Einkommen nimmt diese Logik keine Rücksicht. Zunehmende soziale Spaltung und Desintegration in unseren Städten sind die Kehrseite des wachsenden privaten Reichtums. Der Luxussanierung von Quartieren für die Wenigen steht die Vernachlässigung von Wohngebieten entgegen, die für Investoren uninteressant geworden sind.

 

Selbst das mantramäßig vorgetragene Argument, diesem Problem sei nur mit „Bauen, Bauen, Bauen“ beizukommen verkennt, dass der weit überwiegende Teil des Wohnungsneubaus im frei finanzierten Wohnungsbau errichtet wird und – mangels konsequenter staatlicher und kommunaler Bodenpolitik – gerade in den integrierten städtischen Lagen keine oder kaum kommunale Grundstücke zur Verfügung stehen. Börsennotierte Unternehmen legen nachweislich ihren Investitionsfokus bei Erneuerungsinvestitionen auf die umlagefähige Modernisierung und nicht auf die nicht umlagefähige Instandsetzung.

 

Hinzu kommt, dass die Mietbindung im öffentlich geförderten Wohnungsbau begrenzt ist.

Die Schattenseite ökonomischer Aufwertung ist die Entwertung ganzer Stadtquartiere in schrumpfenden Regionen und Städten.

Hier wirken die gleichen Mechanismen – nur spiegelbildlich: Der Markt verspricht keine nachhaltigen Renditen, Investitionen unterbleiben, soziale Selektivität nach unten ist die unvermeidbare Konsequenz, sofern Kommunen nicht mit staatlicher Unterstützung regulierend in das Wertgefüge und die Eigentumsverhältnisse eingreifen.

Zusammen betrachtet gefährden diese Entwicklungen nicht nur das Erbe der europäischen Stadt. Sie entwickeln insbesondere auf dem Sektor des Wohnungsmarktes eine höchst brisante Sprengkraft für den sozialen Frieden.

 

In einer Reihe deutscher Städte übersteigen inzwischen die anteiligen Bodenpreise die baulichen Herstellungskosten für Wohnungen. Damit wird die Verfügbarkeit über Boden bzw. die Abschöpfung von Bodenwertsteigerungen zugunsten des Baus und der dauerhaften Bewirtschaftung sozial orientierter (nicht gewinnorientierter) Wohnungen zu einer Schlüsselfrage einer solidarischen Gesellschaft.

 

I.3 Grundversprechen der Sozialdemokratie

Das Grundversprechen der Sozialdemokratie ist an zwei für die Wohnungspolitik zentralen Stellen brüchig geworden: Das Wohlstandsversprechen der sozialen Marktwirtschaft bestand in einem in Aussicht gestellten Fahrstuhleffekt – wenn auch einige sehr reich wurden, so würden doch alle am wachsenden Wohlstand teilhaben.

 

Dieses Versprechen ist wirksam widerlegt. Einkommen aus Kapitalvermögen wachsen sehr viel stärker als Vermögen aus Erwerbsarbeit, und die Unterschiede zwischen Reichen und vielen Bürgern mit geringen und mittleren Einkommen wachsen insbesondere in den letzten beiden Jahrzehnten stark an. Mit gravierenden Folgen: Zum einen steigen die Mietpreise sehr viel schneller als die Lohnentwicklung geschweige denn die Rentenerhöhungen. Das heißt, dass ein immer höherer Anteil des Einkommens für die Miete aufgewendet werden muss. Zudem wissen die Menschen im Lande, die auf Eigentum sparen, nicht wo sie ihr Geld anlegen sollen.  Mit einem Tagesgeld-Zins von 0,25 Prozent und einer Inflation von 1,8 Prozent sinkt der Geldwert jedes Jahr um 1,55 Prozent, während die Kapitalrendite nach wie vor stark ansteigt. Das heißt, ein Kapitalaufbau für die Anschaffung des Eigentums ist ebenfalls schwerer möglich.

 

Zudem galt, dass man mit seiner Hände Arbeit in der Lage ist, seine Wohnung zu bezahlen. Und wenn man ordentlich spart, ist ebenfalls der Kauf des Eigentums möglich. Dies ist in vielen Kommunen Nordrhein-Westfalens für viele Bürgerinnen und Bürger mittlerweile ausgeschlossen. Viele Menschen können allenfalls mit dem Erbe sich den Traum der eigenen vier Wände ermöglichen. Mehr noch, viele Menschen werden aus ihrem Zuhause vertrieben, weil die Kluft zwischen der Miete und den Löhnen weiter ansteigt. Besonders dramatisch ist es laut Studie der Hans-Böckler-Stiftung in Nordrhein-Westfalen in Aachen, Bonn, Duisburg, Köln, Krefeld und Neuss, wo 45 Prozent der Bevölkerung mehr als 30 Prozent ihres Haushaltseinkommens für die Miete aufwenden. Diesen Problemlagen ist nicht überall nur mit der Wohnungspolitik zu begegnen, sie machen aber die Dimensionen deutlich.

 

II. Sozialdemokratische Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit

Für die Sozialdemokratie in Nordrhein-Westfalen ist mehr Gemeinwohl die Antwort für die Wohnungspolitik in Nordrhein-Westfalen für die Zukunft.

 

Denn die Vorstellung, der Markt regele die Versorgung mit geeignetem Wohnraum besser als Staat und Kommunen ist nicht nur bizarr, sondern schlicht falsch.

 

Das Recht eines jeden auf eine bezahlbare Wohnung kann der Markt offensichtlich nicht realisieren. Wir brauchen deshalb mehr staatliche Aktivitäten und Regeln, denen sich die CDU und FDP aus ideologischen Gründen bisher widersetzen. Der Staat muss für bezahlbaren Wohnraum sorgen, indem er die Spekulation mit Bauland stoppt, den Anstieg der Mieten wieder in Einklang bringt mit der Einkommensentwicklung und für ausreichend bezahlbaren Wohnraum in öffentlicher Verantwortung sorgt. Zu all dem kämpfen wir dafür, dass die europäische Stadt, die immer ein Raum gewesen ist, in dem alle Menschen ihr Leben nach eigenen Vorstellungen realisieren konnten, in ihrer Vielfalt erhalten bleibt. Stadtentwicklung und Dorfentwicklung müssen auch künftig für lebenswerte Quartiere und Orte sorgen, in denen die Menschen ihre Heimat finden können, ohne Angst, Opfer von Spekulanten zu werden. Zudem müssen wir darauf achten, dass der Verbrauch an wertvollem Boden, an Energie und Material reduziert wird. Neue Formen einer auch klimaangepassten Bauweise sind ebenso notwendig, wie ein Wohnungs- und Städtebau, der der demographischen Entwicklung und wechselnden Bedürfnissen der Menschen im Laufe ihres Lebens flexibel Rechnung trägt.

 

Daher ist handlungsleitend in dem Antrag für die NRWSPD: Wie entwickeln wir bezahlbaren und lebenswerten Wohnraum? Bezahlbar bedeutet, dass die Menschen in Nordrhein-Westfalen maximal 30 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für die Miete ausgeben müssen. Lebenswerte Quartiere heißt, dass die Menschen in NRW sich zuhause fühlen, weil bezahlbar nicht qualitativ minderwertig heißen darf.

 

Dabei haben wir Antworten entwickelt in den Bereichen:

  • Bodenpolitik – Ein besserer Umgang mit dem Grund und Boden
  • Der Staat als Akteur – Wir stehen für die aktive Rolle des Staates in der Wohnungspolitik
  • Der Staat als Rahmengeber – Wir stehen für die Rahmenbedingungen, die die Interessen der Mieterinnen und Mieter miteinander in Einklang bringen.
  • Art des Bauens – Wir stehen für den Dreiklang von Ökonomie, Ökologie und sozialer Gerechtigkeit
  • Sozialdemokratische Stadtentwicklung – Wir entwickeln Heimat vor der Haustür

 

II.1 Elemente einer sozial ausbalancierten Bodenpolitik

 

  1. Wir fordern mehr Boden in kommunaler Hand

Die Kommunen sollen den Boden als zentrales Element einer Steuerung der Stadtentwicklung im Eigentum behalten. Dazu müssen folgende Instrumente neu geschaffen oder ausgebaut werden:

 

  • Aufbau von Boden- und Infrastrukturfonds für die Kommunen mit Hilfe des Landes und des Bundes. Dies bedarf umfassender Regelungen gesetzlicher, finanzieller und haushaltsrechtlicher Art, um auch finanzschwachen Kommunen einen Aufbau von Bodenfonds zu ermöglichen, ohne ihre Investitionsfähigkeit i. R. der kommunalen Infrastrukturaufgaben (Schulen, Straßen, öffentliche Gebäude, o.a.) zu beeinträchtigen.
  • Erbbaurecht als Regelfall – Vergabe kommunaler Nutzungsrechte anstelle eines Verkaufs von Boden. Dies ist auch im Interesse der meisten Bauherren (Startinvestitionen!), eventuelle Hemmnisse für Kreditgewährung müssen und können beseitigt werden.
  • Verzahnung von Verfügungsrechten (Erbbaurecht) und gemeinwohlorientierter Steuerung des Wohnungsmarktes: Vorrangige Vergabe kommunaler Bodennutzungsrechte an öffentliche oder private Eigentümer, die eine langfristige Bereitstellung bezahlbaren Wohnungsraumes garantieren. Dies sollte durch eine Änderung der Wohnungsbaufinanzierung im Sinne einer stärkeren Unterstützung von gemeinnützigen Unternehmen und Einrichtungen (Genossenschaften) erfolgen. Die Vergabe von Verfügungsrechten ermöglicht darüber hinaus auch wirksame Vereinbarungen für einen klimaneutralen Wohnungsbau und Formen nachhaltiger umweltfreundlicher Mobilität.
  • Offenheit im Diskurs um Fragen der Vergesellschaftung. Dieser Diskurs schärft die Wahrnehmung für die Frage, in wessen Interesse und mit welcher Logik Stadtentwicklung betrieben wird. Eine Vergesellschaftung von Grund und Boden ist in unterschiedlichen Formen denkbar. Gemeinwohlinteressen zu formulieren und in Abwägung mit Kapitalanlageinteressen zu stellen ist legitim und wird durch Art 15 GG gedeckt.

 

  1. Wir fordern eine Stärkung der kommunalen Eingriffsrechte (bodenrelevante Steuerungsinstrumente) durch:
  • die häufigere Anwendung des Instruments der Entwicklungsmaßnahme gem. Baugesetzbuch (BauGB) und deren Weiterentwicklung in Form der Erweiterung der Anwendungsmöglichkeiten auf kleinteilige Fallgestaltungen durch Einführung der Innenentwicklung Maßnahme (IEM);
  • die Verbreiterung der Anwendungsmöglichkeiten und Verfahrenserleichterungen für das gemeindliche Vorkaufsrecht durch
    • Erweiterung der Regelungen des besonderen Vorkaufsrechtes gem. §25 BauGB) i.S. der Schaffung einer Möglichkeit für die Kommunen zum Erlass von Satzungen, dass in zu bestimmenden Teilbereichen der Kommune generell ein preislimitiertes Vorkaufsrecht gilt;
    • die Klarstellung, dass auch die Durchsetzung des Vorrangs der Innenentwicklung ein ausreichender Gemeinwohlgrund zur Ausübung des Vorkaufsrechts (sowie des Baugebots) ist;
    • die Verhinderung der Umgehungen des Vorkaufsrechts durch Übertragung von Gesellschaftsanteilen, sog. „share deals“;
    • die Ausdehnung des Vorkaufsrechts in bestimmten Fällen auf Teileigentum gemäß Wohnungseigentumsgesetz (WEG) sowie auf Erbbaurechte.
  • Abkehr vom Vergleichswertverfahren und Wechsel zum Ertragswertverfahren bei der Beurteilung der Angemessenheit von Kaufpreisen

 

  1. Wir fordern die Stärkung der Gemeinwohlbelange bei der Abgabe von Verfügungsrechten über Immobilien durch die Kommunen durch die gemeinwohlorientierte Vergabe von Immobilien der öffentlichen Hand in Form der konzeptorientierten Ausschreibung, die zur „Regelvergabe“ erklärt wird.

 

  1. Wir fordern die Abschöpfung spekulativer Bodenpreissteigerungen z.B. durch eine reine Bodenwertsteuer oder die Differenzierung von Steuersätzen für Boden und Gebäude. Das erreichen wir durch eine Bodenwertsteuer, die Bodenspekulationen unmöglich und zudem die Steigerungen des Bodenwertes für die Allgemeinheit nutzbar macht. Es waren SPD-Parteivorsitzende wie Hans-Jochen Vogel, die aus ihrer kommunalen Erfahrung schon in den 1960er Jahren auf diesen Missstand hingewiesen haben.

 

  1. Wir fordern die Schärfung bodenrelevanter Instrumente des Planungsrechtes durch:
  • eine Erweiterung der bauplanungsrechtlichen Festsetzungsmöglichkeiten derart, dass die Festsetzungsmöglichkeiten in einfachen Bebauungsplänen durch einen neuen § 9 Abs. 2d BauGB erweitert werden, der in definierten Bereichen für neue Bauvorhaben einen Beitrag zum Gemeinwohl als Genehmigungsvoraussetzung ermöglicht. Auch damit wird die Innenentwicklung gefördert und gleichzeitig i.S. einer Gleichbehandlung von Bauherren in Bebauungsplanbereichen und in gem. §34 BauGB zu beurteilenden Gebieten („im Zusammenhang bebaute Ortsteile“) erreicht;
  • die verbesserte Anwendbarkeit städtebaulicher Gebote;
  • die Einführung eines Planungswertausgleichs, mit dem durch Planung und öffentliche Infrastrukturinvestitionen ausgelöste Bodenwertsteigerungen ganz oder teilweise abgeschöpft werden.

 

II.2 Der Staat als Akteur

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen für einen aktiven Staat auf dem Wohnungsmarkt.

 

Über die öffentliche Förderung bietet der Staat Anreize für private und öffentliche Investoren, Wohnraum zu bezahlbaren Mieten zu schaffen. Der preisgebundene Bestand beträgt aber nur 10 Prozent des gesamten Bestands an Mietwohnungen. Trotz erheblicher Zuschüsse und günstiger Kreditkonditionen sind angesichts der Renditeerwartungen im frei finanzierten Wohnungsbau private Investoren nicht bereit, preisgebundene Mietwohnungen im erforderlichen Umfang zu errichten.

 

Dies zeigt, dass der Markt auf Grund seiner Mechanismen nicht genügend bezahlbaren Wohnraum für alle Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung stellt. Die NRWSPD wird sich deshalb auf Ebene der Städte und Gemeinden, des Landes und des Bundes dafür einsetzen, dass der Staat wieder mehr Verantwortung übernimmt, um eine ausreichende und bezahlbare Versorgung mit Wohnraum zu sichern. Es kommt darauf an, den gemeinwohlorientierten Anteil von Mietwohnungen im Markt, die an der Kostenmiete und nicht an der maximalen Rendite orientiert sind, mittel- bis langfristig deutlich zu erhöhen. Nur wenn bedeutende Anteile der Wohnungsbestände den heutigen Marktmechanismen entzogen sind, wird es gelingen, stabile und sozial verträgliche Mietenniveaus zu schaffen und letztlich den sozialen Frieden zu sichern.

 

Dazu gehören der Aufbau und Ausbau öffentlicher und gemeinnütziger Wohnungsunternehmen, eine am Gemeinwohl orientierte Bodenpolitik und Regeln am Wohnungsmarkt, die sicherstellen, dass die Kosten des Wohnens nicht höher als 30 Prozent des verfügbaren Einkommens sind.

 

Langfristig soll die öffentliche Förderung im Wohnungsbau nur noch gemeinwohlorientierten Unternehmen und solchen Organisationsformen wie z.B. Genossenschaften, die sich mit einer geringen Rendite zufriedengeben, zugutekommen. Nur so können auch langfristig stabile Mieten gesichert werden.

