L-03

Download (PDF)

Titel Krise als Chance. Eine Welt nach Corona

AntragstellerInnen Forum Eine Welt der NRWSPD

Veranstaltung(en) I/2020

Empfehlung der AntragskommissionErledigt durch Annahme L-01 in Fassung der Antragskommission

Der Landesparteitag möge beschließen:

Krise als Chance. Eine Welt nach Corona

Noch immer hat uns das Virus fest im Griff und befindet sich die Welt im Krisenmodus.

 

Die Pandemie trifft und bedroht alle, jedoch nicht alle im gleichen Maß, die Älteren stärker als die Jungen und die sozial Schwachen heftiger als die, die über bessere Lebensbedingungen verfügen. Auch legt sie bestehende Schwächen und Bruchlinien dieser Einen Welt offen und verschärft sie. Und welches Ausmaß die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen von Kurzarbeit, geringeren Einkommen, zunehmender Arbeitslosigkeit, Insolvenzen, geschlossenen Kitas und Schulen letztlich annehmen werden, ist noch nicht abzusehen.

 

Einen einfachen oder den richtigen Weg aus der Krise gibt es nicht. Dafür ist Vieles zu neu, zu umfassend und von unvorhersehbarer Dynamik. Aber bereits vor Corona bestanden Lösungsansätze, die konkrete Möglichkeiten etwa für eine Stärkung gesellschaftlicher Krisenresilienz, für eine gerechtere und nachhaltigere globale Verteilung von Wohlstand, für weniger risikoanfällige Lieferketten oder für den Schutz vor sozialer Benachteiligung durch Globalisierungsprozesse aufzeigten. Viele dieser Lösungsansätze werden vom Konzept der Nachhaltigen Entwicklung umfasst.

Die Zeit ist reif, dieses Konzept aus der Nische zu holen und mit einem sozial-demokratischen Narrativ zu versehen. Keine andere politische Kraft verfügt über einen so engen programmatischen Zugang zu den Zielen nachhaltiger Entwicklung, wie die Sozialdemokratie. Dieses Potential gilt es zu nutzen!

 

Daher fordern wir:

 

1. Nachhaltigkeit zum Leitprinzip sämtlicher Schritte aus der Krise machen

Das oberste Ziel sämtlicher Corona-bezogener Maßnahmen darf keine Rückkehr zum nicht-nachhaltigen Zustand vor der Krise sein. Vielmehr gilt es den politische Handlungsdruck, der sich aus der akuten Bedrohungslage durch die Pandemie und deren Folgen ergibt, zu nutzen, um eine Vielzahl interdependenter, tieferliegender Missstände zu beseitigen. Gleichzeitig gilt es, positive Impulse für eine sozialere, inklusivere, umweltbewusstere und nachhaltiger wirtschaftende Gesellschaft zu setzen, um die gesellschaftliche Krisenanfälligkeit zu reduzieren. So sind etwa ökologisch und sozial nachhaltige Strukturen und nachhaltig wirtschaftende Unternehmen nachweislich weniger risikoanfällig. Diese heißt es zu stärken. Die Agenda 2030 und die 17 SDGs dienen als Richtschnur für diesen Prozess. Auf keinen Fall dürfen soziale und ökologische Standards und Ziele mit Hinweis auf aktuelle ökonomische Schwierigkeiten suspendiert oder abgesenkt werden.

 

2. Mehr soziale Gerechtigkeit schaffen

Die Corona-Krise trifft all jene besonders hart, die bereits vor der Krise mit sozialer Benachteiligung und prekären Lebensbedingungen konfrontiert waren, insbesondere Solo-Selbstständige, alleinerziehende Frauen und sozial schwache Schichten mit niedriger Schulbildung und geringem Einkommen.

Gleichzeitig hat die Corona-Krise auch gezeigt, wie wichtig Solidarität, Gemeinschaft und Empathie für eine erfolgreiche Krisenbewältigung sind – regional, national und international. Die nordrhein-westfälische Sozialdemokratie schließt sich der Forderung nach einer „soziale Offensive“ an, um die gesellschaftliche Krisenresilienz zu stärken.

