G-03

Download (PDF)

Titel Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum sichern

AntragstellerInnen UB Hochsauerlandkreis

Veranstaltung(en) I/2020

Empfehlung der AntragskommissionAnnahme und Überweisung an SPD-Bundestags- und Landtagsfraktion

Der Landesparteitag möge beschließen:

Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum sichern

Begründung

I    Krankenhäuser/Kliniken

 

I.I  Gesundheitsvorsorge in der Zukunft 

 

Die Gesundheitsvorsorge in Deutschland wird zunehmend belastet und in der Qualität gefährdet durch Faktoren wie den demographischen Wandel und die zunehmende Tendenz zur Gewinnoptimierung in allen Bereichen des Gesundheitswesens durch über-wiegend private Träger.

 

Diesen Entwicklungen muss entschieden gegengesteuert werden.

 

Die medizinische Versorgung muss ausschließlich am Bedarf des Patienten ausgerichtet sein. Dies erreicht man am effektivsten durch die Beteiligung der öffentlichen Hand an allen größeren privaten Gesundheitseinrichtungen oder deren Projekten.

 

I.I a  Die ländliche Region

 

Die jüngere Vergangenheit hat gezeigt, dass staatliche Vorgaben im Gesundheitssystem, z.B. Bettenabbau oder Mindestzahlen für Operationen, für ländliche Regionen zum Teil verheerende Folgen haben. Daher ist in Zukunft eine differenziertere Betrachtung der Regionen erforderlich. Menschen auf dem Lande haben, ebenso wie die Menschen in Städten und Ballungsräumen, einen Anspruch auf ein Krankenhaus, Haus- und Fachärzte sowie Pflegeeinrichtungen zur Versorgung in erreichbarer Nähe. Da ein ÖPNV auf dem Lande nur begrenzt vorgehalten wird, und die Mobilität mit zunehmendem Alter immer problematischer wird, ist es hier besonders wichtig eine ortsnahe Versorgung sicherzustellen.

 

I.I b Behandlung und Pflege in Krankenhäusern und Kliniken auf dem Land

 

 

Die wohnortnahe Versorgung ist eine zentrale Anforderung an unser Gesundheitssystem. Es muss ein flächendeckendes Netz von Krankenhäusern geben, die die Patienten aus ihrem räumlichen Umfeld aufnehmen und eine ausreichende „Grundversorgung“ garantieren. Fälle die über die Grundversorgung hinausgehen und auch eine fachübergreifende Behandlung erfordern, werden an ein zentrales Schwerpunktkrankenhaus in der Region weitergeleitet. Nur noch Erkrankungen, die der Behandlung in Spezial- oder Uniklinken bedürfen, werden aus der Region abgegeben.

Aus dieser Struktur lassen sich einige Maßnahmen für die Zukunft ableiten:

 

Eine wohnortnahe Versorgung bedingt eine ausreichende Dichte an Standorten.

In einem ersten Schritt sollten daher alle vorhandenen Häuser in ihrem Bestand gesichert werden.

In einem zweiten Schritt muss es dazu kommen, dass die jeweilige Region auf Versorgungslücken geprüft wird, mit dem Ziel, diese Lücken zu schließen.

 

I.II Die wohnortnahe Versorgung

 

In allen Häusern müssen neben der Nah- und Grundversorgung mindesten die Grundlagen für eine Erstversorgung vorhanden sein und vorgehalten werden.

Die neue G-BA-Regelung zur stationären Notfallversorgung: „Sichere Erreichbarkeit, verbesserte Qualität und zielgenaue Finanzierung“ muss dahingehend klar ergänzt werden, dass die Erstfallversorgung auch für die Hauser im ländlichen Raum weiterhin möglich ist. Denn allein die Entfernungen im ländlichen Raum machen dies erforderlich.

 

Jedes Haus erhält eine oder mehrere weitere Aufgaben in Absprache mit den Kranken-kassen. Dafür werden der Behandlungsschwerpunkt und der Behandlungsumfang fest´-gelegt und dauerhaft dem Haus die ausreichenden Finanzmittel bereitgestellt. Sollte die Festlegung dieser Aufgaben für die vorhandenen Krankenhäuser in der Region nicht auf freiwilliger Basis mit den Krankenkassen möglich sein, muss die Festlegung von staatlicher Seite erfolgen. Dabei kann es nur um medizinische Versorgungsnotwendigkeiten gehen. Lokalpolitische Aspekte können und dürfen dabei keine Berücksichtigung finden.