 

Dieses Ziel wird nur langfristig erreichbar sein. Dennoch muss jetzt umgesteuert werden. Zugleich müssen aber kurzfristige Anstrengungen unternommen werden, um mit den heutigen Instrumenten schnell mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

 

Dafür werden wir konkret folgende Maßnahmen in Angriff nehmen:

 

(1) Um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, brauchen wir in den nächsten Jahren mehr öffentlich geförderten Mietwohnungsbau. Dazu müssen die Mittel für den öffentlich geförderten Mietwohnungsbau in NRW gegenüber dem heutigen Niveau deutlich erhöht und verstetigt werden. Unser Ziel ist, dass pro Jahr mindestens 10.000 neue Wohnungen im geförderten Wohnungsbau entstehen. Zudem muss die soziale Wohnraumförderung wieder stärker auf ihre Kernaufgabe nach dem Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum des Landes Nordrhein-Westfalen (WFNG) ausgerichtet werden. Die zugehörigen Förderrichtlinien müssen angepasst werden.

 

(2) Um den Neubau von bezahlbaren Wohnungen anzukurbeln, setzen wir neben verantwortungsbewussten privaten Investoren vor allem auf kommunale und genossenschaftliche Wohnungsbauunternehmen, die nicht die Rendite, sondern die gemeinwohlorientierte Kostenmiete in den Mittelpunkt ihres unternehmerischen Handeln stellen. Wir werden im Wohnungsbauprogramm Anreize schaffen, damit die Sozialbindung länger erhalten bleibt und dadurch langfristig stabile Mieten angeboten werden können. Der kommunale Wohnungsbau soll mit gutem Beispiel vorangehen.

 

(3) Das Land muss die Kommunen dabei unterstützen, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Die bestehenden Angebote zur Unterstützung bei der Flächenentwicklung wollen wir ausbauen und durch den Aufbau eines gemeinwohlorientierten Bodenfonds erweitern.

 

(4) Wir werden uns dafür einsetzen, dass die kommunalen Wohnungsbauunternehmen ihre Bauaktivitäten steigern. NRW braucht eine eigene Landeswohnungsbaugesellschaft, die im Auftrag von Kommunen, die über keine eigene Wohnungsbaugesellschaft verfügen oder deren Wohnungsbaugesellschaften aus eigener Kraft selbst nicht mehr tätig werden können, bezahlbare Mietwohnungen errichten kann.

 

(5) Um dauerhaft günstige Mieten zu sichern, werden wir eine neue Säule in der Wohnungsbauförderung schaffen. Durch höhere Anreize (z.B. Investitionszuschüsse, günstige Konditionen bei der Vergabe von Erbbaurechten) für private und öffentliche Investoren wollen wir eine unbegrenzte Belegungsbindung erreichen.

 

(6) Neben diesem Schwerpunkt wollen wir die Eigentumsförderung auf ein sinnvolles Maß ausrichten, um Überkapazitäten im Bereich der Familien-Eigenheime zu verhindern, Mitnahmeeffekte bei der Förderung zu minimieren und den Flächenverbrauch verantwortbar zu gestalten. Die Eigentumsförderung soll sich auf die wirklichen Schwellenhaushalte konzentrieren und vor allem als quartiersstabilisierende Maßnahme den Erwerb im Bestand ermöglichen. Das gilt sowohl für die Stabilisierung vielfältiger innerstädtischer Wohnlagen als auch für den Erhalt vitaler dörflicher Wohnkerne im ländlichen Raum. Ansätze wie „jung kauft alt“ unterstützen wir nachdrücklich.

 

II.3 Der Staat als Rahmengeber – Für einen landesweiten zeitgemäßen und wirksamen Mieterschutz

Bezahlbares Wohnen hat jenseits eines ausreichenden Angebots an bezahlbarem Wohnraum zwei wesentliche Standbeine: ein wirksames Rechtsinstrumentarium zur Beschränkung des ungerechtfertigten Mietpreisanstiegs und ein ebensolches Instrumentarium zum Erhalt vorhandenen, bezahlbaren und qualitativ akzeptablen Wohnraums. Kurzum, bezahlbares Wohnen braucht auch einen starken Mieterschutz und eine wirksame Wohnungsaufsicht in den Kommunen.

 

Wir brauchen für das ganze Land NRW einen flächendeckenden wirksamen Rechtsrahmen,

  • um den Mietpreisanstieg zu beschränken, sowohl für Bestands- als auch für Neuvermietungen: Mietendeckel maximal bis zur Inflationsrate in überhitzten Wohnungsmärkten, bis wieder mehr bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung steht oder der Nachfrageüberhang beim Wohnraum deutlich zurückgegangen ist. Dies wollen wir über die konsequente Anwendung und Fortentwicklung der Mietpreisbremse und der Kappungsgrenzen für Mietpreissteigerungen erreichen, mit einer landesgesetzlichen Regelung.
  • um den vorhandenen bezahlbaren Wohnungsbestand zu erhalten muss auch das dafür bereits vorhandene Rechtsinstrumentarium zeitgemäß fortentwickelt werden. Insbesondere in überhitzten Wohnungsmärkten wollen wir die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen, Luxussanierungen zur Verdrängung der angestammten Wohnbevölkerung und Zweckentfremdung durch spekulativen Leerstand sowie durch gewerbsmäßige Vermietung zu touristischen Zwecken, durch klare landesgesetzliche Vorgaben stoppen.
  • Wir wollen auch im Bund darauf hinwirken das BGB zu ändern und Mietpreissteigerungen auf 5 Prozent in drei Jahren zu deckeln.
  • Wir wollen die öffentlich-rechtliche Wohnungsaufsicht auch beim Schutz von Mieterrechten stärken. Viele MieterInnen strengen aus unterschiedlichen Gründen keine zivilrechtlichen Klagen an, um ihre Rechte zu wahren. Hier müssen Kommunen rechtlich und materiell in die Lage versetzt und gleichzeitig verpflichtet werden, bei krassen Verstößen gegen Mieterrechte auch hoheitlich tätig zu werden.

II.4 Nachhaltiges Bauen

Bauen aus sozialdemokratischer Perspektive bedeutet ein Dreieck aus sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Verantwortung. Dies gilt gleichermaßen für die Errichtung wie auch den Betrieb und Unterhalt von Gebäuden. In diesem Sinne muss dieses nachhaltige Bauen darauf ausgerichtet sein, den Wohnraumbedarf der Bevölkerung zu sichern, dabei die Erfordernisse der Energie- und Ressourcenverantwortung zu beachten, sowohl InvestorInnen, wie auch BewohnerInnen ein wirtschaftlich tragbares Angebot zu machen. Das heißt: einerseits die Rentabilität der Investitionen und andererseits die Bezahlbarkeit der Wohnkosten zu gewährleisten.

 

Nachhaltiges Bauen als Leitbild einer gemeinwohlorientierten Baupolitik nimmt sowohl den Neubau als auch den Wohnungsbestand in den Blick. Es liefert einen unverzichtbaren Beitrag zur Wohnraumversorgung, zum Erhalt des sozialen Friedens und zur Erreichung der Klimaschutzziele.

 

Sozial nachhaltiges Bauen bedeutet aus sozialdemokratischer Sicht immer auch Bauen unter fairen Arbeitsbedingungen. Die Einhaltung gesetzlicher und tariflicher Standards, sowie die weitere Verbesserung der Bedingungen sind wesentliche Merkmale nachhaltigen Bauens.

 

Wir stehen für eine ganzheitliche gemeinwohlorientierte Baupolitik.

 

Dafür verfolgen wir konkrete Ziele und Maßnahmen:

 

  1. Der moderne öffentlich geförderte Wohnungsbau dient im Kern der Versorgung weiter Kreise der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum, insbesondere aber der Bevölkerungsgruppen, die sich aus eigener Kraft nicht selbst mit adäquatem Wohnraum versorgen können. Seine qualitative Ausrichtung entspricht dem allgemeinen Stand der Bautechnik und den aktuellen Standards hinsichtlich Größe, Ausstattung und energetischer Qualität.
  2. Der moderne öffentlich geförderte Wohnungsbau ist ganzheitlich zu betrachten. Seine Einbindung in den Bestand muss soziokulturellen wie funktionalen Faktoren folgen. Seine Ausgestaltung sichert Wohn- und Lebensqualität in einem lebenswerten Wohnumfeld, das Sicherheit und Mobilität bietet und integrativen Charakter mit Angeboten sozialer und gesundheitlicher Infrastruktur vorhält.
  3. Nachhaltiger Wohnungsbau dient zugleich der Erreichung der Klimaschutzziele. Er zielt notwendigerweise auf die Massenwirkung in der Fläche ab und nimmt deshalb nicht nur den Neubau (nur ca. 3 Prozent Neubaurate) in den Blick, sondern vor allem auch den Bestand.
  4. Oberstes Gebot der Förderpolitik ist die Wirtschaftlichkeit für alle Beteiligten, damit die erforderliche Massenwirkung durch entsprechende Nachfrage und Investitionstätigkeit auch erzielt und die Bezahlbarkeit der Wohnraumangebote für weite Teile der Bevölkerung auch gewährleistet werden kann. Die energetischen Standards sind daher am Gebot der Wirtschaftlichkeit auszurichten, nicht am maximal erreichbaren energetischen Standard. Oberstes Ziel ist die Senkung der CO2-Emissionen im Wohnquartier und nicht die einseitige Betrachtung eines einzelnen Hauses.
  5. Wir wollen, dass der Vermieter in Zukunft den Anteil der Instandhaltung an der Miete gesondert ausweisen muss.
  6. Nachhaltiges Bauen bedeutet hinsichtlich der Ressourcenverantwortung auch effiziente Flächenausnutzung. Insofern müssen auch Gebäude bis zu 22 Meter Höhe, im Einzelfall in Stadtzentren auch höher, förderfähig sein. Die sozioökonomische Durchmischung der Bewohnerschaft ist konzeptionell vorzusehen und festzuschreiben. Hausservice und soziale Kontrolle sind durch hauptamtliches qualifiziertes Personal vorzusehen.
  7. Verantwortung gegenüber der nicht vermehrbaren Ressource Boden bedeutet zugleich, auch mit Blick auf den zu überwindenden Wohnraummangel in den verstädterten Ballungsräumen, eine besondere öffentliche Förderung der Aufstockung von Bestandsgebäuden zu schaffen. Hierbei ist der Baustoff Holz aus ökologischen, ökonomischen und baustatischen Gründen besonders in den Blick zu nehmen.
  8. Nachhaltiges Bauen nimmt die Multifunktionalität von Wohnraum in den Blick. Eine Zersplitterung der Angebote in diverse Zielgruppen ist ineffektiv und preistreibend. So umfasst beispielsweise der Begriff mobilitätsbeeinträchtigt sowohl Kleinkinder und Kinder, wie auch Eltern mit Kinderwagen, behinderte und kranke sowie ältere Menschen. Insofern ist das Kriterium „barrierearm“ zum allgemeinen Baustandard zu erheben und Rollstuhlgerechtigkeit in der Wohnung im Neubau als Grundsatz verbindlich festzuschreiben. Gleiches gilt für die Bedarfslagen mit Blick auf Kleinwohnungen (z.B. Geringverdiener, Studenten und ältere Menschen), wie auch mit Blick auf größere Wohnungen (z.B. Familien mit mehreren Kindern, Wohngruppen usw.).
  9. Hinsichtlich der Barrierefreiheit von Gebäuden und deren Erreichbarkeit, wollen wir die Unklarheiten und Umgehungsmöglichkeiten in der Landesbauordnung 2019 beseitigen und darüber hinaus praktikable wie bezahlbare Qualitätsstandards definieren. Dies soll durch technische Baubestimmungen erfolgen, an deren Erstellung sowohl Fachleute des bautechnischen Bereichs als auch Fachverbände zur Vertretung der Interessen von Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt zu beteiligen sind.
  10. Nachhaltiges Bauen ist durch konsequente Umsetzung und Kontrolle geltender Gesetze und Tarifverträge sicherzustellen. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit zur Kontrolle von Schwarzarbeit und Mindestlohnvergehen ist durch zusätzliches Personal zu stärken.
  11. Der Staat trägt in besonderem Maße Verantwortung. Öffentlich geförderter Wohnungsbau ist daher zwingend zu koppeln an Vergabekriterien. Dazu gehört die Tarifgebundenheit der beauftragten Firmen, damit verbunden die Einhaltung geltender Tarifverträge. Weitere Vergabekriterien müssen die Ausbildung junger Menschen sowie eine Begrenzung der Untervergabe an maximal drei Sub-Unternehmen in Kette sein. Die auf europäischer Ebene novellierte Entsenderichtlinie muss zügig in nationales Recht umgesetzt werden.

 

II.5 Sozialdemokratische Stadtentwicklung – Heimat beginnt vor der Haustür

Heimat ist der Ort, an dem wir geboren und aufgewachsen sind. Wir können aber auch an anderen Orten heimisch werden, dort wo wir leben können, wie wir leben wollen, wo wir Familie und Freunde haben, wo man uns kennt und schätzt, wo wir Teil einer Gemeinschaft sind. Heimat ist der Ort, mit dem wir uns verbunden fühlen, und den wir unser Zuhause nennen. Ob und wo sich Menschen zu Hause fühlen, hat viel mit ihren individuellen Bedürfnissen, Lebensentwürfen und Lebensumständen zu tun. Und doch ist die Frage nach dem Ob und Wo auch von großer politischer Bedeutung. Denn nur dort, wo sich Menschen zu Hause fühlen, übernehmen sie Verantwortung für ihre Stadt, ihr Wohnviertel, ihr Dorf. Nur dort gibt es intakte Nachbarschaften, nur dort hält man zusammen und nur dort hat man eine gemeinsame Zukunft. Die Heimat ist wie der Verein im Sinne von Habermas die Schule der Demokratie, dort erlebt man Gemeinwohl und Solidarität. Sozialdemokratische Stadtentwicklung ist die Grundlage für soziale Wohnungspolitik. Sie hat große Bedeutung für den Erhalt des sozialen Friedens und für die Sicherung des Wohlergehens der Menschen. Dabei kennt jeder Gemeinden oder Stadtteile, die der wirtschaftliche Strukturwandel oder der demographische Wandel gezeichnet hat, also Orte mit unansehnlichen Häuserfassaden, Leerständen im Wohnungsbestand oder erhöhten Kriminalitätsraten. Wer kann, zieht weg, neue Einwohner kommen nur, wenn sie müssen. Gerade in solchen Stadtteilen gilt „Hilf dir selbst“. Ähnlich bedrückend ist der Wandel in manchen ländlich geprägten Städten oder Dörfern, in denen die Jugend wegzieht, die Unternehmen abwandern, der Dorfkern sich entkernt bis die alteingesessene Bevölkerung ihre alte Heimat nicht mehr erkennt. Manche politischen Lager sehen solche Entwicklungen als unausweichlich, der Markt regelt das schon. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten halten das für falsch. Fast nichts im Leben ist Schicksal. Wandel kann man gestalten und Märkte muss man gelegentlich lenken, korrigieren oder neu in Gang setzen. Ganz im Gegensatz dazu stärkt eine lebenswerte „Heimat vor der Haustür“ die Integration und Identifikation der Menschen in und mit unserem freiheitlich demokratischen Gemeinwesen. Sozialdemokratische Stadtentwicklung muss auch bei der Vielfalt möglicher Interessen letztlich immer dem Gemeinwohl dienen.

 

Ihre grundlegenden Konzepte folgen drei Prinzipien:

  • einer Konzentration auf integrierte Handlungskonzepte mit einer Zusammenarbeit über einzelne Fachdisziplinen und vertikale Handlungsebenen hinaus,
  • einer besonderen Berücksichtigung benachteiligter Stadtteile,
  • der Gewissheit, dass der ständige Wandel der gesellschaftlichen Realität und der zugehörigen vielfältigen Herausforderungen eine flexible Fördersystematik braucht, die für die Kommunen überschaubar, nutzbar und finanzierbar ist.

 

Sozialdemokratische Stadtentwicklung dient der Stärkung des Zusammenlebens und der Integration. Die in Deutschland zunehmende soziale Ungleichheit und Entmischung von verschiedenen Lebenslagen findet sich bis in die Stadtteile und Wohnquartiere hinein als sozialräumliche Polarisierung. Deshalb stehen die Wohnquartiere im Zentrum unserer sozialen Stadtentwicklungspolitik. Die erforderlichen Förderkonzepte müssen daher immer auch sozial-integrative Elemente enthalten und den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort die Möglichkeit zur aktiven Mitarbeit in Projekten bieten.