 

3. Ambitionierte Ziele für Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz weiter verfolgt

Ehrgeizige klimapolitische Ziele und Maßnahmen, die vor der Corona-Krise beschlossen wurden, dürfen trotz großer Herausforderungen der Pandemiebewältigung weder abgeschwächt noch zurückgefahren werden. Es ist deshalb Aufgabe von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in Verantwortung auf allen politischen Ebenen, solchen Tendenzen entschieden entgegenzuwirken. Corona bedingte Ankurbelungsmaßnahmen für die Wirtschaft müssen ökologisch und sozial nachhaltig sein. Build back better!

 

4. Wirtschafts- und Finanzpolitik als Hebel für die notwendige Transformation erkennen und nutzen

Die Mehrbelastungen für Wirtschaft und öffentliche Haushalte infolge der Corona-Krise sind gewaltig. Trotz des daraus resultierenden Drucks ist es notwendig, Konjunkturprogramme und Wiederaufbaumaßnahmen als Instrumente für einen Transformationsprozess in Richtung Nachhaltige Entwicklung einzusetzen. Unser Wirtschaftssystem darf nicht weiter dem Dogma der Gewinnmaximierung folgen, sondern sollte sich an Prinzipien einer Gemeinwohlökonomie ausrichten.

 

So ist etwa die staatliche Subventionierung von Umweltzerstörung durch eine steuerliche Bevorzugung nachhaltiger und fairer Produkte zu ersetzen. Gleichzeitig müssen nachhaltige Finanzinstrumente wie Green Bonds verstärkt eingesetzt werden. Um die Abhängigkeit von wenig resilienten globalen Lieferketten in Zukunft zu mindern, müssen strategische Wertschöpfungsketten für Europa definiert und die Kreislaufwirtschaft im Sinne einer „Circular Economy“ sowohl im europäischen als auch im globalen Kontext gestärkt werden. Eine Renationalisierung von Lieferketten ist keine mit Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung vereinbare Krisenprävention. Vielmehr muss in eine weitere globale Diversifizierung und vorausschauende Bevorratung vor allem von medizinischen Bedarfsgütern und Medikamenten investiert werden. Nationale oder regionale Abschottung, Desintegration von Handelsbeziehungen und internationaler Arbeitsteilung bergen dagegen den Keim für soziale und politische Konflikte der Zukunft.

 

5. Vorbeugung und -sorge durch nachhaltige Entwicklung stärken

Nachhaltigkeit muss nicht nur bei der Krisenbewältigung eine zentrale Rolle spielen. Mangelnde Nachhaltigkeit ist sogar ein ursächlicher Treiber viraler Epidemien. So fügt sich Corona in eine ganze Reihe von Epidemien ein – etwa neben Ebola, MERS, Spanischer Grippe oder BSE – die sämtlich auf einer systematischen Missachtung von Ökosystemen basieren. Die Gesundheit der Menschen und die Intaktheit von Ökosystemen sind untrennbar miteinander verbunden.

Zentral für die Vorbeugung zukünftiger Epidemien ist deshalb ein wirksames Nachhaltigkeitsmanagement auf Grundlage einer Kombination von regulatorischen und unternehmerischen Ansätzen. Unternehmen und Behörden können etwa durch Lieferkettentransparenz und -Management sowie durch innovative Anreize für einen Konsum von nachhaltig hergestellten Produkten einen zentralen Beitrag dafür leisten, die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung und das Ausmaß von viralen Epidemien zu vermindern.

 

6. Mutiger und sichtbarer für eine gerechtere Welt werden

Alle Menschen auf diesem Planeten, heutige und zukünftige Generationen, haben das Recht auf ein gutes Leben. Gleichzeitig gilt es, die planetaren Grenzen zu beachten.

Deshalb müssen wir alles daransetzen, den ökologischen und sozialen Fußabdruck, den wir durch eine ressourcenintensive und Natur und Klima schädigende Produktions- und Lebensweise in der Welt verursachen, zu verringern. Das richtet sich ausdrücklich auch an die Politik in Nordrhein-Westfalen als einwohnerreiches und wirtschaftlich starkes Bundesland und setzt ein neues Verständnis von Wohlstand voraus.

Die Zusammenarbeit mit Partnerländern und -regionen im Globalen Süden – etwa mit den NRW-Partnerländern Ghana und Südafrika – muss ausgebaut und vertieft werden.