 

In allen Häusern im Sauerland werden geriatrische Stationen und Stationen zur Weiterpflege sowie zur Kurzeitpflege eingerichtet. In diesen Häusern der Grundversorgung soll auch die Nachsorge und Pflege der Patientinnen und Patienten nach OPs erfolgen, die in anderen Häusern, z.B. in einem Schwerpunktkrankenhaus durchgeführt wurden.

 

Für die Kurzzeitpflege müssen ausreichende Kapazitäten für Notfälle aus der ambulanten Pflege bereitgestellt und vorgehalten werden, denn die Zahl der älteren Menschen, die zu Hause gepflegt werden, erhöht sich ständig. Damit steigt der Bedarf für Kurzzeitpflegeplätze in Notsituationen bei der ambulanten Pflege.

 

An allen Häusern sollen Notfallpraxen installiert werden. Damit wird die Notaufnahme der Krankenhäuser nachhaltig entlastet.

 

Die „Familiale Pflege“ sollte von allen Krankenhäusern vorgehalten und angeboten werden. Um pflegende Angehörige auf die Pflegesituation zu Hause vorzubereiten, müssen im Rahmen der „Familialen Pflege“ kostenlos Pflegetrainings und Pflegekurse, im Bedarfsfall auch bei den Patienten zu Hause, mit individueller Beratung und praktischen Hilfen angeboten und durchgeführt werden. Die Refinanzierung muss durch die Krankenkassen und/oder durch die Pflegekassen erfolgen.

 

I.III Schwerpunktkrankenhaus

 

In jeder Region wird ein Schwerpunktkrankenhaus gebildet, das eine umfassende medizinische, klinisch-stationäre Versorgung garantiert. In diesem Haus werden alle schwierigen Operationen und Behandlungen für die Region angeboten und durchgeführt.

 

Die klinische Versorgung in diesem Haus muss die Aufgaben wahrnehmen, die nicht in den anderen Häusern der Region erledigt werden können. Die Ausstattung des Hauses muss so sein, dass nur wenige Ausnahmen bei der Behandlung schwerer Fälle in anderen Häusern, wie Unikliniken und Spezialkliniken erfolgen müssen.

 

In diesem Schwerpunktkrankenhaus steht also die klinische Versorgung im Mittelpunkt und nicht die Pflege bzw. Nachsorge. Pflege und Nachsorge erfolgen in den jeweils heimatnahen anderen Krankenhäusern im Sauerland.

 

I.IV Krankenhausfinanzierung

 

Mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz wurde ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung unternommen. Die Erwartungen sind allerdings groß:

 

  • Bessere Versorgung des Patienten
  • Entlastung des Pflegepersonals
  • Attraktivitätssteigerung des Pflegeberufes durch bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung
  • Verbesserung der wirtschaftlichen Situation gefährdeter Häuser

 

In einem zweiten Schritt muss eine differenzierte Finanzierung in den Regionen in Angriff genommen werden:

 

Krankenhäuser müssen auskömmlich finanziert werden. Im Durchschnitt sind Krankenhäuser auf dem Land kleiner als Kliniken in Ballungsgebieten und können daher    auch nicht so wirtschaftlich effizient handeln. Es braucht daher „Aufschläge für Minder-mengen“ in Form von höheren Fallpauschalen oder einer Abrechnung nach Aufwand.

 

Krankenhäuser müssen über Jahre verlässlich finanziert werden. Kostensteigerungen, insbesondere bei Lohn und Gehalt, sind jährlich zu berücksichtigen

 

Alle Finanzierungsanträge sind nur 1 mal für mehrere Jahre, und nicht mehr jährlich zu stellen, Abschläge müssen regelmäßig, mindestens quartalsweise, erfolgen.

 

Ggfs. müssen die Krankenhäuser bis zu einer noch festzulegenden Anzahl von Operationen etc. die tatsächlich anfallenden Kosten erstattet bekommen. In keinem Fall darf die Aufteilung eines bundesweiten Budgets auf die Anzahl der durchgeführten OPs die Häuser im ländlichen Raum, mit ihrer geringeren Anzahl von OPs,  finanziell schlechter  stellen.

 

Die Abrechnung der Leistungen mit den Kassen muss an die arbeitsteilige Organisation der Krankenhäuser angepasst werden.

 

Die Fallpauschalen müssen neu geordnet werden denn nur so ist es möglich, eine Behandlung in einem anderen Haus fortzusetzen oder im Schwerpunktkrankenhaus zu operieren und im wohnortnahen Haus die Heilpflege durchzuführen.

 

Die Fallpauschalen müssen in der Zukunft endlich an die tatsächlichen Bedürfnisse angepasst werden. Dabei muss die Basis der Höhe der Pauschalen dringend auf den Prüfstand, denn die Grundlage der aktuellen Daten liegt mehr als zwei Jahre zurück.