 

Die kombinierenden Förderprogramme von Bund, Land und Kommunen „Soziale Stadt“, „Stadtumbau West“, „Zukunft Stadtgrün“, „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“, „Kleinere Städte und Gemeinden“ und „Städtebaulicher Denkmalschutz“ haben sich als operative Grundlage bewährt. Ihre ständige bedarfsgerechte Fortentwicklung und Kombination mit originären Förderprogrammen des Landes und der Kommunen muss gestärkt werden. Dabei kommt es auch darauf an, dass das Land in Lotsenfunktion den Kommunen eine Beratung anbietet, um die vorhandene Förderinfrastruktur für die Städte und Gemeinden bedarfsgerecht nutzbar zu machen. Wir sind so gesehen für eine weitere Flexibilisierung, aber gegen eine weitere Zersplitterung in immer mehr Förderprogramme.

 

Darüber hinaus muss sozialdemokratische Stadtentwicklung folgendes schaffen:

  • eine stärkere Verzahnung insbesondere mit der Wohnraumförderpolitik,
  • eine weitere Stärkung nicht-investiver Mittel für sozial integrative Projekte,
  • eine bedarfsgerechte zeitliche Ausweitung solcher Förderbestandteile, um langwierige Lösungsprozesse in den benachteiligten Wohnquartieren durchgehend und in personeller Kontinuität durchführen zu können,
  • eine anteilige Mitfinanzierung von Fachpersonal bei den hilfebedürftigen Kommunen zur Planung und Durchführung der Stadtentwicklungsmaßnahmen als Teil der Förderung.

 

Die Nachhaltigkeit quartiersbezogener Förderpolitik steht und fällt mit ihrem ganzheitlichen Ansatz. Eine lebenswerte Heimat beginnt vor der Haustür, wenn soziale, ökologische und baukulturelle Bestandsentwicklung aus der Fachlichkeit vieler Disziplinen bezahlbares Wohnen in einem angenehmen Wohnumfeld schafft.

 

Mit einer sozial orientierten, alters- und behindertengerechten, klimaangepassten, integrierten und integrativen Stadtentwicklungspolitik und Wohnungsbauförderung wollen wir die Standortqualitäten der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen erhalten und stärken sowie die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe aller sichern. Hierzu dienen beispielsweise die Verbesserung von Aufenthaltsqualitäten in öffentlichen Räumen, der Wohnfunktionen, der Nahversorgung, der vernetzten und städtebaulich integrierten Mobilitätsangebote, sichere und barrierefreie Fuß- und Radwege, sowie mehr wohnortnahes Grün. Um die Städte und Gemeinden wieder zu Werkstätten des lokalen Fortschritts zu machen, fordern wir ein Programm für 100 Bürgerhäuser in Nordrhein-Westfalen, die allen Vereinen, Initiativen oder Gruppen für ihre Aktivitäten offenstehen. Eine vorsorgende, stadtteilorientierte, soziale Stadtentwicklungspolitik stärkt den sozialen Zusammenhalt, wirkt der sozialen Ausgrenzung entgegen und schafft Sicherheit. Dies gelingt, wenn die städtebauliche Qualität stimmt, gutes Wohnen sicher und bezahlbar ist und die sozialstrukturelle Vielfalt vorhanden ist.

 

Die Natur in den Städten ist den Menschen als Erholungsquelle wichtig. Öffentliche Grünräume können Umweltbelastungen wie Lärm oder Staub reduzieren und Orte der Begegnung für Jung und Alt sowie des kulturellen und sportlichen Austausches sein. Sie schaffen mehr Lebensqualität für alle. Vor dem Hintergrund des Klimawandels streben wir im Sinne eines Leitbildes „Grüne Stadt“ als Teil einer nachhaltigen Stadtentwicklung mehr wohnortnahes Grün, Grüngürtel, Stadtbäume, Parkanlagen sowie Dach- und Fassadenbegrünung an.

 

Diese vorsorgende Politik für die Menschen in unseren Städten erspart auf Dauer erhebliche soziale und ökologische Folgekosten. Eine wohn- oder stadtquartierbezogene Abwärtsspirale zu bremsen oder umzukehren, erfordert im Vergleich dazu ein Vielfaches der Kosten. Denn es bekämpft die Wirkungen, aber nicht die Ursachen der Fehlentwicklung.

 

Das Markenzeichen unserer nachhaltigen Politik ist das offene Gespräch mit allen Beteiligten. Unsere Stadtentwicklungspolitik bindet die Bürgerinnen und Bürger aktiv in die Gestaltung ihres unmittelbaren Lebensumfeldes ein. Damit wollen wir zugleich größere Akzeptanz sowie mehr Planungs- und Investitionssicherheit erreichen. Hierbei bieten die Möglichkeiten der Digitalisierung neue Möglichkeiten der Beteiligung, die wir gemeinsam fördern wollen.

 

III. Fazit

Die NRWSPD steht für einen Kurswechsel in der Wohnungspolitik. Hin zu einer Gemeinwohlorientierung vor Renditeinteressen. Wir stehen für einen Bruch mit falschen Glaubenssätzen, um wieder eine Sozialdemokratische Politik für die vielen der solidarischen, ehrlichen und fleißigen Mitte in unserem Land umsetzen zu können. Darum begreifen wir den Staat als Akteur und zentrale Ebene zur Umsetzung unserer Ziele.
In den Mittelpunkt unserer Politik stellen wir daher die wirklichen Probleme der Menschen und stellen uns daher den Ursachen des Problems, nicht nur den Folgen. Das soziale Grundrecht auf bezahlbares Wohnen ist die soziale Frage des Jahrzehnts, die wir lösen werden.

L-04 Aufstiegschancen durch Bildung. Beste Bildung NRW – ein Leben lang!

1.07.2019

UNSERE GRUNDANNAHMEN

Ja, ein neues Bildungspapier!

Seit Jahren und Jahrzehnten beschäftigen wir uns mit dem Thema Bildung. Und es gibt Fortschritte, viele kleine und auch durchaus große Schritte, wie z.B. bei Inklusion, Ganztag und Schulsozialarbeit. Aber dies sind zugleich Beispiele für die mühsame und langwierige Arbeit an der Veränderung, wir sind noch nicht am Ziel.

Und Veränderung tut not, um für alle Menschen Bildungschancen zu eröffnen.

In vielen Diskussionen in Partei und Fraktion haben wir dieses Papier entwickelt. Sicher gibt es in einzelnen Fragen der Umsetzung unterschiedliche Vorstellungen – aber viel wichtiger sind die großen Gemeinsamkeiten. Und deshalb werden wir die in den Mittelpunkt stellen.

 

Gerade die SPD weiß, dass Bildung gelingen muss.

Bildung gehört zur DNA der Sozialdemokratie, zu unseren Anfängen in der Emanzipationsbewegung und der Aufklärung des 19. Jahrhunderts genauso wie zum Aufstiegsversprechen des 20. Jahrhunderts. Unsere Kernthemen wie Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität gehören eng zu jedem Bildungsprozess.

Aber jede Zeit hat ihre eigenen Herausforderungen. Heute ist es insbesondere die digitale Revolution, sind es die Demographie- und Wanderungsbewegungen, die ökologischen Herausforderungen oder die immer größer werdende soziale Ungleichheit und Spaltung in der Gesellschaft. Immer mehr Menschen haben Angst, ihre Arbeit zu verlieren oder ihre Familie nicht ernähren zu können und sie betrachten Politik und Demokratie mit Misstrauen. Für diese Menschen und diese Herausforderungen geben wir Antworten mutig und konsequent.

 

Bildung ist mehr als Lernen – Lernen ist mehr als Schule.

Deshalb arbeiten wir weiter am „Haus des Lebenslangen Lernens“.

Vom ersten Tag unseres Lebens an lernen wir dazu und das hört nicht auf bis ins hohe Alter – jeden Tag und jede Stunde sammeln wir Erfahrungen und Wissen, erweitern Fertigkeiten und erproben uns in neuen Situationen.

 

Deshalb nehmen wir Bildung überall und im gesamten Leben von Menschen in den Blick – von Familie und Kita bis zur Weiterbildung. Für uns ist Lernen nicht nur die Aneignung von Wissen – genauso wichtig sind uns die emotionale, die soziale, die gesundheitliche und die kulturelle Entwicklung der Menschen.

Dabei ist und bleibt die Schule ein zentraler und oft entscheidender Ort für das Lernen. Alle Erfahrungen im nationalen und internationalen Vergleich zeigen, dass frühe Entscheidungen über Bildungskarrieren in die Irre führen. Deshalb bleibt unser Ziel eine Schule für alle! Angesichts der unübersichtlichen Menge an Schulformen in NRW halten wir in einem ersten Schritt hier eine Reduzierung für überfällig. Den Übergang dorthin werden wir verantwortungsvoll organisieren.

Damit Schulen auch Orte des gemeinsamen Lebens werden, werden wir kommunale und regionale Bildungslandschaften und die Öffnung von allen Bildungseinrichtungen in den Sozialraum fördern.

 

Konsequent für alle Menschen

Nicht für Institutionen, sondern für jeden einzelnen Menschen muss Bildung gelingen.

Dafür müssen je nach individuellen Voraussetzungen, Möglichkeiten und Bedürfnissen der Menschen unterschiedliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Daraus folgt, dass wir offene Systeme beschreiben müssen, in denen alle Beteiligten klaren Prinzipien folgen bei einer größtmöglichen Handlungsfreiheit.

 

Eine Klarstellung zur Inklusion und Integration

Wir sind davon überzeugt, dass jeder Mensch Fähigkeiten und Begabungen besitzt, die er in die Gesellschaft einbringen kann. Das heißt auch, dass wir unser gesamtes Verständnis von Bildung und menschlichem Miteinander überprüfen müssen und ein Bildungssystem schaffen, in dem jeder Mensch seinen Platz findet und zwar unabhängig von seinem kulturellen oder sozialen Hintergrund und von individuellen Beeinträchtigungen. Die Herausforderungen von Inklusion und Integration und die hervorragenden Leistungen der Bildungseinrichtungen wollen wir dabei nicht vergessen und auch nicht klein reden. Aber wir wissen, in einem auf Homogenität ausgerichteten selektiven Bildungssystem kann es keine wirkliche Inklusion geben. Deshalb brauchen wir keine kleinen Verbesserungen, sondern Akzeptanz und individuelle Förderung für alle Menschen.

 

Konsequent in den Forderungen

Wir haben in den meisten Themen kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Deshalb werden wir unsere Ziele konkret und konsequent formulieren, die notwendigen Umsetzungsschritte beschreiben und mit Geld hinterlegen. Oft genug haben wir die Schere der Umsetzungsschwierigkeiten schon im Kopf – das schwächt unsere Haltung. Klarheit und Eindeutigkeit sind aber notwendig, damit sich etwas ändert. Denn wir haben ein Ziel: Alle Kinder sollen zu Höchstleistungen gefordert und gefördert werden, weil wir in den Bildungsbereichen an die Spitze kommen.

 

Damit Bildung gelingt, brauchen Menschen … 

  1. freien Zugang zu Bildung
  2. Spaß am Lernen und Lust am Erfolg
  3. Anleitung und Unterstützung durch engagierte Menschen
  4. soziale und demokratische Kompetenz
  5. ein stabiles Fundament an Wissen und Kompetenzen
  6. Angebote und Anreize für Spitzenleistungen
  7. Bildung, die in der Zukunft trägt

 

Und nicht zuletzt:
Gute Bildung braucht eine gute Finanzierung!

 

1. Freier Zugang zu Bildung

Immer noch entscheiden die Postleitzahl des Wohnortes und die Herkunft der Eltern über die Chancen in Schule, Ausbildung, Studium und Beruf. Fast 80 Prozent der Akademikerkinder, aber nur 44 Prozent der Kinder, deren Eltern kein Abitur haben, machen selbst Abitur. Junge Erwachsene mit ausländischen Nachnamen bekommen wesentlich schlechter einen Ausbildungs- und Arbeitsplatz. An der betrieblichen Weiterbildung nehmen schlechter ausgebildete Männer und Frauen deutlich weniger teil und haben dadurch nur geringe Chancen auf Aufstieg. So wird soziale Auslese verfestigt.

Dagegen setzen wir auf freie und kostenfreie Bildung im gesamten Lebensverlauf.

 

Für unsere Kinder werden wir deshalb

  • Kitas komplett kostenfrei anbieten.
  • gutes Frühstück und Mittagessen kostenlos bereitstellen. Denn gut ernährte Kinder sind gesünder und aufnahmefähiger.

 

Für Schülerinnen und Schüler werden wir deshalb

  • ausreichend Schulplätze ortsnah zur Verfügung stellen.
  • Lehrbücher und andere Materialien wirklich kostenfrei machen.
  • Ganztagsplätze für alle Kinder bereitstellen und in den Kernzeiten den Ganztag kostenfrei machen.

 

Für junge Menschen in Ausbildung und Berufsschulen/-kollegs werden wir deshalb

  • alle Ausbildungsgänge kostenfrei anbieten.
  • den öffentlichen Nahverkehr kostenlos machen.
  • Wohnheimplätze und andere Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen.
  • Stipendien ausweiten für Auslandsaufenthalte oder Praktika.

Für Studierende werden wir deshalb

  • keine Studiengebühren erheben und die Sozialbeiträge deckeln.
  • Wohnen wieder bezahlbar machen durch viel mehr Studierendenwohnungen.
  • für BAFÖG-Anpassungen an die Lebenshaltungskosten sorgen.
  • den Quereinstieg durch Anerkennung von Leistungen vereinfachen.
  • Unterstützungen für Studierende aus Nicht-Akademikerfamilien ausweiten.

 

Für Erwachsene werden wir deshalb

  • ausreichend Plätze für das Nachholen von Schulabschlüssen jeder Stufe zur Verfügung stellen.
  • berufliche Weiterbildung fördern und unterstützen, indem wir den Meister wie den Master kostenfrei machen.
  • schulische und berufliche Weiterbildung durch BAFÖG und Stipendien unterstützen.
  • Hochschulen kostenfrei für Weiterbildung öffnen.
  • den „Bildungsscheck“ und die „Bildungsprämie“ ausweiten.

 

2. Spaß am Lernen und Lust am Erfolg

Schon Kleinkinder wollen mehr wissen und können, wollen die Welt erobern und freuen sich an jeder neuen Fähigkeit, an jedem Erfolg. Diese Neugier und den Wissensdurst wollen wir erhalten und fördern und individuelle (Lern-)Erfolge ermöglichen.
Wer lernt, soll das in seiner eigenen Geschwindigkeit und nach seinen eigenen Möglichkeiten tun können. Alle Menschen sollen sich beim Lernen wohlfühlen können, deshalb werden wir unsere großen Investitionsprogramme fortführen und auf außerschulische Lernorte ausweiten. Und wir werden Geld und Personal einsetzen, damit die Häuser und Räume auch dauerhaft schön bleiben.

 

Für Kinder werden wir deshalb

  • Spaß, Spiel und Musik genauso wie Sport und Bewegung besonders fördern.
  • spielerisches Lernen schon früh anbieten und dazu entsprechend ausgebildetes und gut bezahltes Personal auch in den Kitas
  • Neugier und Lernanreize in attraktiven und spannenden Situationen fördern; dazu gehören z.B. Waldkindergärten, Kindertheater u.a.m. Außerschulische Lernorte werden wir ausreichend
  • sportliche, ökologische und kulturelle Angebote, aber auch Zoobesuche u.ä. für Familien kostengünstig gestalten.
  • in allen Einrichtungen ausreichend ansprechendes und aktuelles Spiel- und Lernmaterial zur Verfügung
  • Kita, Schule und Jugendeinrichtung vernetzen, damit es einfacher für Kinder und Jugendliche wird, diese zu nutzen.