Die wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsmöglichkeiten der Partnerländer sind zu fördern, z.B. durch faire Handelsregeln, aber auch durch Maßnahmen zur rechtsverbindlichen Einhaltung fundamentaler Menschen- und Arbeitnehmerrechte. NRW sollte ein anspruchsvolles Lieferkettengesetz unterstützen.

 

7. Zivilgesellschaftliches und kommunales Engagement fördern

Viele Kommunen haben bereits vor Jahren erkannt, dass nachhaltige Entwicklung eine Blaupause für innovative, zukunftsorientierte Kommunal-politik sein kann Bereits vor der Krise war der finanzielle und rechtliche Spielraum der Kommunen hierfür klein. Der dringend benötigte kommunale Schutzschirm zur Abfederung der Pandemie-Folgen muss deshalb zwingend kommunales Engagement für Nachhaltige Entwicklung berücksichtigen. Beispielsweise muss im Beschaffungswesen Spielraum gelassen und die Fort- und Durchführung bereits begonnener oder beschlossener Projekte im Bereich der Nachhaltigkeit gesichert werden. Die Vergabe von EU-Strukturmitteln muss darüber hinaus zukünftig an die Existenz kommunaler Nachhaltigkeitsstrategien geknüpft werden.

 

Humanitäre Organisationen leiden besonders unter der Corona-Krise. Ihre Arbeit gilt es zu stärken, indem ihre Forderungen nach größerer Flexibilität beim Einsatz und einer Erhöhung von öffentlichen Zuwendungen sowie einer gleichzeitigen Senkung des zu erbringenden Eigenanteils gehört werden.

 

8. Ein gesamtgesellschaftlicher Diskurs ist notwendig

Die Bewältigung der Corona-Krise darf sich nicht zu einer Debatte über Generationengerechtigkeit entwickeln. Auch wenn unmittelbar vor allem ältere Generationen schutzbedürftig sind, und gleichzeitig die damit verbundenen Beschränkungen und vor allem deren wirtschaftliche Folgen zunächst vornehmlich jüngere Generationen tragen, gefährden die Langzeitfolgen der Krise alle Menschen gleichermaßen. Ein Dialog über einen nachhaltigen gesamtgesellschaftlichen Weg aus der Krise muss deshalb aktiv von der Politik begleitet und mit konkreten Lösungsvorschlägen unterfüttert werden. Die NRW-SPD wird hierzu mit geeigneten Formaten einen zentralen Beitrag leisten.

 

9. Die NRWSPD wird Taktgeberin

Eine Welt- und Nachhaltigkeitsthemen dürfen keine Nebensache sein. Sie gehören ins Zentrum der SPD und stecken in ihrer DNA. „National begrenzte Solidarität steht im Widerspruch zur internationalistischen Tradition der Sozialdemokratie“, so Gesine Schwan in einem kürzlich erschienenen Interview.

Der Landesverband Nordrhein-Westfalen will hier im Rahmen seiner Möglichkeiten eine Vorreiterrolle einnehmen und seinen proaktiven Einsatz für die Umsetzung der Agenda 2030, für mehr Gerechtigkeit weltweit, für faire Handelsbedingungen, Klimaschutz und weniger Rüstungsexporte künftig unter der Überschrift „Nachhaltige Entwicklung“ bündeln.

In der Praxis bedeutet das, dass von der Landesebene bis zum Ortsverein globale Fragen und Entwicklungen Gegenstand regelmäßiger Parteiarbeit sein sollen. Die Bildung von Eine Welt Foren, sowie die Vernetzung unterschiedlicher anderer Untergruppierungen, die sich für Themen der nachhaltigen Entwicklung einsetzen wird gefördert. Über Parteigrenzen hinaus werden der Austausch und die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen weiter intensiviert werden.

Gerade der jungen Generation ist die Sozialdemokratie ein Politikangebot schuldig, das die großen aktuellen gesellschaftlichen Diskurse aufgreift und so den Weg in eine freie, gerechte und solidarische Zukunft weist.

Empfehlung der AntragskommissionErledigt durch Annahme L-01 in Fassung der Antragskommission