 

Die in vielen Fällen geltende Gewinnmaximierung im Gesundheitswesen und den Krankenhäusern ist abzulehnen. An allen Einrichtungen des Gesundheitswesens muss in Zukunft die öffentliche Hand mit 51 % beteiligt werden.

 

II Allgemeine ärztliche Versorgung 

 

II.1 Unterstützung und Sicherung einer ausreichenden ärztlichen Versorgung durch die Kommunen

 

Die Kommunen sollen die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung – ähnlich der Unterstützung im Bildungssystem – garantieren.

 

Dabei sollen insbesondere für junge Ärztinnen und Ärzte die Möglichkeiten eines kostengünstigen Ersteinstiegs in die eigene Praxis ermöglicht werden. Dabei ist den Gemeinschaftspraxen oder medizinischen Versorgungszentren der Vorzug zu geben.

 

Durch die Kommune:

 

soll die gesamte Infrastruktur dieser Arztpraxen, besser Gemeinschaftspraxen, gestellt, vorgehalten und an die Ärzte vermietet werden.

 

wird in den Anfangsjahren den Ärztinnen und Ärzten das gesamte Paket, zeitlich gestaffelt, zu kostengünstigen Bedingungen überlassen.

wird das notwendige Personal zum Betreiben der Praxen eingestellt und den Praxen kostenpflichtig fest zur Verfügung gestellt.

 

Zu diesem Personalstamm, der von der Kommune vorgehalten und den verschiedenen Praxen zur Unterstützung zur Verfügung gestellt wird, soll auch Personal gehören wie z.B.

-              Gemeindeschwester plus od. Schwester AgnES

-              Versorgungsassistentinnen der Hausarztpraxis (VERAH)

-              Entlastende Versorgungsassistentinnen (EVA)

 

Zur Sicherung der ärztlichen Versorgung gründen und unterhalten die   Kommunen verstärkt „Kommunale Medizinische-Versorgungs-Zentren“. An              diesen MVZs können sich „Dritte“ beteiligen. Wobei der Anteil der Kommune am   MVZ 51 % betragen muss.

 

II.2 Attraktivitätssteigerung für die Ansiedlungen von Ärzten, durch Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen.

 

Vereinbarkeit von Beruf und Familie und geregelte wöchentliche Arbeitszeiten, sind zum Beispiel wichtige Faktoren, um Ärztinnen und Ärzte für medizinisch unterversorgte Gebiete zu interessieren. Dazu gehören neben den Maßnahmen nach II.1 unter anderem auch:

 

-              arbeitsplatznahe und ausreichende KITA-Plätze mit Ganztagsbetreuung.

-              wohnortnahe Schulen mit Ganztagsbetreuung

-              ein gut ausgebauter öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV)

-              ausreichende Sport, Freizeit, und Kulturangebote in der näheren, bzw. erreichbaren      Umgebung.

 

II.3 Allgemeine Forderungen

 

für Arztpraxen in medizinisch strukturschwachen Gebieten sind Gehaltszuschläge oder höhere Fallpauschalen über die bereits vorhandenen Möglichkeiten hinaus, zeitlich befristet, erforderlich.

 

an jedem Krankenhaus mit Diagnosezentrum sind MVZs zu installieren die auf die Geräteinfrastruktur des Krankenhauses zurückgreifen können und somit eine schnellere und effektivere Behandlung im MVZ ermöglicht wird.

 

Darüber hinaus ist je ein MVZ, abhängig von einer zu definierenden Bevölkerungszahl, für klar definierte Versorgungsstrukturen einzurichten. Diese MVZs sollen von Kommunen, als AÖR oder privat (z.B. von Ärzten) betrieben werden.

 

Den Kommunen wird eine Mitsprache und Mitentscheidung über Ansiedlung bzw. Zulassung von Ärzten und Arztpraxen eingeräumt.

 

Das Vergütungssystem für Arztinnen und Ärzte muss neugestaltet werden. Die Budgetierung von Leistungen muss überdacht und verändert werden. Erbrachte notwendige ärztliche Leistungen, aber auch Pflegeleistungen müssen immer auch bezahlt werden. Über die Notwendigkeit von Leistungen muss immer der Arzt im Einvernehmen mit dem Patienten entscheiden. Es kann sein, dass sich der Arzt gegenüber der Kasse rechtfertigen muss. Es kann aber nicht sein, dass eine Kasse entscheidet, welche oder wie viele Leistungen erforderlich sind, bzw. dem Arzt vergütet werden.

Empfehlung der AntragskommissionAnnahme und Überweisung an SPD-Bundestags- und Landtagsfraktion