 

Für Schülerinnen und Schüler werden wir deshalb

  • Lehrpläne so offen gestalten, dass jedes Kind individuelle Lernfortschritte machen kann.
  • regelmäßig Lernverhalten und Lernfortschritte zur Motivation, aber auch zur Selbststeuerung rückmelden und dafür geeignetes Personal einsetzen. Noten sollen im kompetenzorientierten Lernen in ihrer Funktion relativiert werden.
  • starre Stundentaktungen zugunsten von Projektlernen und fächerübergreifendem Unterricht verlassen.
  • offene Lernsituationen schaffen und damit Freiräume öffnen und Eigenverantwortlichkeiten stärken.
  • Angebote zur Persönlichkeitsentwicklung, wie z.B. Theater-, Tanz- und Musik- und Sportprojekte, an allen Schulen vorhalten.
  • frustrierende Erfahrungen, die zur Schulverweigerung führen (können), vermeiden. Es wird kein Sitzenbleiben und Abschulen mehr geben.
  • Schulen so bauen bzw. umgestalten, dass sie Lern- aber auch Erlebnisraum und Lebensraum sind. Das bedeutet neben flexiblen Lernräumen auch Platz zum Toben, Räume für den Rückzug und fürs Essen sowie saubere Toiletten und Waschräume.
  • kurze Wege zur nächsten Schule organisieren, denn Kinder brauchen Zeit fürs Lernen und Spielen.

 

Für junge Menschen in Ausbildung und Berufsschulen/-kollegs werden wir deshalb

  • Lerninhalte und Lernmaterialien regelmäßig an die betriebliche Realität anpassen.
  • duale Wege von Ausbildung und höherem Schulabschluss ausweiten.
  • innerhalb des Berufsschulsystems alle Möglichkeiten des Wechsels und des Weiterlernens ausschöpfen.
  • ihre Ausbildung sowohl innerhalb des beruflichen Bildungssystems als auch für weitergehende Abschlüsse anerkennen und aufwerten.
  • begleitende und motivierende Beratung für Berufs- und Karrierewege anbieten.
  • neben den berufsvorbereitenden auch kulturelle, politische und sportliche Angebote attraktiv ermöglichen (z.B. Fahrten zu Gedenkstätten und Austausche).

 

Für Studierende werden wir deshalb

  • auf starre Anwesenheitspflichten verzichten.
  • Mitwirkung und Mitbestimmung im Hinblick auf ihre Studieninhalte ermöglichen.
  • den internationalen Austausch fördern und unterstützen.
  • mit den Hochschulen gemeinsam die Bachelorstudiengänge an betriebliche Anforderungen anpassen und damit den Studierenden bessere Erfolgschancen auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen.
  • Lernorte verbessern mit ausreichenden und flexiblen Arbeitsplätzen in Bibliotheken, Cafeterien und auch Räumen für kleinere Arbeitsgruppen.
  • in der Mensa gutes, gesundes und preiswertes Essen bereithalten.

 

Für Erwachsene werden wir deshalb

  • Angebote der politischen, kreativen und der Gesundheitsbildung genauso anerkennen und finanziell ausstatten, wie berufsqualifizierende Angebote.
  • informell, nonformal oder im Ausland erworbenes Wissen anerkennen und zertifizieren, ohne dass zusätzliche Kosten entstehen.
  • den Bildungsurlaub so verändern, dass nicht nur Veranstaltungen im Inland und in geschlossenen Räumen anerkannt werden.

 

3. Anleitung und Unterstützung durch engagierte Menschen

Oft können wir uns noch im fortgeschrittenen Alter an Namen von Lehrenden oder AusbilderInnen erinnern. Ihre Bedeutung haben sie nicht nur durch die Vermittlung von Wissen, sondern oft durch ihre Persönlichkeit: Sie sind Vorbilder, UnterstützerInnen oder MahnerInnen. Und sie sind damit oft genug diejenigen, die über ein Gelingen oder ein Misslingen eines Schul- und Bildungsweges entscheiden.

 

Und deshalb müssen es die Besten sein, die diese Aufgaben übernehmen.

 

In allen Bildungsbereichen ist es eine große Herausforderung, Menschen zu finden, die lehren, unterstützen, motivieren und begleiten können. Neben einer qualitätsvollen Aus- und Weiterbildung ist eine regelmäßige Unterstützung z.B. durch Supervision von großer Bedeutung. Wir brauchen in Kitas, Schulen oder Hochschulen weniger Kontrolle und mehr Beratung und Hilfe bei der Weiterentwicklung.

In der vielfältigen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen werden Lehrende gemeinsam mit SozialpädagogInnen und PsychologInnen in multiprofessionellen Teams zusammenarbeiten. Für nicht-pädagogische Aufgaben werden wir ausreichend zusätzliches Personal zur Entlastung einsetzen.

 

Für Kinder werden wir deshalb

  • in den Kitas ausreichend viele, gut ausgebildete und gut bezahlte ErzieherInnen einsetzen. Die Kind-ErzieherIn-Relation werden wir deutlich verbessern.
  • neben den „klassischen“ ErzieherInnen auch Fachkräfte für Diagnostik und besondere Förderangebote (Sprache, Motorik etc.) einsetzen.
  • ErzieherInnen entlasten durch zusätzliches nicht-pädagogisches Personal wie Verwaltungs- und Hauswirtschaftskräfte.
  • Eltern bei der Erziehung unterstützen und dazu Familienzentren besser fördern, damit sie sich noch stärker als bislang in den Sozialraum öffnen können.
  • Angebote für Familien wie Elterncafés u.ä. wohnortnah anbieten bzw. ausweiten.
  • den Übergang in die Grundschule vorbereiten und begleiten.

 

Für Schülerinnen und Schüler werden wir deshalb

  • motivierte und gut ausgebildete LehrerInnen zur Verfügung stellen. Dazu werden wir den Lehrberuf in allen Bereichen wieder attraktiver machen.
  • Unterstützung und Begleitung organisieren und dazu neben LehrerInnen auch z.B. SchulsozialarbeiterInnen und SchulpsychologInnen einsetzen. Ihre Aufgaben erledigen sie als gleichberechtigtes Mitglied des Schulteams und mit einer Vertretung im Schulleitungsteam.
  • in Schulen Personalvertretungen für die PädagogInnen ermöglichen.
  • von Anfang an die Schulentwicklung begleiten und unterstützen lassen.
  • im offenen Ganztag gut qualifizierte und entsprechend bezahlte Personen einsetzen.
  • nicht mehr zulassen, dass Beamtenrecht ungeeignete LehrerInnen schützt.
  • Lehrkräfte, insbesondere im Bereich der politischen oder geschichtlichen Bildung, als Vorbild für das Erlernen von Demokratie und Mitwirkung ausbilden.

 

Für junge Menschen in Ausbildung und Berufsschulen/-kollegs werden wir deshalb

  • auf die Qualität des Lehrpersonals besonders achten, gerade auch bei den notwendigen SeiteneinsteigerInnen.
  • für den Fachunterricht betriebsnahe Lehrpersonen zur Verfügung stellen.
  • in der betrieblichen Ausbildung die Anleitung durch die Ausbilder z.B. durch ausbildungsbegleitende Hilfen unterstützen und insgesamt die Qualität der betrieblichen Ausbildung überprüfen.

 

Für Erwachsene werden wir deshalb

  • leicht zugängliche und themenübergreifende Beratung sicherstellen.
  • Angebote der unterschiedlichen Einrichtungen (AA, Kammern, VHS, o.ä.) an zentralen Orten und/oder durch ein digitales Angebot zusammenfassen.
  • in den Angeboten der Weiterbildung qualifiziertes, zertifiziertes und entsprechend bezahltes Personal einsetzen.
  • beim Nachholen von Schulabschlüssen ausreichend LehrerInnen, aber auch Unterstützungs- und Begleitpersonen zur Verfügung stellen.

 

4. Soziale und demokratische Kompetenz

Menschen sind soziale Wesen; das gilt auch in Bildungsprozessen. Kinder lernen voneinander oftmals einfacher die Regeln einer Gruppe und auch in der Erwachsenenbildung lernen Menschen voneinander. Das wird begünstigt in Lerngruppen, welche die Vielfältigkeit der Gesellschaft widerspiegeln. Wir schätzen und fördern positives Sozialverhalten, Höflichkeit, Achtsamkeit und Respekt. Soziale Kompetenz wird zudem ganz wesentlich in der Freizeit erworben. Daher wollen wir auch außerschulische Lernorte und die kommunalen Bildungslandschaften weiter fördern und ausweiten.

 

Unser aller Leben in Gemeinschaften und der Gesellschaft steht vor der Herausforderung einer wachsenden sozialen Ungleichheit, die zu einer Spaltung unserer Gesellschaft und zu einem Misstrauen gegenüber Politik und Demokratie führt. Um diesen Strömungen konsequent entgegenzutreten, braucht es theoretische und praktische politische Bildung auf allen Ebenen. Denn politische Bildung vermittelt neben dem Erlernen freiheitlich-demokratischer Spielregeln Prinzipien für unser Zusammenleben wie Toleranz, Solidarität und Zivilcourage.

 

Für Kinder werden wir deshalb

  • schon früh Gemeinsamkeiten betonen und Verschiedenheit respektieren.
  • spielerisch Kooperation einüben und Konflikte aushalten lernen.
  • Sozialverhalten einüben als Basis unseres Zusammenlebens.
  • Mitwirkungschancen eröffnen und dabei auch kleine Kinder altersgerecht beteiligen.
  • den Ausbau und die Förderung von Plus-Kitas und Familienzentren vorantreiben, um „Ungleiches ungleich behandeln“ zu können und gezielt dort zusätzlich zu fördern, wo die Bedarfe am größten sind.

 

Für Schülerinnen und Schüler werden wir deshalb

  • altersübergreifenden Unterricht in der Grundschule fördern, damit Kinder von- einander und nach ihrem individuellen Lerntempo lernen können.
  • bei allem individualisierten Lernen auch stabile Gruppen bilden, um den Rückhalt zu stärken.
  • Unterschiedlichkeit und gemeinsames Lernen als Chance erlebbar machen.
  • Mitbestimmung über Schulparlamente ermöglichen, damit Demokratie früh erlernt werden kann. Den Schülervertretungen werden wir eigene Budgets zur Verfügung stellen.
  • die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer und die Unterstützung demokratischen Handelns in allen Fächern stärken.
  • alle Aktivitäten unterstützen, die politische Bildung erfahrbar und erlebbar machen. Dazu gehören Ausflüge, Gedenkstätten- und andere Fahrten, Besichtigungen u.v.a.m., für die wir ausreichendes und vor Ort verwaltetes Geld zur Verfügung stellen.
  • internationalen Austausch für alle Kinder durch umfangreiche Stipendiensysteme ermöglichen.
  • z.B. durch konsequentes Teamteaching Transparenz in die Unterrichtsgestaltung und in den Umgang mit den Kindern bringen.
  • offensiv allen Anzeichen von Mobbing u.ä. entgegentreten.
  • in der Schulraumplanung eigene Räume für Treffen oder Rückzug der Kinder und Jugendlichen einplanen.

 

Für junge Menschen in Ausbildung und Berufsschulen/-kollegs werden wir deshalb

  • Persönlichkeitsentwicklung, Selbstsicherheit und Respekt fördern.
  • politisches Grundwissen und das Wissen um betriebliche Mitbestimmung ausweiten.
  • demokratische Spielregeln vermitteln und Mitwirkungsmöglichkeiten stärken.
  • das freiwillige soziale Jahr, einen Bundesfreiwilligendienst und andere Programme weiter aktiv fördern.
  • Angebote schaffen, um sich in einer globalisierten, transnationalen Welt und Arbeitswelt zurechtzufinden (z.B. Sprachkurse, Austauschprogramme etc.).

 

Für Studierende werden wir deshalb

  • Lernen in kleineren Gruppen und Projekten ausweiten.
  • übergeordnete Fähigkeiten wie Team- und Kooperationsfähigkeit systematisch fördern.
  • das Leitbild einer demokratischen Hochschule etablieren und mit Leben füllen.
  • Mitbestimmung in allen Gruppen sichern.

 

Für Erwachsene werden wir deshalb

  • Angebote der politischen, sozialen und Elternbildung ausbauen und kostenfrei anbieten.
  • den Bildungsurlaub bewerben und über seine Angebote beraten als Möglichkeit der Freistellung für selbstbestimmte politische Bildung.
  • den Bildungsurlaub zusätzlich für soziales und persönlichkeitsförderndes Lernen öffnen.
  • politische Bildungswerke besonders unterstützen.
  • Mitwirkungsorgane in der öffentlich geförderten Weiterbildung (wieder) beleben und zu Mitbestimmungsorganen ausbauen.

 

5. Ein stabiles Fundament an Wissen und Kompetenzen

Die Welt und ihre Herausforderungen werden immer komplexer. Das verführt dazu, Wissens- und Lerninhalte ständig auszuweiten und zu spezifizieren. Aber die technischen und sozialen Entwicklungen sind zu schnell, um alles vorausplanen zu können. Wichtiger ist es, stabiles Grundwissen zu vermitteln, auf das systematisch aufgebaut werden kann. Außerdem müssen Fertigkeiten und Fähigkeiten vermittelt werden, wie Wissen erschlossen und Neues gelernt werden kann.

Da das Lerntempo jedes Einzelnen unterschiedlich ist, müssen alle Lernsituationen ausreichend Zeit und Platz für individuelle Fortschritte lassen.

 

Für Kinder werden wir deshalb

  • schon in der Kita spielerisch Sprachlernen vermitteln.
  • bis zum Ende der Kita so viele Deutschkenntnisse vermitteln, dass die Kinder in der Grundschule lesen und schreiben lernen können.
  • ausreichend Bewegung ermöglichen, damit sie gesund aufwachsen. Dazu gehören gezielte Sportangebote, aber auch einfaches Austoben.
  • alle Angebote ausweiten, die die Neugier fördern und das spielerische Lernen unterstützen.
  • Geld für Ausflüge und Unternehmungen bereitstellen, das den Kitas zur Verfügung steht und dort verantwortet wird.

 

Für Schülerinnen und Schüler werden wir deshalb

  • genügend Zeit und Raum für das Erlernen von Lesen und Schreiben, den Grundrechenarten, Informatikgrundkenntnissen und Englischgrundkenntnissen geben.
  • durch Lernbegleitung, z.B. bei Übungsaufgaben, den Lernfortschritt unterstützen.
  • individualisiertes Lernen im eigenen Rhythmus ermöglichen.
  • Schule so gestalten, dass langsameres Lernen nicht als Scheitern, z.B. durch Sitzenbleiben, bestraft wird, sondern das eigene Lerntempo akzeptiert
  • Mehrsprachigkeit fördern und für Abschlüsse anerkennen.
  • in allen Fächern neben Wissensinhalten auch Kompetenzen zum Lernen und Weiterlernen vermitteln.

 

Für junge Menschen in Ausbildung und Berufsschulen/-kollegs werden wir deshalb

  • Zeit geben, eventuell Versäumtes in Ruhe nachzuholen.
  • neben der fachlichen Ausbildung eine gründliche Allgemeinbildung vermitteln.
  • das Lernen im Betrieb durch Hilfestellungen für die Ausbilder unterstützen.
  • ausreichend sowohl fachlich als auch pädagogisch qualifizierte LehrerInnen zur Verfügung stellen.
  • wohnortnahes Lernen ermöglichen, z.B. durch gemeinsame Klassen in artverwandten Berufszweigen.

 

Für Studierende werden wir deshalb

  • Vor- oder Einführungssemester zur Stabilisierung von Grundwissen oder zum Erlernen von wissenschaftlichem Arbeiten nicht auf die Regelstudienzeit anrechnen.
  • durch strukturierte Studieneingangsphasen den Zugang zum Studium erleichtern.
  • in den Bachelor-Studiengängen auf eine breite Grundlagenbildung Wert legen.

 

Für Erwachsene werden wir deshalb

  • Alphabetisierung und Grundbildungsangebote flächendeckend, aufsuchend und kostenfrei als Regelangebote vorhalten.
  • bei der Grundbildung auch Englisch und IT-Kenntnisse, aber auch Angebote zu Demokratie, Konsum, Verbraucherschutz und Gesundheit fördern.
  • Angebote einer zweiten Chance zum Erwerb eines qualifizierten Schulabschlusses ermöglichen.

