Globalisierung, Digitalisierung und auch die ökologische Transformation werden die Art und Weise, wie wir in Zukunft produzieren und arbeiten, grundlegend verändern. Die Vorstellung der neuen Arbeitswelt wird oft verbunden mit einer Auflösung von vereinbarten und erprobten Strukturen und Bindungen, die in einer neuen Flexibilität und Freiheit enden soll. Hinter der von Konservativen und Liberalen geforderten neuen Flexibilität steht allerdings kein Bild einer selbstbestimmten, sondern einer einseitigen Flexibilität für die Arbeitgeberseite zu Ungunsten der Beschäftigten.
Arbeitnehmer*innen, die rund um die Uhr erreichbar sind und vorgeblich junge und hippe Unternehmen, in denen Betriebsräte „gegen die Werte des Unternehmens verstoßen“, oder als „Verhinderer“ neuer Formen von moderner Arbeit gelten und der Kicker im Pausenraum die Mitbestimmung ersetzen soll: Das ist die konservative, nicht am Menschen orientierte und liberale Fantasie einer neuen Arbeitswelt. Dieser Vorstellung stellen wir uns klar entgegen.
Wir stellen fest:
- Das bestehende Arbeitszeitgesetz bietet auch für die sogenannte „neue Arbeitswelt“ einen guten Ordnungsrahmen, der Flexibilität für Unternehmen und Beschäftigte bietet und zulässt. Gleichzeitig schützt dieser Ordnungsrahmen vor einer Entgrenzung der Arbeitszeit und dient somit der Vorbeugung und des Schutzes der Beschäftigten vor Überbelastung und fördert die Ausgewogenheit zwischen Familie und Beruf. Die Regelungen zu Pausen- und Ruhezeiten sowie zu täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeiten sind mit den Anforderungen agilen und digitalen Arbeitens kompatibel. Mobiles Arbeiten steht überhaupt nicht im Konflikt mit dem bestehenden Arbeitszeitgesetz. Warum sollten z.B. Beschäftigte denn mehr Arbeitszeit benötigen, nur weil sie ihre Tätigkeit von zu Hause verrichten? Eine Öffnung des Arbeitszeitgesetzes bedeutet einfach nur, dass die Menschen noch mehr Arbeit leisten sollen. Dies ist ein absolut abzulehnender Synergieeffekt. Die Selbstausbeutung wird hier zunehmen und die Verantwortung dafür auf jeden einzelnen delegiert. Eine Ausweitung des Acht-Stunden-Tages im Sinne der Arbeitgeber und Unternehmen wird es mit der SPD nicht geben.
- Arbeitnehmer*innen haben ein Recht auf Abschalten. Wir unterstützen keine Gesetzesinitiativen, die eine Dauer-Erreichbarkeit zur Konsequenz haben.
- Es ist nicht Aufgabe des Gesetzgebers, Öffnungsklauseln für die Tarifparteien gesetzlich zu schaffen, die am Ende vornehmlich zur Verschlechterung der Situation von Beschäftigten und Aufweichung von gesetzlichen Schutzfunktionen führen. Die Tagesordnungen bei Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden sind weiterhin alleine ihre Aufgabe und müssen es auch zukünftig bleiben.
Wir setzen auf eine aktive Politik, die die Transformation der Arbeitswelt im Sinne der Menschen gestaltet. Unser Ziel ist es dabei, Arbeitnehmer*innen mehr selbstbestimmte Flexibilität für Familie und Freizeit zu ermöglichen statt eine Entgrenzung von Arbeit und Leben voranzutreiben.
Wir fordern:
- Den Anspruch auf Arbeit im „echten“ Homeoffice: Dazu gehört die Definition von Standards für die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und die Einhaltung von bestehenden Regeln des Arbeitsschutzes, damit mobiles Arbeiten nicht zur Gefahr wird. Arbeitsbedingungen und Arbeitsschutz im Homeoffice dürfen auch zukünftig keine bestehenden Regelungen im Unternehmen außer Kraft setzen und somit aufweichen.
- Eine Stärkung der Rechte von Betriebsräten im Bereich der Personalplanung und -entwicklung, beim Einsatz von Selbständigen bzw. anderen außerbetrieblichen Arbeitskräften im Betrieb, beim Einsatz von digitalen Technologien wie z.B. künstlicher Intelligenz, sowie stärkere Sanktionsmöglichkeiten für Betriebsräte im Falle von Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz.
- Eine echte Kontrolle: Erwartbar ist, dass die Dunkelziffer bei Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz deutlich höher liegt als die Quote, die von den Behörden durch sporadische Kontrollen festgestellt wird. Bereits jetzt gehen z.B. die rechtlichen Auseinandersetzungen im Gastgewerbe fast immer um geleistete Überstunden, die nicht vom Arbeitseber anerkannt werden. Beschäftigte verdienen hier einen besseren Schutz. Unternehmen müssen wissen, dass ernsthafte Konsequenzen drohen, wenn Beschäftigtenschutzrechte missachtet werden.
Die Forderungen sollen in die SPD-Wahlprogramme für die Bundestagswahl 2021 und die Landtagswahl 2022 aufgenommen werden.