 

6. Angebote und Anreize für Spitzenleistungen

Wir leben in einer globalen Wissensgesellschaft. Gerade in Deutschland brauchen wir hochspezialisierte Fachleute, um wirtschaftlich und gesellschaftlich konkurrenzfähig zu bleiben. In allen Altersgruppen und Gesellschaftsschichten gilt es, Talente zu entdecken und zu fördern. Dies gilt nicht nur in der akademischen Welt, sondern auch in Betrieben oder anderen Arbeitszusammenhängen.

 

Mit Spitzenleistung meinen wir dabei die jeweils persönliche Höchstleistung. Die kann sehr verschieden sein – wichtig ist nur, dass auf dem Weg jede Unterstützung zur Verfügung steht. Und das unabhängig von Geldbeutel, Vorbildung oder Herkunft der Eltern oder Familien.

Um dieses Ziel zu erreichen, werden sich alle Bildungseinrichtungen ändern müssen. Sie müssen sich auf Verschiedenheit einstellen und die individuelle Förderung in den Mittelpunkt stellen.

 

Für unsere Kinder werden wir deshalb

  • ein individuelles Unterstützungsangebot in der Kita vorhalten, damit alle Kinder nach ihren Begabungen gefördert werden.
  • Räume für non-formale Lernprozesse schaffen und die Persönlichkeitsentwicklung unterstützen.
  • die Neugier fördern und das pädagogische Angebot in den Kitas unterstützen und ausbauen. Dazu gehören beispielsweise Angebote für kleine ForscherInnen, aber auch die Zusammenarbeit mit Musikschulen u.v.a.m.

 

Für Schülerinnen und Schüler werden wir deshalb

  • anerkennen, dass Kinder nicht in allen Fächern und Aufgabenstellungen gleich begabt sind. Daher müssen ihnen unterschiedliche Lernfortschritte ermöglicht werden.
  • systematische Begabungsförderung in allen Schulen durchsetzen.
  • anregendes Unterrichtsmaterial in den Schulen zur Verfügung stellen.
  • die MINT-Fächer weiter finanziell fördern.
  • über ausgeweitete Berufsorientierung die Vielzahl von Berufs- und Karrierewegen aufzeigen.
  • Schulpreise für besonderes Engagement vergeben.

 

Für junge Menschen in Ausbildung und Berufsschulen/-kollegs werden wir deshalb

  • Berufsschulen und Berufskollegs in enger Verbindung mit Betrieben und Kammern auf den technisch neuesten Stand bringen und halten.
  • über die Unterstützung von Anschlussqualifizierungen (Meister-BAFöG) jederzeit Wege zur Weiterentwicklung öffnen.
  • handwerkliche und praktische Fähigkeiten wertschätzen und auch hier Spitzenleistungen unterstützen und durch Zertifizierung anerkennen.

 

Für Studierende werden wir deshalb

  • Universitäten und Fachhochschulen weiter stärken.
  • ausreichend Masterstudienplätze zur Verfügung stellen.
  • Karrierewege und -optionen eröffnen, auch für den wissenschaftlichen Mittelbau und für die öffentliche Verwaltung.
  • Frauen bei ihrer Karriereplanung besonders unterstützen.
  • Start-ups und Ausgründungen finanziell und organisatorisch unterstützen.

 

Für Erwachsene werden wir deshalb

  • Förderwege und Stipendiensysteme für Neu- und Weiterqualifizierungen ausbauen.
  • unabhängige Qualifizierungs- und Karriereberatung kostenfrei überall anbieten.
  • Freistellungen für berufliche Weiterentwicklung paritätisch finanziert ermöglichen.

 

 

7. Digitale Bildung, die in der Zukunft trägt

Die digitale Revolution schreitet fort und verändert Lebens- und Arbeitsbedingungen teilweise sehr grundlegend. Das bedeutet Chancen für Entwicklungen, aber durchaus auch Gefahren für die (Daten-) Sicherheit. Auf beides müssen Kinder und Erwachsene vorbereitet werden.

 

Dazu stellt auch die Globalisierung das Bildungssystem vor besondere Herausforderungen – Kinder, Jugendliche und Erwachsene müssen sich zunehmend einer internationalen Konkurrenz stellen. Neben sprachlichen Fähigkeiten sind vor allem Wissensdurst und kritische Offenheit für Neues entscheidende Erfolgsfaktoren.

 

Für Kinder werden wir deshalb

  • bereits in der KITA kindgerechte Angebote zur Medienerziehung vorhalten, damit Kinder den sinnvollen Umgang mit digitalen Medien lernen und diese besser einschätzen können.

 

Für Schülerinnen und Schüler werden wir deshalb

  • den Breitbandausbau an allen Schulen sicherstellen.
  • die Lehrkräfte mit digitalen Endgeräten ausstatten.
  • digitale Schulbücher und Unterrichtsmaterialien in den Schulen kostenfrei einführen.
  • die Nutzung von digitalen Medien und Serious Games im Unterricht aktiv vorantreiben.
  • vernetztes Denken fördern, indem wir stärker auf fächerübergreifende und projektorientierte Lernformen setzen.
  • Medienpädagogik und Medienkompetenz als festen Bestandteil in den Unterricht einbauen, um selbstbestimmt, kritisch und sicher mit Medien umgehen zu können.
  • Wissen zu Grundlagen der Informatik und der Funktionsweise digitaler Prozesse und Anwendungen vermitteln.

 

Für junge Menschen in Ausbildung und Berufsschulen/-kollegs werden wir deshalb

  • die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen und damit Lernen vereinfachen und verbessern, um SchülerInnen für die digitale Arbeitswelt fit zu machen.
  • regelmäßig und zeitnah Ausbildungsinhalte an die digitale Entwicklung anpassen.
  • mit PartnerInnen in Betrieben und zentralen Ausbildungsstellen das Anwendungslernen optimieren.

 

Für Studierende werden wir deshalb

  • die Möglichkeiten der Nutzung digitaler Lehrformate konsequent weiterentwickeln. Ziel ist, die Lehrveranstaltungen didaktisch weiter zu entwickeln und die Zugangsbarrieren zum Studium für Studierende zu verringern.
  • die Vernetzung der Hochschulen in der digitalen Lehre konsequent vorantreiben, um die gegenseitige Anerkennung von Lerninhalten zu ermöglichen und Studierenden damit die Möglichkeit geben, Lerninhalte an räumlich unterschiedlichen Orten zu erwerben.
  • ausreichende Fördermittel für die Weiterqualifizierung der Lehrenden an den Hochschulen unseres Landes zur Verfügung stellen, damit sich die Qualität der Lehre zeitgerecht weiterentwickeln kann.

 

Für Erwachsene werden wir deshalb

  • Weiterbildungsangebote und berufsbegleitende Studiengänge digital und frei verfügbar machen.
  • Volkshochschulen weiterentwickeln zu offenen Lern- und Bildungshäusern.
  • technikbasierte Lerninnovationen für alle verfügbar machen und durch LernbegleiterInnen unterstützen.
  • in der beruflichen oder zertifikatsgebundenen Bildung digitale Optimierungswerkzeuge (learning analytics) einsetzen, um Lernprozesse zu unterstützen.
  • die Entwicklung passgenauer Lernbausteine zur Unterstützung des individuellen Lernfortschritts finanzieren.
  • Anerkennungsverfahren für informell und nonformal erworbene Lerninhalte vereinfachen und beschleunigen.
  • Zertifikate digitalisieren und individuell und fälschungssicher anlegen.

 

Gute Bildung braucht eine gute Finanzierung
NRW wird Spitzenreiter bei den Bildungsausgaben

Wir wissen alle: Wenn wir bei der Bildung sparen, wird sich das früher oder später rächen. Und trotzdem liegt Deutschland bei den Bildungsausgaben deutlich, d.h. rund 30 Milliarden Euro pro Jahr, unter dem OECD-Durchschnitt. Und NRW liegt noch unter dem Bundesdurchschnitt. Deshalb ist unser klares Ziel, Spitzenreiter im Bundesdurchschnitt zu werden und dazu den Bildungsetat sukzessiv zu erhöhen.

 

Durch die Verteilung der zusätzlichen Gelder muss Bildungsgerechtigkeit hergestellt werden. Zunächst heißt das, dass wir Bildung im gesamten Lebensverlauf beitragsfrei machen. Und es heißt, dass bei größeren Herausforderungen auch die personellen und Sachausstattungen besser sein müssen.

 

Dabei gilt für alle Bereiche die Forderung „Ungleiches muss ungleich behandelt werden“. In diesem Zusammenhang muss auch eine sozialindexbasierte Verteilung von Mitteln in allen Bildungsbereichen geregelt werden. Noch immer ist Bildung und Teilhabe abhängig vom Geldbeutel der Eltern. Dies will die Sozialdemokratie ändern. Gerechtigkeit im Bildungssystem kann nur über ein beitragsfreies Bildungssystem erreicht werden. In diesem Zusammenhang müssen einheitliche Qualitätsstandards und Schulbaurichtlinien konsequent umgesetzt werden. Des Weiteren müssen Lösungen zur dauerhaften Finanzierung von Inklusion, Ganztag und Schulsozialarbeit gefunden und implementiert werden.

 

Wir brauchen einen New Deal. Eine neue Verantwortungsgemeinschaft zwischen Bund, Land und Kommunen ist hier gefragt. Zuständigkeiten sind für Familien aber auch für Schulen nicht mehr durchschaubar und Strukturen so angelegt, dass sie Prozesse eher lähmen als Lösungen für akute Probleme bereitstellen, wie z.B. bei der Finanzierung des Ganztages, einer Schulbaurichtlinie oder bei der Finanzierung des Digitalpaktes.

 

Regionale Bildungsnetzwerke leisten hier einen wichtigen Beitrag. Sie vernetzen Schulen mit den kommunalen Schul-, Jugend- und Sozialhilfeträgern und der Schulaufsicht. Wir müssen bei vorhandenen Vernetzungen und Partnerschaften genau prüfen, wie diese zum Wohl der Kinder verbessert und ausgeweitet werden können.

 

Für Kinder werden wir deshalb

  • die Ausgaben im Bereich der frühkindlichen Bildung deutlich erhöhen, um die realen Bedarfe abdecken und Qualitätsverbesserungen finanzieren zu können.
  • eine Sockelfinanzierung der Kitas einführen, um die Planungssicherheit für die Kita-Träger zu erhöhen und gesicherte Perspektiven für die Beschäftigten zu bieten.
  • die Ausbildung der ErzieherInnen wertschätzen und diese nach Tarif und sozialversichert bezahlen.
  • die Kita-Beiträge landesweit abschaffen, gesundes Essen fördern und perspektivisch auch die zusätzlichen Kosten für Frühstück und Mittagsverpflegung ganz abschaffen.

 

Für Schülerinnen und Schüler werden wir deshalb

  • die Schulen besser finanziell ausstatten.
  • die Lehrkräfte gerecht entlohnen – A13Z als Eingangsamt durchsetzen.
  • Schulen nach ihren Herausforderungen im Sozialraum fördern und einen schulscharfen Sozialindex einführen.
  • die Finanzierung des Ganztags sicherstellen.
  • die Zusammenarbeit zwischen Schule und der wirtschaftlichen Jugendhilfe stärken.
  • Schulsozialarbeit auskömmlich und durch eine Regelfinanzierung ausstatten.
  • SchulsozialarbeiterInnen und das pädagogische Fachpersonal besser entlohnen.

 

Für junge Menschen in Ausbildung und Berufsschulen/-kollegs werden wir deshalb

  • dafür Sorge tragen, dass die finanziellen Herausforderungen, z.B. die Umstellung auf G9, nicht zu Lasten der Berufsschulen gehen.
  • finanzielle Anreize für BerufsschullehrerInnen schaffen.
  • die Qualität der Ausbildung stärken und uns dafür einsetzen, dass die Ausbildung in faire Arbeit, mit guter Bezahlung und guten Arbeitsbedingungen mündet.
  • die Ausbildungsmindestvergütung auch in NRW konsequent vorantreiben.
  • die Finanzierung von Schulsozialarbeit fördern.

 

Für Studierende werden wir deshalb

  • ausreichend Studienplätze finanzieren.
  • Projektfinanzierungen einschränken und Regelfinanzierungen ausbauen.
  • ausreichende Kapazitäten im Bachelor-/Masterstudium zur Verfügung stellen.
  • die Hochschulen baulich zu modernen Orten der Wissensvermittlung weiterentwickeln.
  • auch zukünftig aufwachsend mehr Geld investieren, um gute Lehre und intensive Betreuung zu realisieren.
  • die Hochschulen für angewandte Wissenschaft finanziell stärken, um den gewandelten Anforderungen in Forschung und Lehre gerecht zu werden.

 

Für Erwachsene werden wir deshalb

  • die Landesfinanzierung für die Weiterbildung auf 10 Euro je EinwohnerIn anheben.
  • Stipendien- und Förderprogramme auskömmlich finanzieren.
  • öffentliche Weiterbildungsorte schaffen und die bestehenden modernisieren und dazu Landesfinanzierungen bzw. Bürgschaften bereitstellen.
  • mit den Tarifpartnern Vereinbarungen über Freistellungen für Weiterbildung treffen.

L-03 Handlungsfähigkeit stärken – Solidarität erneuern: Für einen starken solidarischen Staat!

1.07.2019

Im Januar hat Oxfam in einer neuen Studie berichtet, dass die weltweite Ungleichheit erneut dramatisch angestiegen ist. Nur 26 Superreiche besitzen inzwischen genauso viel wie die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung.

 

Und bei uns? In Deutschland steigerten die Milliardäre ihr Vermögen im vergangenen Jahr um 20 Prozent, schreibt die Studie. Das reichste Prozent der Bevölkerung verfüge jetzt über genau so viel Vermögen wie die 87 ärmeren Prozent. Damit zählt Deutschland zu den Industrienationen mit der größten Vermögensungleichheit.

 

Hinzu kommt: Weltweit führen Steuerbetrug, Steuertricksereien aber auch legale Methoden der Steuervermeidung dazu, dass dem deutschen Fiskus dringend benötigte Einnahmen entgehen. Die Ungleichbehandlung von Einkünften aus Arbeit auf der einen und aus Kapital auf der anderen Seite ist leistungsfeindlich und ungerecht.

 

Wir brauchen finanzielle Handlungsspielräume für Kommunen. Denn während die Unternehmensgewinne sprudeln und die Arbeitslosenquote statistisch gesehen auf einem Tiefstand ist, verfällt die Infrastruktur und die soziale Versorgung. In einem reichen Land wie Deutschland bröckeln Brücken, sind viele Schulen in einem unwürdigen Zustand, und viele vor allem ländliche Räume sind von Mobilfunk und Internet abgeschnitten. Und: Eine wachsende Anzahl von Menschen kann von ihrem Einkommen nicht leben.

 

Auch wenn die Wirtschaftsdaten für Deutschland ein positives Bild zeichnen, dürfen wir nicht ignorieren, dass Arm und Reich immer weiter auseinanderdriften und der gesellschaftliche Zusammenhalt zunehmend verloren geht. Angesichts einer sich zunehmend öffnenden Schere zwischen Arm und Reich bei deutlich abnehmender Steuerlast der hohen Einkommen und Vermögen und angesichts dringend notwendiger Investitionen in die öffentliche Infrastruktur und Daseinsvorsorge ist die SPD in besonderer Weise gefordert, für einen starken und finanziell handlungsfähigen Staat und für mehr Steuerehrlichkeit und Steuergerechtigkeit einzutreten. Wir wollen unter anderem mehr ErzieherInnen, mehr LehrerInnen und PolizistInnen, die für ihre gute Arbeit auch gut bezahlt werden. Dazu bedarf es einer substanz- und krisenfesten finanziellen Ausstattung des Staates.

 

Und auch nur so entstünde Spielraum für die Entlastung kleiner und wirklich mittlerer Einkommen, die sie am Ende nicht über staatliche Leistungseinschränkungen selbst finanzieren müssten. Der Staat nimmt von den Vielen zu viel und von den Wenigen zu wenig an Steuern ein, in einem Land, in dem Einkommen und Vermögen sich auf einen zunehmend kleiner werdenden Teil der Gesellschaft konzentrieren. Die oberen 10 Prozent der Einkommensbezieher haben seit Mitte der 1990er Jahre in enormem Ausmaß von der Umverteilung zu ihren Gunsten profitiert. Die zunehmende Ungleichheit in Deutschland gefährdet auf Dauer das Zusammenleben aller; zudem ist sie auch noch volkswirtschaftlich kontraproduktiv. Um im Sinne von Thomas Piketty zu sprechen: „Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wissen, dass unser Wohlstand auf Bildungsfortschritten und Investitionen in die Ausbildung fußt – und nicht auf der Religion von Reichtum und Ungleichheit. Wir wollen, dass genug Zukunft für alle da ist, nicht nur für die Wenigen.“

 

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten denken ökonomische Vernunft und solidarisches Miteinander zusammen. Dazu gehört eine auskömmliche Ausstattung des Gemeinwesens für ein solidarisches Miteinander.

 

Die Marktgläubigkeit der letzten zwei Jahrzehnte, die auch unsere Partei ergriffen hat, hat zu Unwuchten in unserer Gesellschaft geführt und zu einer weit verbreiteten Abstiegsangst bis weit in die Mittelschicht hinein. Diesen Trend wollen wir stoppen und umkehren. Wir wollen auch steuerpolitisch die Partei der sozialen Gerechtigkeit und die Interessenvertretung der Vielen sein.

 

Das Ziel ist, die mit den notwendigen Einnahmen der öffentlichen Hand und der Stärkung der staatlichen Handlungsfähigkeit verbundenen finanziellen Lasten gerecht zu verteilen. Dafür müssen Steuertricksereien und Steuerbetrug wirksam bekämpft, steuerliche Privilegien für hohe Vermögen und Einkommen abgebaut und kleine und mittlere Einkommen – und nur die – wirksam entlastet werden.

 

Dazu im Einzelnen:

 

Bekämpfung von Steuertrickserei, Steuerbetrug und Steuerraub
Staatseinnahmen sind nur dann gerecht, wenn sich alle angemessen an der Finanzierung des Staates beteiligen. Das ist so lange nicht der Fall, wie global agierende Unternehmen und viele besonders vermögende Privatpersonen Steuern durch trickreiches Ausnutzen von Schlupflöchern bis hin zum Betrug oder gar der Plünderung öffentlicher Kassen umschiffen. Dass Steuerräuber allein in den letzten Jahren Steuern nicht nur hinterzogen, sondern die öffentlichen Kassen durch Rückerstattung von zig Milliarden Euro gar nicht gezahlter Steuern ausgenommen haben, ist ein Skandal, der nicht hinnehmbar ist, auch weil es die Steuermoral der ehrlichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und vieler Unternehmerinnen und Unternehmer untergräbt. Deshalb steht die Bekämpfung dieser teils kriminellen Machenschaften im Zentrum der Offensive, die u.a. folgende Maßnahmen vorsieht:

 

Schlupflöcher vermeiden, bestehende Schlupflöcher schneller schließen

  • Automatischer Informationsaustausch zu Kapitalerträgen zwischen Banken und Finanzbehörden auch im Inland wie das bei Lohn- und Gehaltsüberweisungen selbstverständlich ist.
  • Gesetzliche Regelungen gegen Gewinnverschiebung über Lizenzgebühren bei der Gewinnermittlung durch eine dauerhaft wirksame Lizenzschranke.
  • Konsequente Aufarbeitung von Versäumnissen bei der Bekämpfung von Steuerflucht (z.B. Cum/Ex- Geschäfte).
  • Meldepflicht für Steuersparmodelle.
  • Öffentliche Darstellung der globalen Verteilung von Umsätzen, Gewinnen und Steuern international agierender Unternehmen (Country-by-Country-Reporting).
  • Ausweis der Beteiligung externer Expertinnen und Experten bei der Formulierung von Gesetzen und Gesetzesauslegungen (Footprints).
  • Prüfung steuerlicher Ausnahmetatbestände auf Missbrauchsentwicklung.
  • Schaffung einer gemeinsamen EU-weiten Bemessungsgrundlage für die Unternehmenssteuern.

 

Transparenz und Ermittlungsmöglichkeiten verbessern

  • Klarstellung, auch künftig auf Steuer-CDs und andere Insider-Informationen zurückzugreifen.
  • Einführung bundeseinheitlicher Standards (insbesondere in Bezug auf die Prüfungsdichte) für Steuerprüfung und -fahndung.
  • Personelle Verstärkung der Aufklärungseinheiten in der Finanzverwaltung durch ein Sofortprogramm. Zudem braucht eine Steuerfahndung auch die Rückendeckung der politischen Führung und nicht deren Zerschlagung, denn das ist nur ein Gewinn für die Steuerhinterzieher.
  • Nachbesserung des Gesetzes zur Einführung nicht manipulierbarer Registrierkassen.
  • Verbesserung der Kooperation zwischen Steuerbehörden, Finanzaufsicht und der BaFin und eine bessere Ausstattung sowie eine Verstärkung der Durchgriffsrechte.
  • Aufbau eines europäischen Transparenzregisters zur Erfassung von offshore Niederlassungen (Briefkastenfirmen).
  • Verbesserung der Zusammenarbeit von nationalen Steuerbehörden mit OLAF, Europol und Interpol.
  • Gesetzlicher Schutz von Whistleblowern, die einen nachweislichen Betrug an der Allgemeinheit offenbaren.

 

Herstellung von mehr Steuergerechtigkeit und wirkungsvollere Sanktionen bei Gesetzesverstößen

Die Herstellung von Steuergerechtigkeit ist untrennbar verbunden mit der konsequenten Anwendung und Durchsetzung von wirksamen Gesetzen.

Wir setzen uns ein für die Einführung eines Unternehmensstrafrechts zur wirksameren Sanktionierung von Beihilfe zu Steuerstraftaten. Wir lehnen die Privilegierung von Betrugsdelikten durch strafmindernde Selbstanzeigen im Steuerrecht ab.

 

Angesichts hoher und weiter steigender Unternehmensgewinne und Spitzeneinkommen brauchen wir eine Korrektur der Steuerverteilung, indem die über Jahrzehnte vollzogene Umverteilung von unten nach oben gestoppt und wieder dem Leitsatz Rechnung getragen wird, dass starke Schultern mehr tragen müssen als schwache. Für die Umverteilung war nicht zuletzt die Verschiebung von direkten hinzu indirekten Steuern verantwortlich.

Die SPD hat vor 15 Jahren die größte Einkommensteuersenkung und die größte Körperschaftssteuersenkung in der Geschichte der Bundesrepublik vollzogen. Dadurch wurden alle Einkommensteuerzahler entlastet. Besonders profitiert davon haben allerdings die Großverdiener. Diese Verteilungswirkung wollen wir korrigieren. Dabei geht es – gemessen an der konservativ-liberalen Steuerpolitik der neunziger Jahre – nicht um Steuererhöhungen, sondern um die notwendige Neujustierung und damit die teilweise Rücknahme hin zu einer weiteren Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen sowie um einen größeren Beitrag  von hohen Vermögen und Einkommen.

Das wollen wir durch folgende Maßnahmen im Bereich der Substanz-, Einkommen- und Ertragsteuern und der Umsatzsteuer erreichen.

 

Substanzsteuern

  • Die Vermögensteuer soll wieder aktiviert werden, mit einem hohen Freibetrag und einem wirksamen Steuersatz. Daher unterstützen wir die Kommission zur Vermögensbesteuerung des Parteivorstands und erwarten konkrete Vorschläge.
  • Langfristig ist die bisherige Grundsteuer durch eine nicht auf die Mieter umlegbare Bodenwertsteuer zu ersetzen. Dabei unterstützen wir aktuell die Einführung eines werteabhängigen Modells zur Errechnung der Grundsteuer mit klaren mietmindernden Wirkungen wie von der SPD Bundestagsfraktion gefordert wird.
  • Zahlung der Grunderwerbssteuer anteilig zum Eigentumstitel zur Ausschaltung des Privilegs der share deals.

 

Einkommen- und Ertragsteuern

  • Im Mittelpunkt von Gesetzgebung und Kommunikation soll zukünftig der Durchschnittssteuersatz stehen. Die Begriffe Grenz- und Spitzensteuersatz haben sich als hochgradig missverständlich erwiesen und sind zum Werkzeug von Lobbygruppen degeneriert, die damit weit höhere Steuerbelastungen als die tatsächlichen oder angestrebten suggerieren. (Beispiel: Ein Single mit 60.000 Euro zu versteuerndem Einkommen zahlt derzeit den Grenz- und Spitzensteuersatz von 42 Prozent, sein Steuersatz auf das zu versteuernde Einkommen beträgt jedoch 27,6 Prozent.)
  • Bei der Erbschaftssteuer sollen alle Vermögensarten gleich (keine Privilegierung bei Unternehmenserbschaften) behandelt werden. Hohe Freibeträge sorgen dafür, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen auch künftig nicht von der Erbschaftsteuer betroffen sein wird. Schon heute liegt der Freibetrag bei 500.000 bei den hinterbliebenen Partnern und bei 400.000 bei Kindern pro Elternteil. Es geht um eine Besteuerung der Mega-Vermögen, die in den nächsten Jahren vererbt werden und so zu leistungslosen Einkommen führen. Wenn bei der Unternehmensvererbung durch eine sofortige Fälligkeit Arbeitsplätze gefährdet werden, sollen die Zahlungsmodalitäten so ausgestaltet werden, dass das Unternehmen in seiner Existenz und Wettbewerbsfähigkeit nicht gefährdet ist.
  • Die Nutzung des Freibetrages bei Schenkung oder Erbschaft soll nur noch einmalig möglich sein.
  • Wir wollen eine spürbare Entlastung kleiner und wirklich mittlerer Einkommen bei gleichzeitiger Anhebung des Durchschnittssteuersatzes für die zehn Prozent der höchsten Einkommen. Dann könnte im Gegenzug der Solidaritätszuschlag entfallen. Wir wollen eine Erhöhung des Grundfreibeitrags auf 12.000/24.000 Euro für Singles/Verheiratete. Darüber hinaus sorgen wir mit einem Kinderbonus für eine Entlastung von Alleinerziehenden und Paaren.
  • Die steuerliche Ungleichbehandlung von Einzel- und Personenunternehmen gegenüber Kapitalgesellschaften wird beseitigt.
  • Die Versteuerung von Kapitalerträgen erfolgt zukünftig wieder mit der Einkommensteuer und nicht mehr mit der bisherigen niedrigeren pauschalen Abgeltungssteuer.
  • Gewährleistung einer fairen Unternehmensbesteuerung am Ort der Wertschöpfung im Rahmen der national geltenden Steuersätze.
  • Wir fordern eine gerechte Besteuerung der digitalen Wirtschaft und stehen für eine globale Mindestbesteuerung der digitalen Unternehmen. Wenn es global nicht geht, dann europäisch, ansonsten im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit innerhalb der EU mit den willigen Staaten. Dabei begrüßen wir die klaren Beschlüsse im Europawahlprogramm der SPD dazu. Parallel dazu entwickeln wir geeignete Maßnahmen auf nationaler Ebene, die wir jederzeit aktivieren können.
  • Die steuerliche Absetzbarkeit von Managerbezügen wird auf das 15-fache des Durchschnittsgehaltes (Betriebliche Vollzeitkraft) im Unternehmen/Konzern begrenzt.
  • Das Ehegattensplitting werden wir für zukünftige Partnerschaften durch einen Familientarif mit Kinderbonus ersetzen (s. Wahlgramm zur Bundestagswahl 2017), wobei der Splittingvorteil auf 7.000 Euro gedeckelt wird.
  • Jedes Kind ist gleich viel wert, der bisherige steuerlich ungerechte Kinderfreibetrag wird abgeschafft, das Kindergeld durch eine Kindergrundsicherung ersetzt.
  • Generell darf die steuerliche Förderung von gemeinwohlorientiertem Verhalten nicht zu einem mit dem Einkommen zunehmenden Steuerrabatt führen. Deshalb werden wir den Abzug von der Steuerbemessungsgrundlage durch einen einheitlichen Prozentsatz ersetzen, der bei Spenden oder förderfähigen Investitionen vom Finanzamt erstattet wird. (Zur Verdeutlichung: Heute muss ein Top-Verdiener von einer 50-Euro-Spende lediglich 27,50 Euro selbst bezahlen, den Rest erhält er vom Finanzamt zurück. Für einen Supermarktkassierer beträgt der Eigenanteil dagegen 40 Euro.)
  • Wir setzen uns für die Entlastung von geringen und mittleren Einkommen durch eine Entlastung bei den indirekten Steuern, wie beispielsweise der Mehrwertsteuer ein.
  • Wir setzen uns für eine sozial gerechte CO2-Bepreisung ein. Denn wir wissen, eine CO2-Bepreisung kann als Teil eines Instrumenten-Mixes einen wirksamen Beitrag zum Erreichen unserer Klimaschutzziele leisten. Wir wissen aber auch, dass diese Lenkungswirkung bei kleineren und mittleren Einkommen und vor allem bei PendlerInnen und MieterInnen zu unverhältnismäßigen Belastungen führen kann. Deshalb fordern wir den Ausgleich von sozialen Härten aus dem Aufkommen der Steuer. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten begreifen die Energie-, Verkehrs- und Wärmewende als ökonomische, ökologische und soziale wie gesellschaftliche Herausforderung. Nur eine ganzheitliche Betrachtung wird letztlich zum Erfolg führen.
  • Die Einnahmen aus der CO2-Steuer und eines Teils der Mehrwertsteuer wollen wir als Bonus für alle Bürgerinnen und Bürger zurückgeben. Damit korrigieren wir den Steuerbeitrag zugunsten kleiner und mittlerer Einkommen.
  • Unser Ziel bleibt eine umfassende Finanztransaktionssteuer. Diese soll alle börslichen und außerbörslichen Transaktionen von Wertpapieren, Anleihen und Derivaten sowie alle Devisentransaktionen umfassen. Wir begrüßen daher die Festlegung im Europakonvent ausdrücklich.

L-02 Soziale Sicherheit im Alter und Zusammenhalt zwischen den Generationen – Mit vereinten Kräften für eine gute Rente

1.07.2019

Die Absicherung im Alter ist ein zentrales Versprechen des Sozialstaats. Gerade in Zeiten des gesellschaftlichen und ökonomischen Umbruchs stellt es eine wesentliche Voraussetzung für das Vertrauen in Staat und Politik dar. Rentenpolitik ist, anders als manche glauben machen wollen, kein Konflikt zwischen Alt und Jung. Im Gegenteil: Von einer mutigen und gerechten Rentenpolitik profitieren die heute Jungen in Zukunft ebenso wie die aktuelle RentnerInnen-Generation.

 

Es gilt: Die Teilhabe am Erwerbsleben ist von zentraler Bedeutung für jeden Menschen, für seine Lebenschancen für ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben, das den unterschiedlichen individuellen und familiären Bedingungen Rechnung trägt. Eine wirksame und verlässliche Lebensstandardsicherung und Armutsvermeidung im Alter kann für die Mehrzahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Regel nicht durch Erwerbsarbeit, Ersparnisse oder private Versicherungen gewährleistet werden. Notwendig und historisch bewährt ist stattdessen eine starke öffentliche Absicherung durch ein soziales Sicherungssystem, das auch eine wirtschaftliche Abkopplung der Rentnerinnen und Rentner vom Rest der Bevölkerung zuverlässig verhindert.

 

Wir fordern deshalb:

  1. Das eindeutige Bekenntnis zur gesetzlichen Rente als der Grundlage für ein Leben in Würde nach der Erwerbstätigkeit.
  2. Die langfristige Stabilisierung des Rentenniveaus und die Prüfung, wie es wieder angehoben werden kann.
  3. Die Einführung einer Grundrente ohne eine Bedürftigkeitsprüfung.
  4. Private Vorsorge soll nicht länger als Instrument dienen, um ein sinkendes Rentenniveau auszugleichen.
  5. Konkrete Schritte zur Einführung einer Erwerbstätigenversicherung in die alle einzahlen, auch alle Abgeordneten.
  6. Keine Erhöhung des Renteneintrittsalters, weil schon jetzt viele vorzeitig in Rente gehen und dabei lebenslange Abschläge in Kauf nehmen müssen.
  7. Die langfristige Finanzierung einer auskömmlichen Rente ist durch angemessene Beiträge und Steuermittel sicherzustellen.

 

Stärkung der Gesetzlichen Rentenversicherung

Nur wer materiell gut abgesichert ist, kann auch im Alter uneingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Deshalb bedarf es einer auskömmlichen Rente, die am erreichten Lebensstandard anknüpft und an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst wird. Dies ist und bleibt Aufgabe der Gesetzlichen Rentenversicherung. Für uns SozialdemokratInnen ist eine stabile, leistungsfähige und zukunftsfeste Rentenversicherung ein zentrales Ziel unserer Politik. Das Vertrauen in die Rente ist entscheidend für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dies gilt gerade in Zeiten einer sich rapide wandelnden Welt.

 

Die Rentenversicherung zählt zum Kern unseres Sozialstaats und hat sich seit vielen Jahrzehnten bewährt: Sie umfasst alle Generationen in der ganzen Bundesrepublik, ist unabhängig von Banken, Privatversicherungen und internationalen Fonds, von privaten Renditeinteressen und auch unabhängig von der Entwicklung einzelner Beschäftigtengruppen, Betriebe oder Branchen. Wir möchten sie stärken, damit sie ihre zentralen Aufgaben wieder besser erfüllt: Sie beteiligt die älteren Menschen am Wohlstandzuwachs und sorgt dafür, dass der Übergang vom Arbeitsleben in den Ruhestand nicht durch Zukunftsängste geprägt wird. Die Umlagefinanzierung macht die finanzielle Absicherung im Alter unabhängig von den Turbulenzen auf den internationalen Kapitalmärkten. Die Rentenversicherung als Teil der Sozialversicherung verbindet das Versicherungsprinzip mit dem Grundgedanken des sozialen Ausgleichs. Denn Rentenansprüche entstehen auch in Zeiten der Kindererziehung, der familiären Pflege und von Arbeitslosigkeit. Und abgesichert werden auch die Risiken von Erwerbsminderung und Hinterbliebenenschaft. Betriebliche oder/und private Vorsorge kann das nicht leisten. Diese Absicherungsformen haben nur ergänzenden Charakter, sie können und dürfen die Leistungen der Rentenversicherung nicht ersetzen. Ziel unserer Politik ist es daher, die gesetzliche Rente als Fundament der Versorgung im Alter zu stärken.

 

Die Rentenversicherung steht unter den Bedingungen des demografischen, ökonomischen und sozialen Wandels vor großen Herausforderungen. Deshalb ist eine mutige Reformpolitik unverzichtbar. Es geht darum, die Rentenversicherung vor weiteren Angriffen zu schützen, die bewährten Prinzipien zu verteidigen und zugleich den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden. Leitmotiv unserer Politik sind die Prinzipien Solidarität, Zusammenhalt und Menschlichkeit. Dabei können wir an den vielen von uns durchgesetzten Reformen der letzten Jahre, die zu merklichen Leistungsverbesserungen geführt haben, anknüpfen. Wir müssen sie aber konsequent fortsetzen, um einen durchgreifenden Richtungswechsel hin zu einem Sozialstaat der Zukunft zu erreichen, auf den sich alle Generationen verlassen können.

 

Gute Arbeit – gute Rente

Eine gute Rente lässt sich dann erreichen, wenn die Rentenversicherung in Höhe und Struktur angemessene Leistungen garantiert und wenn auf dem Arbeitsmarkt lange Erwerbsbiografien zu guten Arbeitsbedingungen und guten Löhnen führen. Denn die Höhe der individuellen Rente spiegelt die Stellung der Versicherten im Erwerbsleben wider. Kurze sowie unterbrochene Phasen der Erwerbstätigkeit und/oder niedrige Löhne führen zu niedrigen Renten. Das wird die Rentenversicherung auch in Zukunft nur teilweise ausgleichen können. Wir wollen, dass mehr Menschen erwerbstätig sein können. Dafür muss die Frauenerwerbsquote noch weiter gesteigert werden. Zudem sind viele Frauen in der „Teilzeitfalle“ oder „Minijobfalle“ gefangen und erwerben daher nur sehr niedrige Rentenanwartschaften. Die Anreize für den Verbleib in einem Minijob müssen deshalb abgeschafft werden. Mit der Brückenteilzeit sind wir einen wichtigen Schritt gegangen, um besonders Frauen, aber auch Männern, die Rückkehr in eine Vollzeitarbeit zu ermöglichen. Notwendig ist außerdem eine leichtere Vereinbarkeit von Beruf, Pflege und Familie. Wir haben mit dem Ausbau der Kinderbetreuung sowie der Ganztagsschulen und mit dem Rechtsanspruch auf eine Betreuung ab dem 1. Lebensjahr sowie einem Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit schon grundlegende Verbesserungen erreicht. Diesen Weg müssen wir weiter gehen.

 

Ein stabiler Arbeitsmarkt, der allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gute Arbeit zu guten Löhnen bietet, ist die beste Vorsorge für gute Renten und gegen Altersarmut. Mit der Einführung des Mindestlohns hat die SPD die unterste Grenze für einen menschenwürdigen Lohn eingezogen. Damit haben wir Millionen Menschen aus dem Niedriglohnsektor geholt. Es ist aber auch klar, dass der Mindestlohn kontinuierlich erhöht werden muss, damit Armut trotz Arbeit verhindert wird und höhere Rentenanwartschaften erworben werden. Wir streben auch deshalb einen Mindestlohn von 12 Euro an. Der Mindestlohn sichert nach unten ab. Daneben brauchen wir gute und hohe Tariflöhne. Wir wollen, dass wieder mehr Beschäftigte von Tarifverträgen profitieren. Dafür wollen wir die Tarifautonomie gesetzlich stärken und die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen erleichtern.

 

Wir müssen jetzt die Weichen stellen, damit gute Beschäftigung auch in Zukunft für alle möglich ist. Durch die Humanisierung der Arbeitswelt kann es gelingen, dass Menschen das Rentenalter in Gesundheit erreichen und bis dahin arbeiten können. Maßnahmen der gesundheitlichen Prävention in der Arbeitswelt tragen dazu bei und werden durch Rehabilitationsmaßnahmen flankiert. Die Digitalisierung der Arbeitswelt führt nicht nur zu Risiken, sondern bietet vor allem Chancen. Damit alle sie nutzen können, brauchen wir mehr und bessere Weiterbildung und Qualifizierung. Wir haben mit dem von uns durchgesetzten Qualifizierungschancengesetz damit bereits begonnen. Weiterbildung ist für uns ein ArbeitnehmerInnenrecht, denn lebenslanges Lernen und Weiterbildung sichern Beschäftigungsfähigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt.

 

Einführung der Grundrente – ohne Bedürftigkeitsprüfung

Alle diese Maßnahmen sind wichtig. Aber es gibt eine Gruppe von jetzigen und künftigen RentnerInnen, die trotz eines Lebens voller Arbeit nicht auf eine Rente oberhalb der Grundsicherung kommen. Betroffen sind vor allem Frauen, die jahrelang versicherungspflichtig beschäftigt waren, aber wegen ihrer geringen Entlohnung, Teilzeitarbeit oder Betreuung von Kindern oder Pflegebedürftigen nur eine niedrige Rente beziehen. Es ist für uns untragbar, dass all diese Personen trotz ihrer langjährigen Beitragszahlung am Ende des Berufslebens eine Rente womöglich unterhalb des Grundsicherungsniveaus erhalten und auf den Gang zum Sozialamt verwiesen werden. Ein Anspruch auf Grundsicherung besteht aber nur dann, wenn Bedürftigkeit nachgewiesen wird: Angerechnet werden nahezu sämtliche Einkommen im gesamten Haushalt, und auch Vermögensbestände müssen – bis auf kleine Freibeträge – aufgelöst werden. Das ist kein Respekt vor der Lebensleistung der Betroffenen. Wir wissen, dass deswegen viele auf die Inanspruchnahme der Grundsicherung verzichten. Rentenfreibeträge in der Grundsicherung können das Problem zwar lindern, aber nicht lösen. Eine Einkommensanrechnung oder Bedürftigkeitsprüfung kennt die Rente schlicht nicht. Das Konzept einer Grundrente des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil weist einen Weg auf, der den Prinzipien von Solidarität und Gerechtigkeit entspricht: Arbeit muss sich lohnen und Menschen müssen nach einem langen Arbeitsleben ein Auskommen haben, das ihre Leistung respektiert. Entgeltpunkte in der Rentenversicherung, die aus einem niedrigen Arbeitseinkommen resultieren, sollen deshalb – nach 35 Jahren Arbeit, Kindererziehung und Pflege – aufgestockt werden. Die Grundrente unterliegt, wie die Mütterrente auch, keiner Bedürftigkeitsprüfung, weil sie auf Leistung beruht. Sie gilt nicht nur für Neuzugänge, sondern auch für die laufenden Renten im Bestand und sie wird durch die Rentenversicherung ausgezahlt. Für uns ist daher klar: Die Grundrente muss Ergebnis einer Regierungsbeteiligung sein. Wir werden nicht zulassen, dass die Union Menschen ihr gerechtes Auskommen aus lebenslanger Leistung verweigert.

 

Sicherung des Lebensstandards

Alterssicherung ist weit mehr als Armutsvermeidung. Die Rente muss ein Ersatz für das Erwerbseinkommen bleiben: Nach Aufgabe der Berufstätigkeit muss sichergestellt werden, dass der im Laufe des Erwerbs- und Versicherungslebens erarbeitete Lebensstandard weitgehend beibehalten werden kann. Die Rentenversicherung spielt damit eine zentrale Rolle in der Alterssicherung für Beschäftigte mit mittleren und höheren Einkommen. Weil die Höhe einer persönlichen Altersrente vom gesamten Erwerbsverlauf abhängt, und nicht nur vom letzten Einkommen, existiert kein allgemeines Maß dafür, wie hoch die Rente bei Renteneintritt ausfällt und in welchem Verhältnis sie zum vorherigen Arbeitsentgelt steht. Die Höhe des in der Statistik ausgewiesenen „Rentenniveaus“ gibt darüber keine Auskunft und wird oft falsch interpretiert.

 

Aber dennoch hat die Höhe des Rentenniveaus eine zentrale Bedeutung für die Beurteilung der Leistungen der Rentenversicherung. Das Sicherungsniveau (netto vor Steuern) verdeutlicht nämlich, inwieweit Lohnsteigerungen über die Rentenanpassung weitergegeben werden. Um das zu berechnen, wird eine Modellrechnung vorgenommen: Verglichen wird eine sogenannte Standardrente (Rente bei 45 Beitragsjahren zum Durchschnittsentgelt) mit dem aktuellen Durchschnittsverdienst der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sinkt das so berechnete Niveau, dann heißt das, dass die Rentenerhöhung der Lohnentwicklung nur noch gebremst folgt Die Erwartung, dass die geförderte private und betriebliche Vorsorge diese geringeren Rentenerhöhungen ausgleichen und die Lücken auffüllen, hat sich nicht erfüllt. Der Großteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer muss mit einem Einkommensrückgang im Altersübergang rechnen. Es erhöht sich die Gefahr, dass die Rente nicht höher liegt als der Grundsicherungsbedarf (einschließlich der Kosten der Unterkunft). Als Reaktion darauf zu fordern, dass Menschen länger und länger arbeiten müssen, wie es die Union und die FDP fordern, halten wir für zynisch. Die SPD steht dazu: Nach lebenslanger Arbeitsleistung hat sich jeder einen auskömmlichen Lebensabend verdient.

 

Absehbar sind grundlegende Legitimations- und Akzeptanzprobleme der Rentenversicherung: Warum jahrzehntelang Beiträge zahlen, wenn die Rente nicht oder nur wenig höher liegt als die Grundsicherung und sich kein Unterschied mehr ergibt zu Personen, die keine Beiträge geleistet haben? Betroffen sind nicht nur die Älteren, sondern auch und gerade die jüngeren Menschen, die später im Alter nur noch mit geringen Rentenansprüchen rechnen können.

 

Deshalb war die Entscheidung, das Absinken des Rentenniveaus zu stoppen und bis zum Jahr 2025 eine „Sicherungslinie“ von 48 Prozent einzuziehen, richtig und notwendig, um das Vertrauen in die Politik und in den Sozialstaat zu stärken. Wir haben damit ein wichtiges Signal für die Jahre nach 2025 gesetzt. Wir treten entschieden dafür ein, dass diese Sicherungslinie dauerhaft festgeschrieben wird, damit auch die jüngeren Generationen im Alter eine auskömmliche Rente erhalten. Dies ist ein Auftrag der Generationensolidarität! Wir wissen allerdings auch, dass dies mit erheblichen finanziellen Folgewirkungen verbunden sein wird. Wir teilen die Vorstellungen, das Niveau mittel- bis langfristig wieder auf 50 Prozent anzuheben, setzen die erste Priorität aber zunächst auf die Niveaustabilisierung. In diesem Zusammenhang sprechen wir uns für eine Reform der Rentenanpassungsformel aus.

 

Die Niveaustabilisierung ist auch deshalb ein zentrales Ziel sozialdemokratischer Rentenpolitik, weil auch eine einmal eingeführte Grundrente an Wert verliert, wenn die Rentenanpassung hinter der Entwicklung des Niveaus der Grundsicherung im Alter zurückbleibt, besonders im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft.

 

Altersgrenze

Wer eine weitere Anhebung der Altersgrenzen, etwa in Kopplung an die steigende Lebenserwartung fordert, muss sich fragen lassen, an welche Beschäftigten dabei gedacht ist. Alle verfügbaren Daten zeigen, dass ein Teil der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer körperlich dazu nicht der Lage ist. Schon jetzt schaffen es viele nicht, über das 65. Lebensjahr hinaus im Arbeitsleben zu stehen. Hauptaufgabe ist es deshalb, dafür Sorge zu tragen, dass der Anteil der Beschäftigten steigt, der bis zum Erreichen der Regelaltersrente versicherungspflichtig beschäftigt ist und nicht auf eine vorzeitige Rente mit hohen Abschlägen ausweichen muss, auf eine Erwerbsminderungsrente angewiesen ist oder in die Langzeitarbeitslosigkeit abgedrängt wird.

 

Zweifelsohne steigt die Lebenserwartung aber nur im Durchschnitt. Studien belegen, dass sowohl der Gesundheitszustand als auch das Sterblichkeitsrisiko eng mit dem sozialen Status der Menschen zusammenhängen: Je niedriger – gemessen an Merkmalen wie Einkommen, Qualifikation, Lebensbedingungen und Art der Berufstätigkeit – desto größer sind die Risiken zu erkranken und früher zu sterben. Insofern führen pauschale Aussagen in die Irre. Nicht alle Älteren erleben die positive Entwicklung der Lebenserwartung im gleichen Maße.

 

Wir lehnen deshalb Vorschläge einer pauschalen Anhebung von Altersgrenzen entschieden ab. Es käme zu einer starken sozialen Polarisierung im Alter – zu Lasten der Beschäftigten, die unter schwierigen Arbeitsbedingungen und hohen Gesundheitsbelastungen zu leiden haben. Wir setzen uns dafür ein, die Arbeitsbedingungen und -verhältnisse so zu gestalten, dass alle die Chance haben, gesund das Rentenalter zu erreichen.

 

Private und betriebliche Altersvorsorge

Die private Altersvorsorge kann das sinkende Rentenniveau nicht kompensieren und Versorgungslücken im Alter nicht schließen. Die Abhängigkeit vom Kapitalmarkt, intransparente Produkte und Vertragsbedingungen, hohe Kosten und niedrige Erträge haben die Hoffnung zunichte gemacht, durch die geförderte Riester-Rente könnte eine zweite „Säule“ der Alterssicherung aufgebaut werden. Die Zahl der geförderten Verträge ist seit Jahren konstant und aktuell sogar rückläufig. Jeder fünfte Vertrag wird nicht mehr bedient. Trotz der hohen und kürzlich verbesserten Zulagen gerade für Familien mit Kindern ist kaum davon auszugehen, dass diese Form der privaten Vorsorge in Zukunft stärkere Verbreitung findet. Gerade Beschäftigte mit niedrigem Einkommen waren und sind kaum in der Lage, in die private Vorsorge zu investieren. Darüber hinaus wird hier, anders als bei der gesetzlichen Rente, meist nur das Altersrisiko abgedeckt, nicht aber Erwerbsminderung und Hinterbliebenenversorgung.

 

Vor diesem Hintergrund fordern wir eine grundsätzliche Reform der privaten Vorsorge. Wir werden prüfen, ob und wie die Subventionierung aus Steuermitteln sinnvoll ist, wobei es natürlich einen Bestandsschutz geben muss. Die Prüfung betrifft insbesondere die Subventionierung der Besserverdienenden durch steuerliche Freibeträge, da hier hohe Mitnahmeeffekte auftreten und es zu einer Subventionierung von unten nach oben kommt. Eine Subventionierung zukünftiger Verträge lehnen wir ab.

Unabhängig davon gibt es natürlich die Möglichkeit und den Bedarf, die Leistungen der Rentenversicherung im Alter durch Leistungen der freiwilligen privaten Vorsorge zu ergänzen, aber eben nicht zu ersetzen. Da die private Banken- und Versicherungswirtschaft bislang nicht in der Lage ist, ein einfaches, transparentes und kostengünstiges Standardprodukt zu entwickeln, schlagen wir vor, die Eignung öffentlich-rechtlicher Modelle, wie etwa ein Vorsorgekonto bei der Deutschen Rentenversicherung, zu prüfen.

 

Wir schlagen gleichzeitig vor, den Versicherten die Möglichkeit einzuräumen, sich freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung höher zu versichern, so dass sie im Alter aufgrund der höheren Beiträge eine zusätzliche Rente erhalten.

 

Damit könnte eine einheitliche Basis geschaffen werden, um den Bedarf einer zusätzlichen Altersversorgung ohne Abhängigkeit von den Gewinninteressen von Versicherungen und Banken sicherzustellen.

 

Wir betonen, dass für uns die betriebliche Altersvorsorge der beste Weg ist, um die gesetzliche Rente zu ergänzen, weil sie private Vorsorge und kollektive Absicherung miteinander verbindet. Durch den Betriebs- und Branchenbezug kann sie sich zudem an unterschiedliche Anforderungen und Bedingungen flexibel anpassen und auch die unterschiedlichen Beschäftigungsdauern in verschiedenen Berufen durch die Mitnahmemöglichkeit der erworbenen Ansprüche berücksichtigen.

 

Allerdings ist der Zugang zur betrieblichen Altersversorgung nach wie vor sehr ungleich verteilt, was Branchen, Betriebsgrößen und auch das Geschlecht der Beschäftigten angeht. Auch hier zeigt sich, dass nur rund die Hälfte aller Beschäftigten Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung aufweisen.

 

Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz haben wir gerade für kleine und mittlere Unternehmen den Einstieg in eine betriebliche Altersvorsorge erleichtert. Für Geringverdiener gibt es verbesserte Fördermöglichkeiten. Und die Arbeitgeber müssen ihre Ersparnisse bei der Entgeltumwandlung zum größten Teil an die Beschäftigten weitergeben. Es ist noch zu früh, um ein Urteil über die Auswirkungen des Gesetzes fällen zu können.

 

Entscheidendes Problem für die Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge ist die sinkende Tarifbindung. Wenn es Betriebsräte und Tarifverträge gibt, existieren auch Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung. Wir wollen, dass in Zukunft jeder Arbeitgeber und jede Arbeitgeberin allen Beschäftigten ein Angebot zum Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung anbieten muss und auch die Ansprüche bei Betriebsübergängen gesichert werden.

 

Erwerbstätigenversicherung

Solidarität in der Alterssicherung heißt, dass alle Menschen im Alter eine angemessene, am erreichten Lebensstandard orientierte Absicherung erhalten und dass Altersarmut vermieden wird. Solidarität heißt aber auch, dass sich alle Menschen an der Finanzierung beteiligen. Realisiert wird dieser Anspruch bis heute nicht. Denn historisch gewachsen umfasst die Rentenversicherung nur einen Teil der Erwerbstätigen, die Solidarität ist begrenzt auf abhängig Beschäftigte. Selbstständige hingegen sind bis auf wenige Ausnahmen von der Versicherungspflicht ausgenommen. Wenn sie keinem anderen obligatorischen Alterssicherungssystem angehören, unterliegen sie im besonderen Maße der Gefahr, im Alter Leistungen der Grundsicherung beantragen zu müssen. Angesichts der Umbrüche in der Arbeitswelt nimmt die Zahl der ungesicherten Selbstständigen zu, dies betrifft nicht nur die Solo-Selbstständigen, sondern auch die kleinen Selbstständigen, insbesondere im Dienstleistungssektor. Zudem verwischen die Grenzen zwischen abhängiger und selbstständiger Arbeit immer mehr – häufig werden beide Tätigkeitsformen parallel ausgeführt oder es findet ein mehrfacher Wechsel im Erwerbsverlauf statt.

 

Aber auch Beamte unterliegen nicht der Versicherungspflicht, sondern sind durch ein spezielles System, die Beamtenversorgung, abgesichert – finanziert allein durch Steuermittel aus den öffentlichen Haushalten. Zudem ist unstrittig, dass die Beamtenversorgung gleich mehrfach bessere Leistungen im Alter bietet, als dies bei der Rentenversicherung der Fall ist. Das gleiche gilt für die Alterssicherung der Abgeordneten.

 

Wir Sozialdemokraten betonen schon seit Jahren, dass dieses Nebeneinander von unterschiedlichen Systemen zu sozialen Spaltungen innerhalb der Gesellschaft führt. Es ist an der Zeit, die Gesamtheit der Erwerbstätigen in die Rentenversicherung aufzunehmen und die Sondersysteme auf lange Sicht zu überwinden. Bei den Beamten und den zu Versorgungswerken gehörenden Selbstständigen besteht kein Absicherungsproblem und erst recht kein Armutsproblem. Durch die Einbeziehung in die Rentenversicherung kann und muss aber erreicht werden, dass sich auch diese Gruppen solidarisch an der Beitragsfinanzierung beteiligen und sich nicht länger den Anforderungen des sozialen Ausgleichs und den damit verbundenen Kosten entziehen.

 

Natürlich ist eine solche Reform nicht von heute auf morgen zu schaffen. Überfällig sind erste Schritte – und zwar ohne Zeitverzögerung. Wir wissen, dass bei der Beamtenversorgung langfristige Übergangsregelungen erforderlich sind, da die laufenden Pensionen und die bereits erworbenen Ansprüche unberührt bleiben müssen. Aber es ist rechtlich möglich, Beschäftigte, die neu ins Beamtenverhältnis übernommen werden oder erst seit kurzer Zeit verbeamtet worden sind, in die Rentenversicherung zu übernehmen.

 

Sicherlich kann es hier keine Regelung auf einen Schlag geben. Erforderlich sind Übergangsregelungen, zum einen für die (älteren) Selbstständigen, die bereits freiwillig vorgesorgt haben, und zum anderen für jene Personen, die sich selbstständig machen und in den ersten Jahren nur wenig verdienen. Es muss allerdings darauf geachtet werden, dass Selbstständige nicht auf Kosten der anderen Beitragszahler bessergestellt werden. Damit würde die Akzeptanz der Rentenversicherung gefährdet.

 

Finanzierung

Wenn in Zukunft infolge der demografischen Verschiebungen der Anteil der Rentenempfängerinnen und -empfänger im Verhältnis zu den (beitrags- und steuerzahlenden) Erwerbstätigen steigt, kommt es zu höheren Ausgaben und zu Mehrbelastungen. Aber einen guten Sozialstaat gibt es nicht zum Nulltarif. Unstrittig ist, dass die Beitragssätze spätestens ab 2025 über die gesetzlichen Haltelinien von 20 Prozent und 22 Prozent ab 2030 steigen werden. Einen dauerhaft niedrigen Beitragssatz kann man nicht mit Sicherheit versprechen.

Wie stark allerdings der Anstieg sein wird und welche Belastungen den Versicherten zugemutet werden, lässt sich nicht präzise bestimmen. Je weiter in die Zukunft geschaut wird, umso schwieriger ist es, sichere Voraussagen zu treffen.

 

Dabei kommt es nicht allein auf die demografische Entwicklung an. Für die Finanzlage der Rentenversicherung ist es entscheidend, wie viele Personen beschäftigt sein werden und Beiträge zahlen, und wie groß die Zahl der Rentnerinnen und Rentner sein wird. Deshalb wollen wir die Frauenerwerbstätigenquote weiter erhöhen, die Erwerbsbeteiligung im Alter fördern und die Zahl der Arbeitslosen weiter abbauen. Dieser Blick auf den Arbeitsmarkt macht deutlich, dass die Zukunft gestaltbar ist, und dass das Ziel von guter Arbeit nicht nur auf höhere Renten abstellt, sondern auch die Finanzierung der Rente erleichtert.

 

Der demografische Wandel betrifft auch die private Altersvorsorge. Eine steigende Lebenserwartung führt auch in diesen Systemen zwangsläufig dazu, dass der für die Altersphase angesammelte Kapitalstock nun für ein längeres Leben reichen muss. Zugleich hat die Verschiebung der Altersstruktur einen negativen Einfluss auf die Renditen einer kapitalfundierten Altersvorsorge.

 

Die Finanzierung eines stabilen Rentenniveaus hängt auch von der Bereitschaft der Parteien, der Verbände und der Sozialpartner ab, entschieden für den Auftrag des Sozialstaates einzutreten, die Einkommens- und Lebensbedingungen der älteren Generation zu sichern. Das ist möglich, denn die Entwicklung vollzieht sich über einen Zeitraum von 40 Jahren. Sprunghafte Beitragssatzanstiege wird es nicht geben. Die Einkommensentwicklung entscheidet, ob es gelingt, steigende Beitragsbelastungen auch ohne Realeinkommensverluste zu verkraften.

 

Zu berücksichtigen sind auch jene Reformmaßnahmen, die seit Jahren diskutiert werden und die zu einer Dämpfung des Beitragssatzanstiegs führen können. Gemeint sind hier insbesondere die Forderungen nach einer sukzessiven Einbeziehung der Selbstständigen und aller geringfügig Beschäftigten in die Rentenversicherung. Diese Maßnahmen führen aufgrund der höheren Zahl der Beitragspflichtigen zu deutlichen Mehreinnahmen. Diese Entlastung wirkt bis auf längere Sicht, da erst sehr viel später die entsprechenden Mehrausgaben anfallen, so dass es gelingt, die Belastungen gerade in der Phase des Renteneintritts der geburtenstarken Jahrgänge zu begrenzen. Zudem sprechen wir uns für eine dynamisierte Beitragsbemessungsgrenze im Sinne einer deutlichen Erhöhung aus, ohne bei der späteren Rentenhöhe diese Dynamisierung vollständig abzubilden.

 

Wir fordern, dass der Bund seiner Verantwortung für die dauerhafte Funktions- und Leistungsfähigkeit der Rentenversicherung gerecht wird und sich stärker an der Finanzierung beteiligten. Dies kann unter anderem durch die Hinzuziehung weiterer Einkommensarten für die Finanzierung der Bundeszuschüsse gewährleistet werden. Entsprechend fordern wir die Einführung einer verfassungskonformen Vermögenssteuer sowie eine Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Wer von Leistungsgerechtigkeit spricht, darf über Reichtum ohne Leistung nicht schweigen. Die sich daraus ergebenden Mehreinnahmen wollen wir unter anderem dafür nutzen, die Zuschüsse des Bundes zur gesetzlichen Rentenversicherung aufzustocken. Gleiches gilt in Bezug auf eine ebenfalls einzuführende Digitalsteuer. Unternehmen, die vor allem mit Maschinen und Algorithmen anstatt mit MitarbeiterInnen Profite erwirtschaften und sich deshalb nur unverhältnismäßig an der Finanzierung der Sozialkassen beteiligen, müssen dazu über den Umweg einer Digitalsteuer gebracht werden. Die erhöhten Zuschüsse, die schon jetzt zur Absicherung der Haltelinie von 48 Prozent bis 2025 im Bundeshaushalt bereitgestellt sind, sind ein Signal in die richtige Richtung. Gesamtgesellschaftliche Aufgaben, wie die Finanzierung der Mütterrente, die Grundrente oder die Angleichung der Ost-Renten, müssen aus Steuer- und nicht aus Beitragsmitteln finanziert werden.

 

Fragt man nämlich nach den Alternativen, wird auf den weiteren Ausbau der privaten Vorsorge verwiesen. „Kostenlos“ ist dies aber nicht zu haben. Auch der Ausbau der kapitalfundierten Systeme, wie er trotz aller negativen Erfahrungen mit der privaten Vorsorge unverändert gefordert wird, ändert daran nichts. So sind die Sparbeträge bei der Riester-Rente wie auch die arbeitnehmerfinanzierte betriebliche Altersversorgung im Rahmen der Entgeltumwandlung mit Einkommensabzügen verbunden, die allerdings nur die Arbeitnehmer und nicht die Arbeitgeber belasten.

 

Wenn dennoch immer wieder in Katastrophenszenarien die Unfinanzierbarkeit einer sozialen Rentenreform betont wird und die junge Generation als „Verlierer“ dargestellt wird, so steht dahinter die Absicht, einen Generationenkonflikt zu schüren.

 

Das ist mit der SPD nicht zu machen. Wir setzen uns für eine starke und sichere Altersversorgung ein, die im Interesse aller Generationen liegt.

F-01 Internationaler Frauentag (08. März) wird zum Feiertag!

17.06.2019

Die NRWSPD fordert die SPD Landtagsfraktionen auf, sich politisch dafür einzusetzen, dass der internationale Frauentag in jedem Jahr zu einem gesetzlichen Feiertag wird.

S-05 „Sozialwegweiser durch das Sozialleistungsdickicht“

17.06.2019

Die Sozialdemokratische Partei Deutschland möge sich auf allen zuständigen Ebenen dafür einsetzen „Sozialwegweiser“ für alle Sozialleistungen einzurichten.

Diese „Sozialwegweiser“ sollen ein niedrigschwelliges Angebot für alle Bürger*innen anbieten, die sich darüber informieren wollen, welche Sozialleistungen ihnen zustehen. Des Weiteren sollen diese „Sozialwegweiser“ darüber Auskunft geben, wo diese Leistungen beantragt werden können und bei Bedarf Hilfestellungen leisten beim korrekten und vollständigen Ausfüllen von Anträgen, dem zusammenstellen aller nötigen Unterlagen und verstehen von Bescheiden.

Hierzu mögen die zuständigen Stellen in Modellkommunen ein Konzept für einen solchen „Sozialwegweiser“ erstellen, diese unter wissenschaftlicher Begleitung einrichten und die Effekte evaluieren.

IR-01 Landeswahlgesetz weiterentwickeln

17.06.2019

Die nordrhein-westfälische Landtagsfraktion möge folgenden Punkt umsetzen:

Das Landeswahlgesetz wird so geändert, dass möglichst Ausgleichs- und Überhangmandate verhindert werden. Eine Möglichkeit steht z.B. darin, das Verhältnis von Wahlkreis- und Listenkandidaten anzugleichen.

K-01 Hochverschuldete Kommunen dürfen nicht im Stich gelassen werden – Kommunaler Entschuldungsfonds jetzt

17.06.2019

Bund, Land und Kommunen werden aufgefordert schnellst möglich alle Kassenkredite der Kommunen in einen Altschuldenfonds beim Bund zu überführen. Die Schulden in diesem Fonds müssen gemeinschaftlich von Bund, Land und Kommunen innerhalb von 30 Jahren getilgt werden. Hierbei muss die Handlungs- und Investitionsfähigkeit verschuldeter Kommunen gesichert werden.

 

Gleichzeitig muss durch eine strenge Anwendung des Konnexitätsprinzips – insbesondere im Verhältnis Bund zu Kommunen – und die Übernahme der Kosten für Sozialleistung durch den Bund sichergestellt werden, dass die Kommunen sich nicht erneut verschulden müssen.

 

Sollte der Bund sich nicht schnell an einer solchen Lösung beteiligen, muss das Land umgehend eine entsprechende Lösung für NRW auf den Weg bringen. Diese muss spätestens zum Auslaufen des Stärkungspaktes greifen.